Macron entdeckt die Windkraft
Präsident besucht die erste Offshore-Windanlage Frankreichs – Weiterer Ausbau geplant
- Blauer Himmel, Sonnenschein und nur ein leichter Wellengang: Alle Bedingungen stimmten, als Emmanuel Macron am Donnerstag den ersten OffshoreWindpark Frankreichs mit dem Schiff besichtigte. 80 Windräder stehen gut zehn Kilometer vor der Küste von Saint-Nazaire im Meer und sollen demnächst ein Fünftel des Energiebedarfs der Region decken. Doch Saint-Nazaire ist erst der Anfang. Frankreich will die Erneuerbaren in den nächsten Jahren deutlich ausbauen, wie der Präsident bei seinem Besuch ankündigte. „Ich will, dass wir doppelt so schnell vorankommen.“Bis 2050 sollen 50 Offshore-Windparks entstehen und 40 Gigawatt Energie produzieren. Zum Vergleich: Deutschland will bis 2045 70 Gigawatt durch Windenergie auf See gewinnen.
Frankreich, das eine mehr als 6000 Kilometer lange Küste hat, hatte die Offshore-Produktion lange vernachlässigt – erst vor zehn Jahren wurde die erste Anlage in Saint-Nazaire beschlossen. Während dort nun 80 Windräder in Betrieb sind, zählt Großbritannien vor seinen Küsten bereits 2294 und Deutschland 1501. „Unsere Nachbarn haben in dieser Zeit mehr gemacht und vor allem schneller“, räumte Macron ein. Die Erneuerbaren machen in Frankreich nur 20 Prozent am Energiemix aus, während es in Deutschland rund 50 Prozent sind.
Doch nun will das Nachbarland seinen Rückstand aufholen. Am Montag soll ein Gesetz im Kabinett vorgestellt werden, das die Erneuerbaren voranbringen soll. So soll die Zeit für Einsprüche gegen die Anlagen auf maximal 30 Monate verkürzt werden. Neben der Windenergie soll auch die Sonnenenergie, die bisher kaum eine Rolle spielte, ausgebaut werden. Die Energieproduktion aus Sonnenlicht soll verzehnfacht werden, sodass die Erneuerbaren bis 2050 100 Gigawatt Strom liefern sollen.
Die Pläne zum Ausbau der Erneuerbaren werden vom Umfeld des Staatschefs nur vorsichtig kommentiert, denn vor allem gegen die Windräder gibt es viel Widerstand - auch in Saint-Nazaire. Neben den Fischern fürchten die Umweltschützerinnen
und Umweltschützer um Fauna und Flora auf der 80 Quadratkilometer großen Meeresfläche, die der Park einnimmt. Schärfste Gegnerin der Windenergie ist die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die im Präsidentschaftswahlkampf damit drohte, im Fall ihres Wahlsieges alle Windräder an Land – immerhin 8000 – wieder abzubauen.
Macron, der zu Beginn seiner ersten Amtszeit die „Éoliennes“vorangetrieben hatte, bremste angesichts des Gegenwinds in den vergangenen Jahren. Doch auch er warnt: „Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, müssen wir auch an Land neue Windräder installieren. Wir müssen das Spiel wieder aufnehmen.“
Parallel zu den Erneuerbaren will der Präsident die Atomkraft ausbauen, die in Frankreich den Löwenanteil der Energie, nämlich rund 70 Prozent, liefert. Allerdings zeigten die Nuklearanlagen, die durchschnittlich bereits 36 Jahre alt sind, in den vergangenen Monaten deutliche Schwächen. Von den 56 Reaktoren waren bis zu 32 nicht am Netz, entweder wegen Wartungsarbeiten oder wegen Korrosionsschäden. Ergebnis: Der Atompark liefert nicht genug Strom, sodass Frankreich derzeit importieren muss – auch aus Deutschland. „Wir haben konjunkturelle Schwierigkeiten“, räumte Macron ein. Im Winter könnte es in Europas Atomstromnation Nummer eins sogar zu geplanten Abschaltungen kommen.
Nun soll der Bau neuer Atomkraftwerke beschleunigt werden. Bis 2035 sollen sechs weitere Druckwasserreaktoren EPR entstehen, langfristig sollen es sogar 14 werden. Und das, obwohl der erste EPR in Flamanville am Ärmelkanal noch immer nicht am Netz ist und die Kosten sich seit Baubeginn 2007 versechsfacht haben.
Macrons Strategie in der Energiekrise beruht auf drei Säulen: der Atomenergie, den Erneuerbaren und einer neuen Sparsamkeit. Schon in diesem Winter sollen die Französinnen und Franzosen zehn Prozent Energie einsparen, indem sie beispielsweise ihre Wohnungen nur noch auf 19 Grad heizen. Die Zeiten, in denen sorglos die in Frankreiuch beliebte Elektroheizung aufgedreht werden konnte, sind endgültig vorbei.