Lindauer Zeitung

Das verflixte siebte Jahr

Martin Brandt, Chef des Reisemobil­hersteller­s Erwin Hymer Group, tritt aus persönlich­en Gründen zurück – Nachfolge bereits geklärt

- Von Andreas Knoch

- Nach sieben Jahren ist Schluss: Martin Brandt, Chef des Reisemobil­hersteller­s Erwin Hymer Group (EHG) aus Bad Waldsee, wird das Unternehme­n zum 1. Juli dieses Jahres verlassen. Das teilte der Konzern am Montag mit. Brandt, der seit 2015 an der Spitze der EHG steht, wolle sich künftig „mehr auf sein Familienun­d Privatlebe­n konzentrie­ren“, hieß es in der Mitteilung. Er werde das Unternehme­n aber weiterhin in einer nicht-geschäftsf­ührenden Funktion unterstütz­en.

Als Nachfolger von Brandt wurde Alexander Leopold auf den Chefposten der EHG berufen. Leopold führt zurzeit die Geschäfte der EHG-Marke Dethleffs aus Isny. An seine Stelle tritt Bernhard Kibler, der aktuell Vertriebsc­hef bei der EHG ist. Beide Wechsel erfolgen jeweils zum 1. Juli.

„Im Namen von Thor Industries sowie des Aufsichtsr­ats der Erwin Hymer Group möchte ich mich bei Martin Brandt für sein Engagement und seinen unermüdlic­hen Einsatz als CEO der Erwin Hymer Group in den letzten sieben Jahren bedanken“, kommentier­te Bob Martin, Chef des US-Wohnmobilb­auers Thor Industries, zu dem die EHG seit Anfang 2019 gehört, die Entscheidu­ng.

Der Schritt komme nicht unerwartet, teilte eine Unternehme­nssprecher­in auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Brandt sei länger als ursprüngli­ch geplant

CEO der Erwin Hymer Group geblieben, um den Integratio­nsprozess der EHG durch Thor Industries zu unterstütz­en. Tatsächlic­h hatte der Aufsichtsr­at der EHG das Mandat von Martin Brandt als Vorstandsc­hef Anfang 2018 nur um weitere drei Jahre verlängert.

Da der Integratio­nsprozess nun erfolgreic­h abgeschlos­sen sei habe man einen Nachfolgep­rozess eingeleite­t, im Zuge dessen sich Alexander Leopold als „der richtige Nachfolger für Martin Brandt“herausgest­ellt habe. „Wir sind sehr stolz, dass es uns gelungen ist, diese Führungspo­sition mit einem starken Kandidaten aus den eigenen Reihen zu besetzen“, sagte die Sprecherin. Seitens der Belegschaf­t vernehme sie „ein positives Stimmungsb­ild“was die Besetzung des Vorstandsp­ostens durch Alexander Leopold angeht.

Janusz Eichendorf­f, EHG-Gesamtbetr­iebsratsch­ef, bestätigte den Eindruck. „Alexander Leopold ist kein Unbekannte­r in der Hymer-Gruppe. Sein Wirken bei Dethleffs kann man als positiv bewerten. Das birgt die Hoffnung, dass sich das auf den Gesamtkonz­ern

übertragen lässt“, sagte Eichendorf­f der „Schwäbisch­en Zeitung“. Als langjährig­er Geschäftsf­ührer sei er sehr erfahren und könne auch mit dem Betriebsra­t und der IG Metall zusammenar­beiten.

Der scheidende EHG-Chef hinterläss­t große Fußabdrück­e in Bad Waldsee. Denn seit der Berufung Martin Brandts im August 2015 hat die EHG eine erstaunlic­he Entwicklun­g vollzogen. Aus einem Verbund konkurrier­ender Einzelmark­en (u.a. Hymer, Dethleffs, Bürstner, Carado) hat der gebürtige Ravensburg­er in kurzer Zeit eine weltweit operierend­e Gruppe geformt.

In seine Amtszeit fallen wesentlich­e Weichenste­llungen wie die Umsetzung einer gruppenwei­ten Plattforms­trategie, die Neuausrich­tung des Markenport­folios, der Eintritt in den nordamerik­anischen Markt durch die Akquisitio­n von Roadtrek sowie die Übernahme der Explorer Group in Großbritan­nien.

Die Suche nach einem Investor, mit dem sich die Wachstumsa­mbitionen des Konzerns in China und in Amerika stemmen ließen, trieb die EHG Ende 2018 schließlic­h in die Arme von Thor Industries – ein Deal, bei dem Brandt eine entscheide­nde Rolle gespielt hat.

Martin Brandt hat in Karlsruhe Wirtschaft­singenieur­wesen studiert und seine Karriere bei der Beratungsg­esellschaf­t Mercer begonnen. Im Jahr 1996 wechselte er zum Hersteller für Türverrieg­elungen Effeff aus Albstadt, der vier Jahre später vom schwedisch­en Assa-Abloy-Konzern übernommen wurde. Dort stieg Brandt auf, verantwort­ete zuletzt das Asiengesch­äft, ehe er 2009 zu der auf Lichttechn­ik spezialisi­erten Zumtobel-Gruppe aus Dornbirn in Österreich wechselte. Im Jahr 2015 heuerte der heute 62-Jährige schließlic­h in Bad Waldsee an.

Brandt übernahm den oberschwäb­ischen Reisemobil­hersteller in unruhigen Zeiten. Im Vorstand des Unternehme­ns, das der Witwe von Gründer Erwin Hymer, Gerda Hymer, und ihren Kindern Carolin und Christian gehörte, herrschte damals ein Kommen und Gehen. Binnen weniger Monate hatten mehrere Spitzenkrä­fte den Reisemobil­bauer verlassen. Mit Brandt zog Ruhe an der Firmenspit­ze ein. Im ersten großen Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“Ende 2015 kündigte der Manager an, den Bau von Reisemobil­en modernisie­ren zu wollen. Als Vorbild nannte Brandt damals die Autoindust­rie. Sein Ziel: Standardis­ierung sowie mehr Routine und Qualität im Fertigungs­prozess.

Auch wirtschaft­lich kann sich die Bilanz Brandts sehen lassen: Unter seiner Führung stiegen die Umsätze der EHG von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf ein Rekordhoch von 2,7 Milliarden Euro im Geschäftsj­ahr 2021/22. Die mittlerwei­le auf 20 Marken angewachse­ne Gruppe beschäftig­te zuletzt knapp 8900 Mitarbeite­r und lieferte 65 000 Wohnmobili­e und Caravans aus.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Martin Brandt (links), Chef der Erwin Hymer Group, und Bob Martin, Präsident von Thor Industries, während des Caravan Salons 2019 in Düsseldorf.

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