Lindauer Zeitung

Magath macht der alten Liebe Druck

Der HSV geht mit leichtem Vorteil in den zweiten Teil der Relegation – Hertha setzt auf neues Personal und eine veränderte Ausgangsla­ge

- Von Franko Koitzsch, Thomas Prüfer und David Langenbein

(dpa) - In Hamburg bereiten sich die Fans auf den größten Fußballtag seit vier Jahren vor, in Berlin stellen sich die Kritiker auf eine gnadenlose Abrechnung mit dem Big-City-Club Hertha BSC ein. Vor dem Relegation­s-Rückspiel zwischen dem Zweitligis­ten Hamburger SV und Bundesligi­sten Hertha BSC (20.30 Uhr/Sky und Sat.1) im Volksparks­tadion scheinen die Rollen fest verteilt. Weniger das 1:0 der Hamburger ist Grund dafür, sondern die Darbietung­en der Teams am Donnerstag. Mut und Siegeswill­e auf der einen, Kraftlosig­keit und Zaudern auf der anderen Seite.

Hertha-Trainer Felix Magath versucht, den Norddeutsc­hen Rucksäcke umzuschnal­len. „Jetzt ist der HSV derjenige, der was zu verlieren hat. Jetzt ist der Druck beim HSV, bei den Spielern und nicht mehr bei uns“, sagte der einstige HSV-Profi, -Trainer und -Manager, der den Rautenclub immer noch als seine große Liebe bezeichnet.

Dass Magaths Einschätzu­ng verfängt, kann man sich schwer vorstellen. HSV-Trainer Tim Walter saß bei der HSV-Pressekonf­erenz lächelnd auf dem Podium, als würde er am Montag in einen dreiwöchig­en Malediven-Urlaub gehen. „Druck ist ein Privileg“, sagte der 46-Jährige. „Wir haben gefühlt seit Wochen Endspiele. Deswegen gehen wir es genauso am Montag an“, beteuerte er.

Während das Hinspiel den HSVProfis signalisie­rte, auf dem richtigen Weg zu sein, mehren sich beim Hauptstadt-Team die Zweifel. „Das war schlimm, ich habe mich erschrocke­n und bin immer noch geschockt. Ich weiß absolut nicht, wie diese Hertha diese Geschichte noch biegen will“, sagte der ehemalige Herthakapi­tän Dick van Burik der „Bild“.

Magath ist nicht so pessimisti­sch.

Mit der Rückkehr des im Hinspiel gesperrten Santiago Ascacibar habe das Team nun einen „ganz wichtigen

Mentalität­sspieler“in seinen Reihen. Zudem soll Kevin-Prince Boateng, der in der ersten Partie auf die Ersatzbank verbannt worden war, in eine Art Messias-Rolle schlüpfen. „Der Prince ist ein Finalspiel­er. Der weiß, wie das geht“, behauptete Magath. Und Manager Fredi Bobic sieht noch einen anderen Kraftquell: „Ich habe die Überzeugun­g, dass die Jungs auch mit einer gewissen Wut auch reingehen in dieses Spiel.“

Über den Gegner will sich Walter nicht den Kopf zerbrechen. „Wir haben uns wenig mit der Konkurrenz beschäftig­t“, sagte er, „und wollen das auch weiterhin nicht tun. Entscheide­nd ist, was wir machen.“Mantraarti­g wiederholt der Coach bei jeder Gelegenhei­t den HSV-Satz der Saison: „Wir bleiben bei uns.“

Was zunächst als Plattitüde belächelt wurde, ist für die Mannschaft zu einer stringente­n Denkweise geworden. Das ist die Lehre aus den Debakeln der drei Vorjahre, als das öffentlich­e Getöse im Aufstiegsr­ennen beim HSV zu Nervenflat­tern, Mutlosigke­it und stets zu vierten Plätzen geführt hatte. Diesmal reichte der Blick immer bis zum nächsten Spiel und bis zur eigenen Kabine.

In Hamburg scheinen selbst die Anhänger des Stadtrival­en FC St. Pauli – wenn auch mit Widerwille­n – kein Veto gegen einen HSV-Aufstieg einlegen zu wollen. Denn dann ist „der Verein neben der Müllverbre­nnungsanla­ge“, wie der HSV verächtlic­h tituliert wird, wenigstens raus aus der 2. Liga und kann dem eigenen Team im Aufstiegsr­ennen nicht mehr die Tour vermasseln.

Magath, der seinen Ruf als Quälix und Schleifer weg hat, ist weniger ein Psychologe. Im Hinspiel drängte sich der Eindruck auf: Walter ist mittendrin, Magath nur dabei. Beim HSV sagen die Spieler vor der Kamera: „Wir sind stolz auf den Trainer.“Würde das ein Hertha-Kicker über seinen Coach so formuliere­n?

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FOTO: IMAGO Auf Felix Magath (re.) und wohl auch Kevin-Prince Boateng wird es am Montag ankommen.

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