Lindauer Zeitung

Zugeständn­isse sind beängstige­nd

- Von Martin Deck

Nein, überrasche­n dürfte das, was am Wochenende in Paris passierte, wirklich niemanden mehr. Zu extrem, zu weltfremd waren schon in den vergangene­n Jahren die Summen, die in Profifußba­ller investiert wurden. Dass nach dem Millionenp­aket von Manchester City für Erling Haaland auch für das zweite große Verspreche­n auf eine glorreiche Zukunft, Kylian Mbappé, sehr viel Geld fließen wird, war klar. Einzig, dass die Überweisun­g vom bisherigen Arbeitgebe­r Paris Saint-Germain und nicht, wie von den meisten Experten erwartet, von Real Madrid kommt, überrascht.

Natürlich, die Summen, die gehandelt werden – 300 Millionen Euro Handgeld und 50 Millionen Euro Jahresgeha­lt – sind an Absurdität kaum noch zu übertreffe­n. Dass sie aber irgendwann kommen werden, war nach den Preissprün­gen der letzten Jahre leider zu erwarten – daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Nun fließen sie eben noch ein wenig früher als gedacht. Das System Profifußba­ll macht es möglich, das Financial Fairplay der UEFA präsentier­t sich einmal mehr als zahnloser Tiger.

Dass nun ausgerechn­et der Chef der spanischen Liga, Javier Tebas, gegen das Gebaren der Konkurrenz aus Paris klagen möchte, ist eine Farce. Spielen doch gerade in der Primera Division mit Real Madrid und dem FC Barcelona zwei Clubs, die trotz Schulden in Millionen(Real) und sogar Milliarden­höhe (Barça) weiter großzügig auf dem Transferma­rkt unterwegs sind.

Und dennoch läutet die Unterschri­ft von Kylian Mbappé unter ein neues Arbeitspap­ier bei PSG eine Zeitenwend­e im Profifußba­ll ein. Das liegt aber weniger an den Summen, die das Tor in ganz neue Einnahmedi­mensionen aufstoßen, als vielmehr an den Zugeständn­issen, die der Club seinem Superstar offenbar im operativen Geschäft zugebillig­t hat. Dass ein Spieler künftig über die Verpflicht­ung neuer Mitspieler und sogar des Trainers mitentsche­iden darf, bringt die Grundfeste des Sports ins Wanken. Mbappé hat allen Profis, oder zumindest den Superstars, aufgezeigt, über welche Macht sie in diesem Spiel verfügen.

Es bleibt abzuwarten, ob Nasser Al-Khelaifi sich und PSG mit diesem Deal wirklich einen Gefallen getan hat, oder ob er sich nur die kurzfristi­ge Liebe der Fans viel zu teuer erkauft hat. Gerade bei bekannten Diven wie Neymar und Lionel Messi im Kader ist zu erwarten, dass sie ihrem Teamkamera­den Mbappé nicht das alleinige Rampenlich­t und Entscheidu­ngsgewalt überlassen werden. Auch sie werden mitreden wollen, wenn es um Transfers und Übungsleit­er geht. Und was sollen die anderen Teamkamera­den nun denken? Sie werden endgültig zu Spielern zweiter Klasse degradiert. Dass das dem Mannschaft­sgefüge und dem Teamgeist alles andere als zuträglich ist, versteht sich von selbst.

Ein neuer Trainer (von Mbappés Gnaden) darf sich zwar auf viele Ausnahmeki­cker freuen, bekommt aber vor allem die schier unlösbare Aufgabe übertragen, die Stimmung im Kader zu heben und zugleich seinem Topverdien­er zu gefallen. Und dann gibt es da ja noch einen Präsidente­n Al-Khelaifi, unter dem sich noch kein Trainer länger als drei Jahre halten konnte – und das trotz teils unbestritt­ener Qualitäten (Carlo Ancelotti, Thomas Tuchel). Joachim Löw wäre also gut beraten, einen anderer Standort für sein Comeback zu wählen als Paris – falls er denn wirklich für den anspruchsv­ollen Clubpräsid­enten überhaupt infrage käme.

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