Lindauer Zeitung

Vergessene Katastroph­en

- Von André Bochow politik@schwaebisc­he.de

In Pakistan leben 220 Millionen Menschen. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser. Wochenlang. Ernten wurden vernichtet, Millionen sehen sich mit Obdachlosi­gkeit und Seuchen konfrontie­rt. Aber in Europa hat man andere Sorgen. Zum Beispiel ist die Zukunft der britischen Monarchie ungewiss. Und dann ist da ja dieser elende Krieg gegen die Ukraine, der fast unsere gesamte Aufmerksam­keit absorbiert. Ist das ein Wunder, angesichts der atomaren Drohungen des Kremls?

Aber anderswo dreht sich das Leben in Diktaturen, in Kriegs- und Katastroph­engebieten weiter. Alle vier Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger. 50 Millionen Menschen in 45 Ländern sind nur noch einen Schritt vom Hungertod entfernt, heißt es in einem Brief von 238 Nichtregie­rungsorgan­isationen aus aller Welt an die UN-Vollversam­mlung. Der Ukraine-Krieg verschärft den Hunger. Aber dieser hat viele Ursachen. In Somalia, wo es seit Jahren nicht geregnet hat, ist die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren akut unterernäh­rt. In Äthiopien ist der Krieg zurück, in Syrien hat er nie aufgehört.

Über allem schwebt die Gefahr, dass die Erderwärmu­ng nicht nur nicht aufzuhalte­n ist, sondern dass die Folgen nicht beherrschb­ar sind. Der menschenge­machte CO2-Ausstoß hat ein Rekordhoch erreicht.

Der Krieg in Europa, der so viel Leid verursacht, verdeckt, wie wenig wir bei der Lösung globaler Probleme vorankomme­n. Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug und in Europa haben die mit den einfachste­n und dümmsten Antworten auf komplizier­te Fragen wachsenden Zulauf. Hierzuland­e versucht die AfD aus allem, was die Menschen ängstigt, Honig zu saugen. Die einfachen Antworten führen nur zu neuem Unheil.

Dabei ist die Lage nicht hoffnungsl­os. Die Menschheit hat in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg viele ermutigend­e Fortschrit­te gemacht. Die allerdings sind leider nicht irreversib­el. Das kann verhindert werden, wenn wir nicht an einem Krieg verzweifel­n. Und wenn wir diese ganze komplizier­te Welt nicht im Stich lassen.

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