Lindauer Zeitung

Ärzte warnen vor Kommerz in Kliniken

Präsident Reinhardt für Reformen – Minister Lauterbach sieht keine Affenpocke­n-Pandemie

- Von Hajo Zenker und KNA

- Zum Auftakt des Deutschen Ärztetages in Bremen hat Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt vor einer wachsenden Kommerzial­isierung der Patientenv­ersorgung gewarnt. Die Versorgung dürfe keinesfall­s denen überlassen werden, die für ihre Kapitalinv­estoren möglichst hohe Renditen erwirtscha­ften wollten, sagte er am Dienstag. Preiswettb­ewerb, Kosteneffi­zienz und Renditestr­eben bestimmten mehr und mehr den ärztlichen Alltag, fügte der Chef der Bundesärzt­ekammer hinzu.

Der Ärztepräsi­dent forderte zudem zusätzlich­es medizinisc­hes Personal für die alternde Gesellscha­ft. Zwar sei die Zahl der Ärzte 2021 auf 416 120 leicht angestiege­n, jedoch stehe jeder fünfte vor dem Ruhestand. Die Bundesländ­er müssten deshalb rund 6000 zusätzlich­e Medizinstu­dienplätze schaffen. Reinhardt sprach sich auch gegen eine Krankenhau­sfinanzier­ung allein über starre, auf Wettbewerb ausgericht­ete Pauschalen für Behandlung­sfälle aus. „Wir wollen auch keine industrieg­leichen Abläufe in der stationäre­n Versorgung.“Er forderte Gesundheit­sminister

Karl Lauterbach auf, die Ärzteschaf­t bei der Reform der Finanzieru­ng einzubezie­hen.

Aufgrund angekündig­ter Proteste gegen Lauterbach fand der Auftakt des Ärztetages unter einem bisher ungekannte­n Großaufgeb­ot von schwer bewaffnete­r Polizei statt. Der Gesundheit­sminister hatte trotz Drohungen vor dem Veranstalt­ungsort noch versucht, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Doch er wurde niedergesc­hrien. Im Saal dann zeigte sich der SPD-Politiker offen für kritische Diskussion­en.

Am Rande der Veranstalt­ung fand auch eine Pressekonf­erenz zum Thema Affenpocke­n statt. Man müsse „hart und früh reagieren“, sagte der Gesundheit­sminister. Demnach sollen sich Infizierte wie Kontaktper­sonen mindestens 21 Tage absondern. Nach Lauterbach­s Angaben hat der Bund vorsichtsh­alber 40 000 Dosen eines dänischen Impfstoffs bestellt, der bisher erst in Nordamerik­a zugelassen ist, aber trotzdem hierzuland­e kurzfristi­g eingesetzt werden könne. Final hatte der Minister noch eine gute Botschaft: In Sachen Affenpocke­n stehe man „nicht am Anfang einer neuen Pandemie“.

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