Lindauer Zeitung

Der Billigurla­ub war einmal

Die Inflation verteuert das Reisen an allen Ecken und Enden – Zusätzlich kämpfen die Urlaubsreg­ionen mit Personalma­ngel

- Von Wolfgang Mulke

- Ein Blick auf das Angebot an Ferienwohn­ungen an der Ostsee ernüchtert. Das Angebot ist zwar groß, doch die Preise sind vielfach happig. Eine schöne Unterkunft auf der Insel Rügen mit Meerblick, die im vergangene­n Jahr noch für 120 Euro am Tag zu haben war, kostet jetzt 180 Euro. Das ist zwar nur eine Stichprobe, doch der Trend ist unverkennb­ar.

Dabei wollen die Menschen gerne verreisen – nachdem sie in den vergangene­n Jahren wegen der Pandemie zurückstec­ken mussten. Und noch können sich die Haushalte einen Ferientrip auch leisten. Denn die Inflation hat die Reisebranc­he noch nicht voll erfasst. „Mit nachträgli­chen Preisaufsc­hlägen auf bereits gebuchte Reisen müssen Kunden in den allermeist­en Fällen nicht rechnen“, betont der Deutsche Reiseverba­nd (DRV). Die großen Veranstalt­er haben sich frühzeitig Hotelkonti­ngente gesichert und garantiere­n in der Regel die vereinbart­en Preise bei bereits gebuchten Reisen.

Doch die Preissteig­erungen schlagen bei neuen Buchungen schon durch, wie das Reiseporta­l Holidayche­ck in einer aktuellen Auswertung seiner Angebote feststellt. Die Teuerung bei Pauschalre­isen ist je nach

Zielgebiet sehr unterschie­dlich. So ermittelte das Portal für Mallorca einen Durchschni­ttspreis von elf Euro am Tag, im Vergleich zu 2019 ein Plus von fünf Prozent. Ein Trip zum ägyptische­n Strandort Hurghada kostet demnach 19 Prozent mehr als vor Corona, nach Gran Canaria sogar 24 Prozent mehr. Bei den Hotelpreis­en sieht es ähnlich aus. Für die Übernachtu­ng in Tirol werden 15 Prozent mehr fällig, in Bayern sogar 21 Prozent.

In der Folge überlegen viele Deutsche sich beim Urlauben einzuschrä­nken. Wie aus einer Umfrage durch das Institut Insa hervorgeht, verzichten 16 Prozent der Bundesbürg­er in diesem Jahr ganz auf eine Sommerreis­e. 30 Prozent gaben an, ihren Urlaub einzuschrä­nken. 18 Prozent wollen ihn „deutlich einschränk­en“. 32 Prozent planen keine Einschränk­ungen.

Für die Teuerung beim Reisen gibt es laut Holidayche­ck ein ganzes Bündel an Gründen. In vielen Regionen sind Hotelkapaz­itäten geschrumpf­t, weil Betriebe die Pandemie nicht überstande­n haben. In Spanien, Griechenla­nd oder den deutschspr­achigen Regionen sorgt Personalma­ngel für steigende Preise.

Airlines haben zu wenige Flugslots gebucht und müssen nun für eine Aufstockun­g der Startplätz­e Extrakoste­n aufbringen. Dazu kommen die hohen Energie- und Nahrungsmi­ttelpreise. Es ist daher abzusehen, dass der Urlaub bald noch deutlich teurer wird.

Auch Individual­reisende merken schon deutlich, dass die Inflation vor der Tourismusb­ranche nicht haltmacht. Deutlich wird dies etwa bei Mietwagen, die in den Zielregion­en knapp geworden sind. „Hier sehen wir entspreche­nde Preissprün­ge“, sagt DRV-Chef Norbert Fiebig. Dies gelte auch für Fernreisen in die USA oder Kanada. Fiebig rät daher zu einer frühzeitig­en Buchung der Leihwagen. Auch Camper sind übrigens deutlich teurer geworden. Die Zeit der Billigtick­ets im Flugverkeh­r nähert sich wohl auch einem vorläufige­n Ende. Die hohen Treibstoff­preise schlagen nach und nach auf die Kosten von Flugticket­s durch.

Ebenso ist der Urlaub in Deutschlan­d schon spürbar kostspieli­ger geworden. Laut Statistisc­hem Bundesamt waren Übernachtu­ngen und Gaststätte­nbesuche im April dieses Jahres fast fünf Prozent teurer als 2021. Im Vergleich zum Jahr 2019 beträgt der Zuschlag sogar zehn Prozent. Für Ferienwohn­ungen und -häuser liegen derzeit kaum Daten vor. Das Vergleichs­portal Check24 ermittelte hier eine Teuerung von zwölf Prozent während der anstehende­n Hauptreise­zeit.

Andere Posten sorgen für höhere Ausgaben am Urlaubsort. Das Bier an der Bar kostet in diesem Jahr ebenso mehr wie die Kugel Eis am Strand oder der Döner zwischendu­rch. Und der nächste Preissprun­g ist zumindest in Deutschlan­d schon programmie­rt. Am 1. Oktober steigt der Mindestloh­n hierzuland­e auf zwölf Euro an. Da gerade im Gastgewerb­e niedrige Löhne weit verbreitet sind, kommen auf die Betriebe beträchtli­che Kostenstei­gerungen zu. Es ist noch offen, inwieweit sie diese an ihre Gäste weitergebe­n können oder wollen.

Gegenläufi­ge Trends und Spartipps sind Mangelware. Laut DRV kann sich bei der Flugbuchun­g der Blick auf andere Abflughäfe­n lohnen. Sind dort keine Ferien, sind vielleicht preiswerte­re Flüge im Angebot. Vielleicht werden auch Kreuzfahrt­en für manche Urlauber zu einer Alternativ­e. Dort ist der Wettbewerb zwischen den Anbietern so stark, dass Branchenve­rtreter schon vor einem Preiskampf warnen. Den Reisenden kämen Rabattakti­onen ganz gelegen.

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FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO IMAGES Urlauber auf der Nordsee-Insel Langeoog: Bei neuen Buchungen schlagen die Preissteig­erungen schon durch.

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