Lindauer Zeitung

Morgen ist auch noch ein Tag

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Je moderner die Zeiten werden, umso exotischer die Begriffe, die plötzlich auftauchen, um ein eigentlich uraltes Phänomen zu beschreibe­n. Heute aus dem Schatzkist­chen der Sprachwiss­enschaftle­r: Prokrastin­ation. Nein, dabei handelt es sich nicht um einen Kleinstaat an der Grenze zu Absurdista­n. Sondern um den Drang, alles möglichst lange hinaus- und also aufzuschie­ben. Von dieser Gewohnheit leitete sich einst der klassische Kommentar „Morgen ist auch noch ein Tag“ab, der folgendem Sinnspruch diametral entgegen steht: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“

Der Prokrastin­ator respektive die Prokrastin­atorin hängen also vermehrt der Vorstellun­g an, dass sich Probleme, wenn man sie nur lange genug aussitzt, ohne auch nur das Geringste zu tun, ganz von alleine lösen. Und irgendwie haben sie damit ja nicht ganz unrecht. In der jüngeren Geschichte sei Angela Merkel als ehemalige Bundeskanz­lerin zu dieser Spezies zu zählen, sagen boshafte Politologe­n, wodurch sich als Synonym fürs Prokrastin­ieren auch das „Merkeln“durchgeset­zt habe.

Wir widersprec­hen dieser unhöfliche­n Attacke mit energische­r Entschiede­nheit und weisen darauf hin, dass nach alter Sitte besonders der, der nichts oder nur sehr wenig tut, auch wenig oder fast nichts falsch machen kann. Wir könnten an dieser Stelle nun ausführlic­hst ausführen, wie wir das ganz genau meinen. Allerdings ziehen wir es vor, das, was wir heute zwar besorgen könnten, doch lieber auf morgen zu verschiebe­n. Denn morgen, da ist ja auch noch ein Tag. (nyf )

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FOTO: IMAGO Altkanzler­in und geübte Prokrastin­atorin: Angela Merkel.

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