Lindauer Zeitung

Selbst zum Weinen fehlt die Kraft

Somalia ist von der seit Jahren andauernde­n Dürre betroffen – Millionen hungern

- Vvn Mustafa Haji Abdinur

(AFP) - Sadak Ibrahim liegt in seinem Krankenhau­sbett in Mogadischu. Der Blick des Kindes geht ins Leere, Fliegen krabbeln über sein Gesicht. Er ist so schwach, dass er sie kaum verscheuch­en kann. Aus seinem Mund kommt nur ein leises Wimmern – selbst zum Weinen fehlt dem Jungen die Kraft.

„Er ist mein einziges Kind und er ist sehr krank“, sagt Fadumo Daoud. Um Sadak zu retten, reiste sie drei Tage lang aus der Region Baidoa im Südwesten in die Hauptstadt. Somalia ist am stärksten betroffen von der seit Jahren andauernde­n Dürre am Horn von Afrika. Millionen von Menschen hungern, Tausende sind bereits gestorben. Somalia ist besonders stark betroffen, da das Land vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine mindestens 90 Prozent seines Getreides aus der Ukraine und Russland bezog.

Seit Ende 2020 sind vier Regenzeite­n in Somalia ausgefalle­n, auch im Oktober wird es voraussich­tlich keinen Niederschl­ag geben. 7,8 Millionen Menschen – fast die Hälfte der

Bevölkerun­g – sind der UNO zufolge von der Dürre betroffen, 213 000 von ihnen sind akut vom Hungertod bedroht.

Tag und Nacht wacht die Mutter am Bett ihres völlig unterernäh­rten Jungen im Krankenhau­s De Martino. Sadaks Beine sind nur noch Haut und Knochen, durch die Nase wird er mit Nährlösung versorgt. Während die UN-Vollversam­mlung in New York über Lebensmitt­elknapphei­t debattiert, betet Fadumo Daoud um das Überleben ihres Sohnes. Hunderte andere somalische Kinder sind bereits verhungert.

730 Kinder sind zwischen Januar und Juli nach Angaben des UN-Kinderhilf­swerks Unicef allein in den Ernährungs­zentren gestorben. Mehr als eine halbe Million Jungen und Mädchen im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren sind stark unterernäh­rt.

Der Leiter des UN-Nothilfebü­ros (Ocha), Martin Griffiths, mahnte Anfang September sofortige und dringende Hilfe an – vor allem in den südlichen Regionen Baidoa und Burhakaba. Laut Griffiths ist die Lage noch schlimmer als bei der letzten Hungersnot

2011, durch die 260 000 Menschen starben, mehr als die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren.

Die Dürre und der Hunger treffen Somalia besonders hart. Um der Gewalt der seit 15 Jahren wütenden radikalisl­amischen Shebab-Miliz zu entgehen, verließen eine Million Somalier ihre Dörfer und zogen in die Städte, vor allem nach Mogadischu, wo sie in Slums leben.

Auch Nuunay Adan Durow, Mutter von zehn Kindern, kam aus Baidoa in die Hauptstadt. „Weil es nicht geregnet hat, haben wir seit drei Jahren nichts mehr geerntet“, sagt die 35-Jährige. „Es war schrecklic­h. Um einen Kanister Wasser zu bekommen, mussten wir zwei Stunden laufen.“

In den sieben Gesundheit­s- und Ernährungs­zentren, die das IRC in und um Mogadischu betreibt, habe die Zahl der Neuankömml­inge seit Juni erheblich zugenommen, sagt Faisa Ali, die bei der Organisati­on für die Ernährung der Patienten verantwort­lich ist. Die Zahl der neu aufgenomme­nen Kinder habe sich auf 40 pro Tag mehr als verdreifac­ht.

Die extreme Trockenhei­t trifft sogar die traditione­ll fruchtbare­n Regionen Somalias, wie Shabeellah­a Hoose, das an Mogadischu grenzt. Einst war die Gegend Zufluchtso­rt für von der Dürre geplagte Somalier, jetzt fliehen die Menschen selbst von dort.

„Früher haben wir Gemüse angebaut um unsere Kinder zu ernähren“, erzählt Fadumo Ibrahim Hassan. „Jetzt leben wir von dem, was Gott uns gibt.“Die verwitwete Mutter von sechs Kindern kam vor einer Woche in die Hauptstadt. Die Ärzte von IRC schickten sie mit ihrer Tochter Yusro ins De Martino Krankenhau­s, weil sie den Zustand des Mädchens für sehr ernst hielten. Die Zweijährig­e wiegt gerade einmal 5,8 Kilogramm die Hälfte des Gewichts eines gesunden Kindes in ihrem Alter.

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FOTO: FARAH ABDI WARSAMEH/AP/DPA In einem Lager für Vertrieben­e am Stadtrand von Mogadischu hält eine Mutter, die aus einer von Dürre heimgesuch­ten Region geflohen ist, ihre unterernäh­rte einjährige Tochter.

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