Manche möchten noch einmal an den See
Seit 30 Jahren stehen Hospizbegleiter Schwerkranken und Angehörigen zur Seite
- Menschenwürdiges Sterben – das ist ein Hauptanliegen der Hospizgruppe Ravensburg. Das Bemühen darum habe es sicher schon immer gegeben. In der heutigen hochtechnisierten Welt gehe es aber darum, das Menschliche im Umgang mit dem Sterben zu stärken und die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, betonte die Leiterin Michaela Scheffold-Haid beim Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“kurz vor den Feiern zum 30jährigen Bestehen der Hospizgruppe.
Am 23. Januar 1992 wurde sie als gemeinnütziger Verein gegründet. Heute sind von mehr als 100 Mitgliedern etwa 40 ehrenamtlich tätig. Seit dem Jahr 2010 koordinieren und leiten die Pflegeund Palliativ-Care-Fachkräfte Michaela Scheffold-Haid und Martina Hund als Hauptamtliche die Ambulante Hospizgruppe.
Im Treffpunkt in der Eisenbahnstraße verfügt die Ambulante Hospizgruppe seit 2018 über helle, großzügige Räume für das Büro, für Gruppenversammlungen und für eine kleine Bibliothek. Am Anfang hat die offensichtliche gesellschaftliche Not im Umgang mit Sterbenden vor allem Ärzte und Seelsorger zur Gründung des Vereins bewegt. Unter den zehn Gründungsmitgliedern waren Dr. Angelika Egger, Schwester Gudrun Härle und Dr. Siegmar Mende.
Heute wie zur Gründungszeit heiße es: „Wir kommen, wenn uns jemand ruft“, sagte Martina Hund. Die Hauptamtlichen, die von Angehörigen oder
Pflegekräften angerufen werden, vermitteln geeignete Ehrenamtliche oder eventuell einen anderen Hilfsdienst.
„Es gibt Sterbende mit einer großen Familie und Sterbende, die alleine sind“, schilderte Michaela ScheffoldHaid. Sie erzählte von einer 30jährigen Frau, die gegen eine tödliche Krankheit kämpft. Sie hat einen Partner, einen Beruf und schwankt wochen-, ja monatelang zwischen der Hoffnung wieder gesund zu werden und Niedergeschlagenheit. Sie hat Pläne und Wünsche, aber keine Kraft mehr. Die ehrenamtliche Begleiterin versucht das mit ihr auszuhalten und berichtet: „Wir treffen uns jetzt zum Frühstück.“
Das Hadern mit dem Schicksal und das Leiden finden neben alltäglichen Gesprächsthemen wie selbstverständlich Raum. Im Unterschied zu den Angehörigen sind die Ehrenamtlichen selber nicht vom Verlust bedroht. Sie sind wie Sparringspartner, die versichern können: Ich stehe das mit dir durch.
Jeder Sterbeprozess ist individuell. Für Martina Hund macht es einen großen Unterschied, ob sie einen sterbebereiten, betagten oder einen mitten im Leben stehenden, jungen Menschen begleitet. „Wir begleiten ja nicht nur Sterbende, sondern auch die Angehörigen“, bemerkte sie. „Jede Begleitung ist anders“, hat auch Paul Nelles erfahren, Vorsitzender des Vereins.
„Wer sich für eine ehrenamtliche Begleitung entscheidet braucht Mut“, weiß Hospizgruppenleiterin Scheffold-Haid. Kurse vermitteln fortlaufend das nötige Wissen. „Als Basis durchlaufen Ehrenamtlichen eine 80stündige Schulung mit Praxis in Heim oder Hospiz.
Wichtig sei auch der Austausch untereinander. Ehrenamtliche würden demütig angesichts des Todes und ehrfürchtig vor dem gelebten Leben, hat sie erfahren. Manche fänden es „schon schwer“, aber immer bekämen sie mehr zurück, als sie geben.
Manche Sterbende brauchen das Gebet, andere möchten vielleicht nochmal an den Bodensee oder französisch sprechen. Entsprechend haben Ehrenamtlich ganz verschiedene Begabungen.
Mit ihren Vorträgen und Gesprächskreisen möchten die Hauptamtlichen das Leben mit Sterben, Tod und Trauer in die Gesellschaft bringen und das Allgemeinwissen dazu vermitteln. Anrufen dürfen Betroffene übrigens jederzeit. „Wir kommen nicht erst, wenn ein Sterbender in den letzten Atemzügen liegt“, versicherte Martina Hund.