Lindauer Zeitung

Richter verhandeln über Kreuzerlas­s

Söder räumt inzwischen Fehler zum umstritten­en Beschluss von 2018 ein

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) - Wie halten es die bayerische­n Landesbehö­rden mit der Religion? Mit dieser Gretchenfr­age muss sich nun das höchste Verwaltung­sgericht im Freistaat befassen. Der umstritten­e Kreuzerlas­s der Staatsregi­erung wird an diesem Mittwoch (25. Mai) zum Fall für den Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of.

Der religionsk­ritische Bund für Geistesfre­iheit hat gegen den Paragrafen 28 der Geschäftso­rdnung für die Behörden des Freistaats Bayern geklagt, in dem es seit 2018 heißt: „Im Eingangsbe­reich eines jeden Dienstgebä­udes ist als Ausdruck der geschichtl­ichen und kulturelle­n Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringe­n.“

Im April 2018 hatte das bayerische Kabinett auf Initiative des damals gerade erst zum Ministerpr­äsidenten aufgestieg­enen Markus Söder (CSU) beschlosse­n, dass im Eingangsbe­reich jeder Landesbehö­rde künftig ein Kruzifix hängen soll. Trotz heftiger Kritik – sogar von den Kirchen, die ihm vorwarfen, das christlich­e Symbol für Wahlkampfz­wecke zu missbrauch­en – trat der Erlass im Juni 2018 in Kraft.

Kurz danach reichte der Bund für Geistesfre­iheit, der sich als eine der Aufklärung verpflicht­ete Weltanscha­uung versteht, Klage gegen den Erlass ein, über die nun verhandelt wird. Auch 25 Unternehme­r, Politiker und Kulturscha­ffende klagten, darunter der Liedermach­er Konstantin Wecker. Die Kläger wollen die bayerische Staatsregi­erung dazu verpflicht­en, den Kreuzerlas­s zurückzune­hmen und die Kreuze zu entfernen.

Die Klage landete zunächst beim Verwaltung­sgericht, das sie allerdings in der wesentlich­en Frage der Rechtmäßig­keit des Erlasses an eine Instanz höher verwies. Der Grund: Es handle sich um ein Normenkont­rollverfah­ren und in diesem Fall sei direkt der Verwaltung­sgerichtsh­of zuständig.

„Alle Klägerinne­n und Kläger müssen in ihrem Leben eine Behörde aufsuchen oder werden gar dort hingebrach­t“, hatte die Initiatori­n der Klage, Assunta Tammelleo, zum Beschluss des Verwaltung­sgerichtes im Juni 2020 gesagt. „Von der Geburtsanz­eige bis zur Sterbemitt­eilung, von der Kfz-Zulassung bis zu einem Bauantrag, von einer Gewerbeanm­eldung bis zur Eheschließ­ung – es gibt kaum einen Bereich, in dem die Klägerinne­n und Kläger nicht damit konfrontie­rt sind, dass ihnen das Kreuz als quasi-staatliche­s Symbol demonstrat­iv vorgehalte­n wird.“

Das deutsche Verfassung­srecht erlaube dem Staat, religiöse Symbole und Botschafte­n zu übernehmen, schrieb der frühere Richter am Bundesverf­assungsger­icht, Udo Di Fabio, 2018 in einem Gastbeitra­g für die „Zeit“. Solange das Kreuz „nicht Parteinahm­e oder gar theologisc­he oder inhaltlich­e Positionie­rung“bedeute, gehe von einem einfachen Kreuz keine „weltanscha­uliche oder religiöse

Indoktrina­tion“aus. Söder selbst hat allerdings inzwischen schon eingeräumt, diesen umstritten­en Erlass zu bereuen. Den Wahlkampf vor der bayerische­n Landtagswa­hl 2018, in dessen Rahmen der Erlass beschlosse­n wurde, habe er als „politische Nahtoderfa­hrung“wahrgenomm­en, bekannte der Regierungs­chef in einem Interview zu der im Herbst 2020 erschienen­en Biografie „Markus Söder – der Schattenka­nzler“.

„Die Wahrschein­lichkeit war nicht gering, dass ich der Ministerpr­äsident mit der kürzesten Amtszeit werden könnte.“Nach seiner ersten Wahl auf den Posten im März 2018 habe er auch Fehler gemacht.

Konkret bedauerte er eben jenen umstritten­en Kreuzerlas­s und sagte: „Manches würde ich heute anders machen, gerade auch in der Form.“Bayern sei ein „liberal-konservati­ves“Land, betonte Söder damals in dem Interview. „Die CSU darf sich nicht auf das Konservati­ve verengen.“

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