Russischer Soldat als Kriegsverbrecher verurteilt
Der 21-Jährige hatte am 28. Februar einen unbewaffneten Zivilisten erschosssen
(dpa) - Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat Wadim Sch. am 28. Februar einen unbewaffneten 62 Jahre alten Zivilisten erschoss. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess, der in der vergangenen Woche begann, lebenslange Haft beantragt. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, weil der Soldat einen Befehl ausgeführt habe. Es ist der erste Fall eines Kriegsverbrechens, der in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion vor Gericht verhandelt wurde. Der international viel beachtete Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf das brutale Vorgehen der vor drei Monaten von Kremlchef Wladimir Putin in die Ukraine geschickten russischen Truppen.
Der Mann, den der nun verurteilte Russe erschoss, hieß Alexander Schelipow. Ende Februar war Schelipow in dem Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy im Nordosten der Ukraine mit seinem Fahrrad unterwegs, als Wadim Sch. laut Beweisaufnahme mit einem KalaschnikowSturmgewehr auf ihn schoss.
Die Witwe des Ermordeten, Katerina Schelipowa, fand ihren Mann später leblos auf der Straße – mit einem Schuss im Kopf. Vor Gericht sagte sie: „Er war für mich alles. Er war mein Beschützer.“Der fast noch kindlich wirkende Wadim Sch. zeigte in seinem Schlusswort in der vergangenen Woche Reue: „Ich bedauere es. Ich bereue es sehr. Ich habe mich nicht geweigert, und ich bin bereit, alle Maßnahmen zu akzeptieren, die verhängt werden.“
Sch., der aus der Region Irkutsk in Sibirien stammt, schilderte, dass er und seine Panzerkolonne nach Russlands Einmarsch in die Ukraine unter Beschuss geraten seien. Sie hätten dann ein Auto gestohlen, um zu fliehen. Und der ältere Mann sei Zeuge gewesen. „Dort war ein Mann, der per Telefon redete. Fähnrich Makejew befahl zu schießen“, sagte Wadim Sch. vor Gericht. Der ihm nicht näher bekannte Makejew habe ihn angeschrien. Nach einer ersten Weigerung habe er einen kurzen Feuerstoß abgegeben. Später dann habe er sich selbst in Gefangenschaft begeben, denn er habe leben und „nicht kämpfen“wollen. „Ich streite meine Schuld nicht ab.“Ein anderer russischer Soldat, der sich mit ihm in Gefangenschaft begab, bestätigte vor Gericht die Version. Der Befehlsgeber sei 25 bis 30 Jahre alt gewesen, sagte der Zeuge. Ihnen sei erzählt worden, dass der Offizier inzwischen tot sei. Weil Sch. nur einen Befehl ausgeführt haben will, forderte sein Verteidiger Viktor Owsjannikow Freispruch. „Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war“, sagte Owsjannikow. Die Staatsanwaltschaft ließ das nicht gelten. „Das ist nur einer von vielen Fällen, die sich nach dem 24. Februar zugetragen haben. Eine Frau hat ihren Mann verloren, Kinder ihren Vater, Enkel ihren Großvater“, sagte Staatsanwalt Andrij Sinjuk. Auch Witwe Schelipowa forderte lebenslange Haft für den jungen Russen, betonte aber zugleich: „Wenn er gegen einen von unseren Mariupoler Verteidigern ausgetauscht wird, dann bin ich nicht dagegen.“
Aus dem Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol sind inzwischen nach Moskauer Angaben mehr als 2400 ukrainische Kämpfer in russische Gefangenschaft gekommen. Aus dem Kreml hieß es kurz vor der Urteilsverkündigung nur, Moskau suche nach Möglichkeiten, Wadim Sch. zu helfen.
In einem kürzlich veröffentlichten Interview des kremlkritischen russischen Portals Meduza sagte die Mutter des nun verurteilten Wadim Sch., sie habe überhaupt erst vom Krieg in der Ukraine erfahren, als sie am 1. März von der Gefangenschaft ihres Sohnes hörte.
In der Auftaktrede zur Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj „maximal wirksame Sanktionen“gegen Russland gefordert. Nötig sei etwa ein Embargo für russische Energieträger, sagte Selenskyj am Montag in seiner Rede, die als Videoansprache im schweizerischen Davos gezeigt wurde.
Drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs bedankte sich der 44-Jährige auch für die internationale Unterstützung. „Die Welt glaubt an die Ukraine“, sagte er. Nach der Rede erhoben sich viele Zuhörer und applaudierten.
Selenskyj lud zudem ausländische Unternehmen ein, sich nach dem Ende des Krieges am Wiederaufbau der zerstörten ukrainischen Städte zu beteiligen. Zur Finanzierung solle auch eingefrorener russischer Besitz verwendet werden, schlug er vor.
Der ukrainische Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko forderte eine vollständige Isolation Russlands. „Der Krieg wird so lange dauern, wie die Welt Handel mit Russland treibt“, sagte der 46-Jährige am Montag in einer Gesprächsrunde in Davos.
Er forderte zudem einen Ausschluss russischer Athleten von Olympischen Spielen. (dpa)