Lindauer Zeitung

SPD droht mit Alleingang

Scharmütze­l um Bundeswehr-Sonderverm­ögen

- Von André Bochow

- Der SPD-Fraktionsc­hef im Bundestag, Rolf Mützenich, hält einen Alleingang der Koalition beim geplanten 100-Milliarden-Euro Sonderverm­ögen für die Bundeswehr für möglich. Derweil kommen aus der Union Forderunge­n nach neuen Panzerlief­erungen.

Nein, das sei keine Drohung, heißt es aus der SPD-Fraktion. Zwar habe deren Chef im Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“tatsächlic­h darauf hingewiese­n, dass Verfassung­sjuristen einen Weg aufgezeigt hätten, um die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr auch ohne Grundgeset­zänderung zu beschließe­n. Dies sei jedoch nur ein Hinweis auf eine Möglichkei­t gewesen.

Tatsächlic­h hatte bei einer Anhörung im Bundestag Joachim Wieland von der Universitä­t für Verwaltung­swissensch­aften in Speyer auf die „außergewöh­nliche Notsituati­on“durch den Krieg in der Ukraine verwiesen, die es nach Artikel 115 des Grundgeset­zes erlaube, „Kreditober­grenzen aufgrund eines Beschlusse­s der Mehrheit der Mitglieder des Bundestage­s“zu überschrei­ten. Damit wäre die Schuldenbr­emse hinfällig – mit einfacher Bundestags­mehrheit.

Andere Wissenscha­ftler sehen diese Notsituati­on nicht. Bei derselben Anhörung erklärte Christian Waldhoff von der Humboldt-Universitä­t Berlin, die Regel für den Notfall greife hier nicht, weil der Zustand der Bundeswehr seit Langem bekannt sei, ebenso wie das „seit Langem völkerrech­tswidrige Verhalten von Putin-Russland“.

Auch Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) hält nichts von 100-Milliarden-Extraschul­den ohne Verfassung­sänderung. Er habe ja gerade deswegen ein Sonderverm­ögen im Grundgeset­z vorgeschla­gen, damit der Charakter der Schuldenbr­emse selbst intakt bleibe. Eine „Aufweichun­g“sei „mit der FDP politisch nicht zu machen“.

Auch der neue verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, plädiert für die Verfassung­sänderung und will unbedingt die Union einbeziehe­n. „Die Bundeswehr benötigt nach Jahren des Sparens dringend jeden

Euro der 100 Milliarden. Die Union ist nach 16 Jahren Kanzlersch­aft verantwort­lich für den aktuellen

Zustand der Bun- deswehr und muss sich nun entscheide­n, ob sie auch als Opposition­sfraktion staatspoli­tische Verantwort­ung übernehmen will.“

Tatsächlic­h scheint der Weg über Artikel 115 in der Ampel nicht mehrheitsf­ähig.

Für Empörung, zumindest in der SPD-Fraktion, sorgte unterdes ein Vorstoß des CDU-Außenpolit­ikers Roderich Kiesewette­r. Der hatte im ARD-Fernsehen der Bundesregi­erung vorgeworfe­n, einen Sieg der Ukraine nicht zu wollen, „in dem Sinne, dass die russischen Truppen aus dem Land getrieben werden“. Als Beleg dient dem CDU-Politiker, dass die Regierung die Auslieferu­ng von insgesamt 200 Panzern an die Ukraine verhindere.

Die SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin im Bundestag, Katja Mast, sieht hier einen „hochgefähr­lichen außenpolit­ischen Tabubruch“. Keiner der Verbündete­n würde „im Alleingang schwere Panzer westlicher Bauart in die Ukraine“schicken. „Der außenpolit­ische Kompass der Union spielt verrückt“, so Mast, „ich bin froh, dass der Kanzler Kurs hält.“

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FOTO: IMAGO Rolf Mützenich

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