Das verflixte siebte Jahr
Martin Brandt, Chef des Reisemobilherstellers Erwin Hymer Group, tritt aus persönlichen Gründen zurück – Nachfolge bereits geklärt
- Nach sieben Jahren ist Schluss: Martin Brandt, Chef des Reisemobilherstellers Erwin Hymer Group (EHG) aus Bad Waldsee, wird das Unternehmen zum 1. Juli dieses Jahres verlassen. Das teilte der Konzern am Montag mit. Brandt, der seit 2015 an der Spitze der EHG steht, wolle sich künftig „mehr auf sein Familienund Privatleben konzentrieren“, hieß es in der Mitteilung. Er werde das Unternehmen aber weiterhin in einer nicht-geschäftsführenden Funktion unterstützen.
Als Nachfolger von Brandt wurde Alexander Leopold auf den Chefposten der EHG berufen. Leopold führt zurzeit die Geschäfte der EHG-Marke Dethleffs aus Isny. An seine Stelle tritt Bernhard Kibler, der aktuell Vertriebschef bei der EHG ist. Beide Wechsel erfolgen jeweils zum 1. Juli.
„Im Namen von Thor Industries sowie des Aufsichtsrats der Erwin Hymer Group möchte ich mich bei Martin Brandt für sein Engagement und seinen unermüdlichen Einsatz als CEO der Erwin Hymer Group in den letzten sieben Jahren bedanken“, kommentierte Bob Martin, Chef des US-Wohnmobilbauers Thor Industries, zu dem die EHG seit Anfang 2019 gehört, die Entscheidung.
Der Schritt komme nicht unerwartet, teilte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Brandt sei länger als ursprünglich geplant
CEO der Erwin Hymer Group geblieben, um den Integrationsprozess der EHG durch Thor Industries zu unterstützen. Tatsächlich hatte der Aufsichtsrat der EHG das Mandat von Martin Brandt als Vorstandschef Anfang 2018 nur um weitere drei Jahre verlängert.
Da der Integrationsprozess nun erfolgreich abgeschlossen sei habe man einen Nachfolgeprozess eingeleitet, im Zuge dessen sich Alexander Leopold als „der richtige Nachfolger für Martin Brandt“herausgestellt habe. „Wir sind sehr stolz, dass es uns gelungen ist, diese Führungsposition mit einem starken Kandidaten aus den eigenen Reihen zu besetzen“, sagte die Sprecherin. Seitens der Belegschaft vernehme sie „ein positives Stimmungsbild“was die Besetzung des Vorstandspostens durch Alexander Leopold angeht.
Janusz Eichendorff, EHG-Gesamtbetriebsratschef, bestätigte den Eindruck. „Alexander Leopold ist kein Unbekannter in der Hymer-Gruppe. Sein Wirken bei Dethleffs kann man als positiv bewerten. Das birgt die Hoffnung, dass sich das auf den Gesamtkonzern
übertragen lässt“, sagte Eichendorff der „Schwäbischen Zeitung“. Als langjähriger Geschäftsführer sei er sehr erfahren und könne auch mit dem Betriebsrat und der IG Metall zusammenarbeiten.
Der scheidende EHG-Chef hinterlässt große Fußabdrücke in Bad Waldsee. Denn seit der Berufung Martin Brandts im August 2015 hat die EHG eine erstaunliche Entwicklung vollzogen. Aus einem Verbund konkurrierender Einzelmarken (u.a. Hymer, Dethleffs, Bürstner, Carado) hat der gebürtige Ravensburger in kurzer Zeit eine weltweit operierende Gruppe geformt.
In seine Amtszeit fallen wesentliche Weichenstellungen wie die Umsetzung einer gruppenweiten Plattformstrategie, die Neuausrichtung des Markenportfolios, der Eintritt in den nordamerikanischen Markt durch die Akquisition von Roadtrek sowie die Übernahme der Explorer Group in Großbritannien.
Die Suche nach einem Investor, mit dem sich die Wachstumsambitionen des Konzerns in China und in Amerika stemmen ließen, trieb die EHG Ende 2018 schließlich in die Arme von Thor Industries – ein Deal, bei dem Brandt eine entscheidende Rolle gespielt hat.
Martin Brandt hat in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und seine Karriere bei der Beratungsgesellschaft Mercer begonnen. Im Jahr 1996 wechselte er zum Hersteller für Türverriegelungen Effeff aus Albstadt, der vier Jahre später vom schwedischen Assa-Abloy-Konzern übernommen wurde. Dort stieg Brandt auf, verantwortete zuletzt das Asiengeschäft, ehe er 2009 zu der auf Lichttechnik spezialisierten Zumtobel-Gruppe aus Dornbirn in Österreich wechselte. Im Jahr 2015 heuerte der heute 62-Jährige schließlich in Bad Waldsee an.
Brandt übernahm den oberschwäbischen Reisemobilhersteller in unruhigen Zeiten. Im Vorstand des Unternehmens, das der Witwe von Gründer Erwin Hymer, Gerda Hymer, und ihren Kindern Carolin und Christian gehörte, herrschte damals ein Kommen und Gehen. Binnen weniger Monate hatten mehrere Spitzenkräfte den Reisemobilbauer verlassen. Mit Brandt zog Ruhe an der Firmenspitze ein. Im ersten großen Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“Ende 2015 kündigte der Manager an, den Bau von Reisemobilen modernisieren zu wollen. Als Vorbild nannte Brandt damals die Autoindustrie. Sein Ziel: Standardisierung sowie mehr Routine und Qualität im Fertigungsprozess.
Auch wirtschaftlich kann sich die Bilanz Brandts sehen lassen: Unter seiner Führung stiegen die Umsätze der EHG von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf ein Rekordhoch von 2,7 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2021/22. Die mittlerweile auf 20 Marken angewachsene Gruppe beschäftigte zuletzt knapp 8900 Mitarbeiter und lieferte 65 000 Wohnmobilie und Caravans aus.