Gekonntes Spiel mit Klischees
Kabarettpreis Salzburger Stier wurde in Lindau vergeben – Luise Kinseher unter Preisträgern
- Mit dem Salzburger Stier hat der wichtigste internationale Kabarettpreis im deutschsprachigen Raum dieses Jahr am Bodensee in Lindau Station gemacht. Im Stadttheater wurden die diesjährigen Preisträger geehrt; Omar Sarsam für Österreich, das Duo Fatima Moumouni & Laurin Buser aus der Schweiz sowie Luise Kinseher aus Deutschland, besser Bayern.
Letzteres muss allein schon deswegen betont werden, da Luise Kinseher in Figur der vom Leben gestreiften Rentnerin Helga Freese betonte, dass sie seit Jahrzehnten alljährlich nach Bayern in den Urlaub käme, „weil das so anders ist als der Rest Deutschlands, da braucht man nicht ins Ausland fahren“. Omar Sarsam wiederum erklärte, dass er aus „einer völlig anderen Kultur, Region, Sprache und Mentalität stamme. Kennt jemand von Ihnen Wien?“Sarsam ist waschechter Wiener mit etwas anderen Wurzeln als die meisten Wiener, deren Namen traditionell eher auf böhmische Herkunft deuten. Mit einem orientalischen Namen aber wird man leicht an den Katzentisch geschickt, was den Kabarettisten und Kinderchirurgen aber nur dazu ermuntert, mit Klischees zu spielen. „Ich kann Ihnen versprechen, dasselbe Programm hier zu erleben, egal, wie viel Sie für die verschiedenen Sitzplatzkategorien bezahlt haben.“
Sarsam reitet aber nicht nur auf dieser Ausgrenzung herum , sondern nutzt auch die Skurrilität seines medizinischen Zweitberufs, der jede Menge Steilvorlagen bildet. Musikalisch beispielsweise in einem Lied, typisch rhythmisch verballhornt im arhythmischen Stil eines Herbert
Grönemeyer: „Hab mir den Blinddarm alleine operiert, jetzt tut er weh, ist mir noch nie passiert“.
Größte Konzentration erfordert das, was Fatima Moumouni und Laurin Buser an Wortkaskaden auf ihr Publikum herunterprasseln lassen. Die beiden kommen aus der PoetrySlam-Szene und stochern mit feinst geschliffener Sprachklinge und Hingabe in den offenen Wunden der Gesellschaft, wo Omar Sarsan zuvor noch seine Pointen wie Pflaster aufgelegt hatte. Diese Wunden sind die
Abgestumpftheit der Menschen in ihrer Wohlstandsblase, eine Selbstbezogenheit nach dem Motto: „Wichtig ist doch, dass es einem selbst gut geht, dann bekommt man doch die Energie, um anderen – vielleicht, am Ende des Monats oder Jahrs – auch mal was Gutes zu tun“. Die Art und Weise, in scheinbar spontanen Talkshow-Szenen belanglose und tiefgründige Dialoge in Reime zu fassen, zeigt die hohe Kunst des Poetry-Slams, die die beiden beeindruckend beherrschen.
Wer Luise Kinseher nur als Mama Bavaria vom Nockerberg kannte, wo sie nicht immer überzeugt hatte, war hier im Stadttheater bestens aufgehoben. Denn ihre Bühnenpräsenz ist überwältigend, frech und unbeschwert langte sie verbal kräftig zu, ohne die eher peinlich berührende Totenstille, die der Mama Bavaria an den Starkbiertrinkern immer wieder entgegenschlug. „Da habe ich an das ganze Politikergschwerl hingeredet wie an taube Ochsen – und jetzt bekomme ich den Stier!“
Zu schnell ist auch die ihr zugedachte Zeit vorüber, was auch notwendig ist, denn sie sucht lange danach, wie herum der Pokal des Salzburger Stiers eigentlich gehoben werden muss.