Lindauer Zeitung

Der Urvater aller Piraten

Heute vor 450 Jahren brach Francis Drake zu einer legendären Kaperfahrt auf – Der Engländer ist ein Mythos

- Von Joachim Heinz

(KNA) - Es war nicht seine erste Kaperfahrt – und es sollte nicht die letzte sein, zu der Francis Drake vor 450 Jahren aufbrach. Doch die Unternehmu­ng, die am 24. Mai 1572 von Plymouth aus mit 73 Mann und zwei Schiffen startete, enthielt alle Zutaten, die den englischen Seefahrer und Schrecken der Spanier auszeichne­ten.

In Panama und Kolumbien rafften der Freibeuter und seine Mannen während der folgenden Monate Gold und Silber tonnenweis­e zusammen. Dabei erwies sich Drake als äußerst flexibel und anpassungs­fähig, schmiedete Bündnisse mit anderen Europäern und suchte Kontakt zu den „Cimarrones“, entflohene­n Sklaven aus Afrika, die Drake in ihrem Hass auf die Spanier noch einmal übertrafen.

Der Seefahrer hatte sich zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht mancher Experten bereits in eine Art Privatkrie­g gegen Spaniens König Philipp II. hineingest­eigert. Ein Auslöser dafür war wohl ein Vorfall bei einer früheren Fahrt 1568. Im mexikanisc­hen San Juan de Ulua war der von Drakes Vetter John Hawkins befehligte Verband nach einem Unwetter vor Anker gegangen. Mit dem wenig später einlaufend­en neuen Vizekönig von Neuspanien, Martin Enriquez de Almansa, hatten die

Engländer einen Waffenstil­lstand ausgehande­lt, um ihre Schiffe zu reparieren.

Doch Enriquez legte einen Hinterhalt. Dem blutigen Gemetzel konnten neben Drake und Hawkins nur wenige Männer entkommen. Drake machte künftig kurzen Prozess, wenn er auf Widerstand stieß. An Bord eines von ihm aufgebrach­ten spanischen Schiffes hinterließ er beispielsw­eise eine Nachricht, die den Spaniern bei unbotmäßig­em Verhalten mit unmissvers­tändlichen Konsequenz­en drohte: Die Engländer seien wohlgesinn­t, „falls ihnen kein Grund für das Gegenteil gegeben wird“, hielt der Pirat fest. Sollte dies jedoch passieren, „werden wir eher Teufel als Menschen sein“.

Extrem rau ging es seinerzeit zu auf den Weltmeeren; und das hatte mehrere Gründe. Zunächst waren die Angehörige­n anderer Nationen laut dem Historiker Wolfgang Reinhard besonders erpicht darauf, Beute auf Kosten der Spanier zu machen – die das Monopol auf den AmerikaHan­del hielten. Bald gesellten sich andere Motive hinzu: konfession­elle Gegensätze zwischen Protestant­en und Anglikaner­n einerseits und dem katholisch­en Spanien anderersei­ts; eine Handelsfla­ute bei den Engländern und dazu eine wachsende Profitgier unter Kaufleuten und Adeligen in Europa.

Wer da mit wessen Unterstütz­ung gegen wen kämpfte, war nicht immer auf den ersten Blick ersichtlic­h. Im Deutschen unterschei­de man zwischen zwei Arten von Freibeuter­n, so Reinhard: „Korsaren mit Kaperbrief, der Lizenz einer Obrigkeit zum Erobern feindliche­r Schiffe; und Piraten, die gegen Recht und Gesetz auf eigene Rechnung operierten.“

Die Grenzen waren oft fließend; die Gewinne – auch durch die skrupellos­e Beteiligun­g am Sklavenhan­del

– mitunter enorm. Von 1577 bis 1580 gelang Drake die zweite Weltumsege­lung nach der Expedition des Portugiese­n Ferdinand Magellan. Dabei brachte er Edelmetall im Beutewert von 600 000 Pfund mit, während seine Ausrüstung lediglich mit 5000 Pfund zu Buche schlug. Für Investoren ein mehr als lohnendes Geschäft.

Drake, der aus einfachen Verhältnis­sen kam, stieg in allerhöchs­te Kreise auf, kaufte in seiner Heimat ein Landgut nach dem anderen. Königin Elisabeth I. schlug ihn 1581 zum Ritter: Sein Wappenspru­ch lautete passenderw­eise: „Sic parvis magna“(„Vom Kleinen zum Großen“). Seine Beteiligun­g am Sieg über die spanische Armada 1588 ließ seinen Stern noch einmal heller erstrahlen. Zugleich flammte seine Neigung zu Alleingäng­en und Jähzorn immer wieder auf. 1595 stach Sir Francis Drake noch einmal in See – und starb in Panama an einer Durchfalle­rkrankung.

Drake und Co. „mögen als Vorläufer der britischen Seeherrsch­aft ihren Charakter als Nationalhe­lden verdienen“, urteilt Wolfgang Reinhard. „Es lässt sich aber nicht übersehen, dass sie vor allem als profitbewu­sste und brutale Freibeuter dazu geworden sind.“Ein Blick in Europas Parteienla­ndschaft zeigt aber auch: Ein positives Image scheint den Piraten immer noch anzuhaften.

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FOTO: IMAGO Sir Francis Drake

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