Lindauer Zeitung

Verhandlun­g wird zur Posse

Firma verklagt Wasserburg­er Gemeindera­t auf Unterlassu­ng – Einigung nicht in Sicht

- Von Julia Baumann

- Seit anderthalb Jahren streiten sich die Firma Mang und Sohn und der Wasserburg­er Gemeindera­t Uli Epple. Gegenstand des Streits ist eine Aussage, die Epple bei einer Gemeindera­tssitzung im Januar 2021 getroffen haben soll. Weil sich die beiden außergeric­htlich nicht einigen konnten, landete die Sache nun als Zivilproze­ss vor dem Lindauer Amtsgerich­t. Doch auch beim ersten Prozesstag am Montagvorm­ittag war von Einigung keine Spur. Dem vorsitzend­en Richter Ralf Grunert platzte schließlic­h der Kragen.

„Das Ganze ist kein Kasperlthe­ater. Wenn ich nur eine Aussage finde, die nicht richtig ist, stelle ich persönlich Strafanzei­ge.“Mit diesen Worten schloss er die Sitzung nach einer Dreivierte­lstunde.

Der Prozess hatte schon wenig vielverspr­echend begonnen: Anwältin Silke Wenk, die die Firma Mang und Sohn vertritt, verspätete sich. Werner Mang, Schönheits­chirurg und Bauunterne­hmer, tauchte überhaupt nicht auf. Er stecke im OP-Saal fest, ließ er ausrichten.

Alles dreht sich um einen Satz, den Uli Epple in der Wasserburg­er Gemeindera­tssitzung im Januar 2021 gesagt haben soll und mit dem er auch in der „Lindauer Zeitung“zitiert wurde: „Ich habe gewisse Bedenken, denn der Bauherr ist dafür bekannt, dass er immer größer baut, als er darf, und am Ende zahlt er halt ein bissle Strafe.“

Der Gemeindera­t der Unabhängig­en Liste Wasserburg (ULW) soll das gesagt haben, als die Räte über ein Vorhaben der Firma Mang und Sohn in der Wiesenstra­ße diskutiert­en. Dort möchte die Firma ein Mehrfamili­enhaus bauen. Die Pläne waren umstritten, der Wasserburg­er Bauausschu­ss hatte schon mehrfach darüber diskutiert. Einen ersten Bauantrag hatte der Bauausschu­ss abgelehnt. Damals plante Mang und Sohn ein Gebäude mit acht Wohnungen und Tiefgarage.

Das Gremium hatte allerdings in Aussicht gestellt, dass es ein Sechsfamil­ienhaus akzeptiere­n werde. Daraufhin verkleiner­te der Architekt das Gebäude. Trotzdem blieben einige kleinere Abweichung­en vom Bebauungsp­lan übrig – die einer Genehmigun­g aus Sicht des Landratsam­ts aber nicht im Weg standen. Doch der Bauausschu­ss tat sich noch immer schwer mit dem Projekt, die nachgebess­erten Pläne waren einigen Räten zu ungenau. Der Gemeindera­t stimmte dem Projekt letztendli­ch mit vier Gegenstimm­en zu. Eine dieser Gegenstimm­en kam von Epple.

Nach dem Artikel in der LZ im Januar 2021 über diese Sitzung verklagte die Firma Mang und Sohn Gemeindera­t Uli Epple auf Unterlassu­ng. Zum einen, so Anwältin Wenk, habe Werner Mang selbst nie zu groß gebaut. In diesem Fall geht es aber ums Detail: Denn die Firma Mang und Sohn GmbH und Co. KG war damals erst neu gegründet, das Mehrfamili­enhaus ihr erstes Projekt.

Dass also diese Firma immer größer baut als angegeben –„dies erscheint nach Auffassung des Gerichts unmöglich“, so Richter Grunert. Ob Werner Mang jemals größer gebaut habe als genehmigt – um diese Frage gehe es in der Verhandlun­g schlicht nicht. Streitgege­nstand sei Epples Formulieru­ng. „Sie müssen mir sagen, ob Sie das gesagt haben oder nicht.“

Er habe damals viel gesagt, so Epple, der sich am Montag selbst verteidigt­e. Es sei bekannt, dass, wenn Mang irgendwo baue, „es immer besonders groß wird. Es soll auch schon vorgekomme­n sein, dass er ein bisschen Strafe gezahlt hat.“„Bauherr“habe er nicht gesagt, und gemeint habe er so oder so immer nur Werner Mang. Schließlic­h sei dieser es gewesen, der im Bauausschu­ss über das Projekt gesprochen habe und somit als Bauherr des Projekts aufgetrete­n sei.

Fraglich sei ohnehin, wer bei dem Projekt in der Wiesenstra­ße Bauherr war, so Epple – und zog einen Baubeschei­d aus der Tasche, in dem eine „Mang und Sohn GmbH“, also ohne Co. KG, aufgeführt war. Ein Schreibfeh­ler, konterte Anwältin Wenk, die ihrerseits aber auch keine Beweise für die Bauherrsch­aft der Firma Mang und Sohn GmbH und Co. KG dabei hatte.

Als Streitwert hatte Mangs Anwältin Silke Wenk 5000 Euro veranschla­gt. Die schon vor Monaten vorgelegte Unterlassu­ngserkläru­ng, mit der er sich auch verpflicht­et hätte, die Anwaltskos­ten der Gegenseite zu übernehmen, hat Uli Epple nicht unterschri­eben. „Verständli­cherweise“, wie Richter Ralf Grunert sagte. „Das Ganze ist vielleicht 500 Euro wert.“

Die Aussage Epples sei so ehrverletz­end gewesen, dass sie 5000 Euro als angemessen erachtet habe, so Wenk. „Das ist rufschädig­end.“Richter Grunert erklärte, dass bei Personen, die im Mittelpunk­t des öffentlich­en Interesses stehen, grundsätzl­ich eine höhere Toleranzsc­hwelle festzusetz­en sei. „Klar ist: Wenn wir anfangen, jede Formulieru­ng justiziabe­l zu machen mit einem Streitwert von 5000 Euro, dann habe ich Bedenken“, so der Richter. Für ihn sei das „alberner Tratsch“, der nicht höher zu bewerten sei als 500 Euro. „Das heißt nicht, dass er zulässig ist.“Grunert stimmte Anwältin Wenk zu, dass ein Gemeindera­t eine besondere Verantwort­ung habe mit dem, was er sage.

Mehrfach regte Grunert eine Einigung an. Epple solle Formulieru­ngen wie diese in Zukunft unterlasse­n, beide Parteien sollen sich die Gerichtsko­sten von knapp 40 Euro teilen. Gehör fand der Richter nicht.

Da es das erste Bauvorhabe­n der Firma Mang und Sohn GmbH und Co. KG gewesen sei, könne er die Firma ja gar nicht gemeint haben, argumentie­rte Epple. Er beantragte, die Unterlassu­ngsklage als unbegründe­t abzuweisen. Dabei geht es ihm auch um Grundsätzl­iches. „Mich haben Gemeinderä­te bis aus Hergatz angesproch­en und gesagt, dass man dann ja gar nichts mehr sagen darf, ohne direkt verklagt zu werden.“

Auf einer ernsthafte­n Basis wäre sie für einen Vergleich zu haben, sagte Wenk. „Aber der Beklagte sitzt da und grinst frech.“Sie habe aus dem Ganzen keine große Sache machen wollen. „Aber da haben wir nicht gewusst, wie sich der Beklagte auf der Strecke verhält.“Es störe sie, dass ein Gemeindera­t einfach alles herausposa­une, was ihm so durch den Kopf schieße. Vor allem dann, wenn es nicht wahr sei. Darum sei es notwendig, Grenzen aufzuzeige­n, so Wenk.

Richter Grunert gab auf. „Gerichtsko­sten von 17 Euro pro Person. Das ist es schon wert“, sagte er. Das Gericht werde sich jetzt auf die Suche nach Zeugen für den weiteren Prozess machen. Dann gehe es darum, zu beweisen, wer denn überhaupt Bauherr des Projekts war. Und darum, zu beweisen, ob Epple in der Sitzung damals vom „Bauherr“gesprochen habe. Das Zitat in der LZ reicht dafür nicht aus. „Ich sehe, Sie möchten aus der ganzen Sache eine große Geschichte machen“, sagte Grunert. „Wir haben ja sonst keine Probleme.“

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