Lindauer Zeitung

Özdemir befürchtet Nachteile für Bauern

Grüner Landwirtsc­haftsminis­ter will mit Brüssel über Pflanzensc­hutzmittel verhandeln

- Von Claudia Kling

- „Systemrele­vant“– wer dieses Wort hört, denkt automatisc­h an die Corona-Pandemie, an Berufsgrup­pen, ohne die in einer Gesellscha­ft nichts geht. Am Mittwoch hat Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir (Grüne) die Ernährungs­sicherung als „systemrele­vant“in Deutschlan­d bezeichnet. Jedem in der Regierung sei völlig klar, dass dies oberste Priorität habe, sagte er in der Regierungs­befragung im Bundestag. Die Abgeordnet­en wollten aber noch viel mehr von ihm wissen: Es ging um Düngemitte­l, Pflanzensc­hutzmittel und um die Versorgung der Verbrauche­r in der Krise.

Was für die Landwirte hierzuland­e besonders interessan­t sein dürfte – Özdemirs Position zu den Plänen der Europäisch­en Kommission, Pflanzensc­hutzmittel in „sensiblen Gebieten“zu verbieten. Die Vorschläge, die jetzt auf dem Tisch lägen, müssten trotz des „dramatisch­en Artenschwu­ndes“nachgebess­ert werden, um Nachteile für die deutschen Bauern zu verhindern. Es könne nicht sein, dass die Landwirte bestraft würden, weil Deutschlan­d bei der Ausweisung von Landschaft­sschutzgeb­ieten im Vergleich zu anderen EULändern vorangegan­gen sei, sagte Özdemir. Zudem müsse darüber verhandelt werden, auf welches Referenzja­hr sich die Pläne aus Brüssel beziehen. Die Europäisch­e Kommission hatte im Juni vorgeschla­gen, die Verwendung chemischer Pestizide bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren.

Auch der Einsatz des Unkrautver­nichters Glyphosat ist in der EU umstritten, die Zulassung sollte eigentlich Ende 2022 auslaufen. Özdemir bekräftigt­e, er wolle dafür sorgen, dass in Deutschlan­d dieser Wirkstoff von Januar 2023 nicht mehr angewandt werden dürfe. Die Akteure sollten davon ausgehen, dass das Verbot kommt.

Für die Verbrauche­r sind derzeit allerdings andere Themen drängender – beispielsw­eise die Lebensmitt­elpreise. Was denn aus seinem Vorschlag geworden sei, die Mehrwertst­euer auf Lebensmitt­el zu senken, wollte die Unionsfrak­tion wissen. Nichts, musste der Minister einräumen. Er habe den Vorschlag deshalb nicht mehr wiederholt, „weil er erkennbar keine Mehrheit hat“, sagte er. „Und ich bin ein koalitions­dienlicher Abgeordnet­er.“Gleichzeit­ig verwies er auf die drei Hilfspaket­e, mit denen die Bundesregi­erung auf die Preissteig­erungen für Energie und Lebensmitt­el reagiert habe.

Preissteig­erungen machen auch den Erzeugern von Lebensmitt­eln zu schaffen. Die Kosten für Düngemitte­l sind infolge des russischen Angriffskr­ieges auf die Ukraine durch die Decke gegangen. Der Grünen-Politiker hält dennoch nichts von der Forderung, eine staatliche Reserve für Düngemitte­l anzulegen. Dies würde zu einer künstliche­n Verteuerun­g der Preise führen. „Das wäre, glaube ich, keine gute Idee“, so Özdemir. Für die Herstellun­g von Düngemitte­ln

wird Erdgas benötigt. Für das kommende Jahr seien bislang keine Engpässe abzusehen, aber der Fortgang des Kriegs in der Ukraine entscheide über Angebot und Preise.

Was den grünen Landwirtsc­haftsminis­ter besonders schmerzen dürfte: Die kleinen Biobauern, die zum Teil via Selbstverm­arktung ihre Produkte an den Kunden bringen, leiden massiv darunter, dass den Verbrauche­rn das Geld knapp wird. Biolebensm­ittel werden zwar nach wie vor gekauft, aber weniger in kleinen Läden und Hofläden, sondern eher im Discounter. Die Möglichkei­ten der Politik, darauf Einfluss zu nehmen, sind allerdings begrenzt. Der Staat könne über die „außerhäusl­iche

Verpflegun­g“mehr für die Nachfrage nach regionalen Bioprodukt­en tun und mit mehr Forschung die Produktivi­tät in der Biolandwir­tschaft erhöhen, so Özdemir.

Die Lebensmitt­elbranche rühmte der Landwirtsc­haftsminis­ter einerseits, weil sie mit Energieein­sparungen helfe, gut über den Winter zu kommen. Anderersei­ts machte er klar, dass er nicht mit allem einverstan­den ist, was die Hersteller tun – beispielsw­eise bei Kindern für ungesunde Lebensmitt­el werben. Ein entspreche­ndes Werbeverbo­t sei ihm ein wichtiges Anliegen, so Özdemir. Er habe fest vor, an Kinder gerichtete Werbung „einzuschrä­nken, wenn möglich zu verbieten“.

 ?? FOTO: THOMAS IMO/IMAGO ?? Er habe fest vor, an Kinder gerichtete Werbung „einzuschrä­nken, wenn möglich zu verbieten“, sagte Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir am Mittwoch im Bundestag.
FOTO: THOMAS IMO/IMAGO Er habe fest vor, an Kinder gerichtete Werbung „einzuschrä­nken, wenn möglich zu verbieten“, sagte Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir am Mittwoch im Bundestag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany