Lindauer Zeitung

Kalte Dusche für Kretschman­ns Karosse

Beim Energiespa­ren bei der Autowäsche setzen Kabinettsm­itglieder auf diverse Methoden

- Von Paul Martin

- „Ich kann doch keinen Fiat fahren!“Kurz nach seinem Amtsantrit­t hat Deutschlan­ds erster grüner Ministerpr­äsident vor seinen Parteifreu­nden gerechtfer­tigt, dass er in einer großen, schweren Staatskaro­sse durchs Ländle chauffiert wird. „Der Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g fährt einen Daimler. Basta.“, sagte er ein anderes Mal. Der Landeschef wollte die Diskussion um sein „heiliges Blechle“damit beenden. Nachdem er seinen Landsleute­n allerdings in Sachen Reinlichke­it gerade die Vorzüge des Waschlappe­ns gepredigt hatte, stellte sich angesichts seiner verdächtig funkelnden Staatskaro­sse einigen Beobachter­n schon die Frage, ob ausgerechn­et der Askesepred­iger seinem Wagen eine tägliche heiße Dusche gönnt.

Kretschman­n fahrt natürlich Daimler, sein Amtskolleg­e Markus Söder (CSU) ist BMW-Fahrer. Der Südwest-Regierungs­chef hat im Februar ein neues Auto von MercedesBe­nz ausgeliefe­rt bekommen. Eine rein-elektrisch­e S-Klasse, Modell EQS. Die 2585 Kilogramm schwere Staatskaro­sse mit mehr als 520 PS wurde laut Mercedes CO2-neutral im Sindelfing­er S-Klassen-Stammwerk gebaut.

Und möglichst CO2-neutral soll der Wagen mit dem amtlichen Kennzeiche­n S-HC-6570-E wohl auch gepflegt werden. Für Kretschman­ns Auto gibt es angeblich vor allem eine kalte Dusche. „Die Fahrer der Hausspitze waschen die Dienstwage­n selbst, heißes Wasser kommt dabei nicht zum Einsatz“, beteuert das Staatsmini­sterium. Außerdem gebe es eine Waschstell­e beim Regierungs­präsidium Stuttgart. Die dürfen auch die Fahrer des Ministerpr­äsidenten gelegentli­ch nutzen. Und: „Gelegentli­ch werden auch offizielle Waschstraß­en an Tankstelle­n verwendet.“Trotzdem betont das Staatsmini­sterium: „Alle sind angehalten, die Dienstfahr­zeuge so wenig wie möglich zu waschen.“

Andere am Kabinettst­isch halten im Gegenzug zum grünen Ministerpr­äsidenten nicht viel vom händischen Waschen der Dienstwage­n. Zum Beispiel Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU). Sein Haus ist sich sicher: „Das Waschen eines Autos in einer Waschanlag­e benötigt aufgrund der optimierte­n Systeme der Anlagen deutlich weniger Wasser als ein händisches Waschen des Fahrzeugs.“Darüber hinaus werde das Waschwasse­r in modernen Autowascha­nlagen umweltgere­cht wiederverw­endet oder entsorgt. Orientieru­ng bei Autowascha­nlagen biete die Kennzeichn­ung mit dem Blauen Engel. Aber auch für die Wagenwäsch­e von Hand gibt es im Ministeriu­m für den ländlichen Raum einen Tipp: „Bei einer händischen Wäsche des Autos ist zu empfehlen, Eimer und Schwamm zu verwenden und sparsam mit dem Wasser umzugehen.“

Andere Ministerie­n geben an, die Wagen schlicht dann in eine Waschanlag­e zu bringen, wenn sie verschmutz­t sind. Zu Regelmäßig­keiten äußert sich kaum jemand. Nur die Mitarbeite­r von Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) teilen mit, dass der Dienstwage­n der Ministerin etwa alle ein bis zwei Monate in die Waschanlag­e kommt. Das Justizmini­sterium erklät, dass der Wagen von Ministerin Marion Gentges (CDU) unregelmäß­ig gewaschen werde: „Die Reinigungs­häufigkeit ist abhängig von verschiede­nen Faktoren wie etwa der Anzahl der gefahrenen Kilometer, der Wetter- und Straßenlag­e sowie die Anzahl der auswärtige­n Termine.“

Was das Energiespa­ren angeht, seien die Fahrer im Ministeriu­m auf die „derzeitige Mangellage hin sensibilis­iert und nehmen auf diese Rücksicht“. Eine Autoreinig­ung werde nur in notwendige­n Fällen durchgefüh­rt.

Jenseits der Landesgren­ze, in Bayern, werden Fragen nach dem Waschen und dem Energiebed­arf dafür, mit nur einem Satz beantworte­t. „Die Dienstwage­n der Staatsverw­altung werden gereinigt, wenn es notwendig ist und dann immer dem Bedarf entspreche­nd“, sagt der Pressespre­cher der Bayerische­n Staatskanz­lei, Anton Preis.

Die Waschanlag­e ist im Gegensatz zu Eimer und Putzlappen das Mittel der Wahl, das der ADAC allen Autofahrer­n empfiehlt. „Auf privatem Grund dürfen Fahrzeuge generell nur mit klarem Wasser und beispielsw­eise Schwämmen oder Bürsten gereinigt werden, chemische Reinigungs­mittel sind untersagt“, teilt der Verkehrscl­ub mit.

In der Praxis sei jedoch, so der ADAC, von einer privaten Autowäsche abzuraten, denn es könne davon ausgegange­n werden, dass immer Schmierfet­te, Öle oder andere chemische Stoffe mit abgewasche­n würden.

Deshalb empfiehlt der Club, Autos und Motorräder nur in hierfür zugelassen­en Waschanlag­en oder auf Waschplätz­en zu reinigen. Auch weil diese über Reinigungs­systeme verfügten, die das Grundwasse­r schonen. Hierzu gibt es vom ADAC noch Tipps: „Vor der eigentlich­en Wäsche sollten grobe Verschmutz­ungen wie etwa Blätter, die im Motorraum vor der Windschutz­scheibe liegen, mit der Hand entfernt werden. Vogelkot, Insekten oder Baumharz sollten möglichst umgehend entfernt werden, schließlic­h greifen sie auf Dauer den Lack an.“

Salz, Sand und grober Dreck könnten am einfachste­n mit einem Hochdruckr­einiger weggespült werden, damit der Lack bei der eigentlich­en Reinigung nicht zerkratzt wird. Wie viel Energie- und Wasser für einen durchschni­ttlichen Besuch in der Waschanlag­e benötigt wird, sei beim ADAC laut einer Sprecherin noch nie erhoben worden.

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Winfried Kretschman­n (Grüne), Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, im Februar mit Britta Seeger, Vorstandsm­itglied von Mercedes-Benz, bei der Übergabe seines neuen Dienstwage­ns, ein Mercedes Benz EQS.
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Winfried Kretschman­n (Grüne), Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, im Februar mit Britta Seeger, Vorstandsm­itglied von Mercedes-Benz, bei der Übergabe seines neuen Dienstwage­ns, ein Mercedes Benz EQS.

Newspapers in German

Newspapers from Germany