Der Freiheitspreis geht an den Journalisten Heribert Prantl
Im Jahr 1525 wurden in Memmingen die Zwölf Bauernartikel verfasst und damit der erste Grundrechtskatalog in Europa
- Für Herbert Müller steht fest: „Unsere Region hat damals Weltgeschichte geschrieben.“Damals, das war das Jahr 1525. Aufständische Bauern haben in Memmingen die Zwölf Bauernartikel verfasst. Sie forderten unter anderem die Aufhebung der Leibeigenschaft, eine Reduzierung der Abgaben und die freie Pfarrerwahl durch die Gemeinde. Diese Artikel gelten als der erste Grundrechtskatalog in Europa. Zur Erinnerung daran vergeben die Stadt Memmingen und ein Kuratorium einen Freiheitspreis, den am Samstag, 21. Mai, der Journalist Heribert Prantl bekommt. Herbert Müller, früherer SPD-Landtagsabgeordneter, ist der Sprecher des Kuratoriums.
Warum aber sind die Bauern im Jahr 1525 in Memmingen zusammengekommen? „Man wusste, dass in dieser Stadt ein aufgeschlossener Geist herrschte“, sagt Müller. Im Streit um den rechten Glauben galt Memmingen als progressiv – wie auch Wittenberg und Zürich, wo Martin Luther und Huldrich Zwingli predigten. In Memmingen trug Zwingli-Schüler Christoph Schappeler viel dazu bei, dass sich die Reformation durchsetzte. Eine wichtige Rolle beim Verfassen der Bauernartikel spielte auch der Kürschner Sebastian Lotzer, den Forscher als Mitautor deuten. Seinen Namen trägt heute eine Memminger Realschule.
Brennpunkt der Bewegung war das Gebiet zwischen Donau und Bodensee. Auch ein Allgäuer Bauernhaufen
sei beteiligt gewesen, sagt Müller: „Da stand Jörg Schmid aus Leubas mit an der Spitze.“Die Haufen wählten Delegierte, die sich dann in Memmingen trafen: „Das war die erste parlamentarische Versammlung, die es in Europa gegeben hat. Einfache Leute haben Gedanken formuliert, wie man es heute nicht besser sagen könnte.“Es war ein Freiheitsgedanke, der auf dem „göttlichen Recht des Evangeliums“basierte.
Die Beratungen der Bauern fanden in der Memminger Kramerzunft statt. Dieses Gebäude gibt es heute noch, es steht mitten in der Innenstadt. Für die damaligen Verhältnisse haben sich die Bauernartikel sehr schnell verbreitet, 25.000 Exemplare wurden verteilt. Sie fanden eine Beachtung, wie sie nur mit den Werken
Martin Luthers vergleichbar war.
Die Bauern verhandelten über ihre Forderungen mit dem Schwäbischen Bund, einer Vereinigung von Reichsstädten, Reichsklöstern, Reichsrittern, Grafen und Fürsten. Doch es kam zu einer Auseinandersetzung, die als Bauernkrieg in die Geschichte eingehen sollte. Die Bauern scheiterten, die Revolution ertrank im Blut. Doch der Aufstand von 1525 gilt heute als eine der größten demokratischen Massenbewegungen vor der Französischen Revolution im Jahr 1789.
Als Mitglied einer Landtagsdelegation besuchte Müller vor vielen Jahren die Georgetown-Universität in Washington. Als er sagte, dass er in Memmingen lebe, erwiderte die Vizepräsidentin der Uni, dass dies doch die Stadt der Zwölf Bauernartikel sei. „Ich war beschämt“, erzählt Müller. Bei einer amerikanischen Professorin war ein Ereignis präsent, das in seiner Heimat bis dahin kaum eine Rolle spielte. Schließlich wurde in Memmingen der Freiheitspreis ins Leben gerufen, „damit sich diese Stadt alle vier Jahre mit den Bauernartikeln beschäftigt“, sagt Müller. Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird seit 2005 vergeben.
Der diesjährige Preisträger Heribert Prantl (68) war Ressortleiter und Mitglied der Chefredaktion bei der Süddeutschen Zeitung. In Zeiten von „Lügenpresse“- Rufen, Fake News und Sozialen Medien, „die Menschen manipulieren“, wolle man den Fokus auf die Pressefreiheit richten, sagt Herbert Müller. Er bezeichnet Prantl als „leidenschaftlichen und kantigen Journalisten“, der auf der Basis von Fakten arbeite und meinungsstark sei.