Lindauer Zeitung

Urlaubsans­pruch bei Verjährung gestärkt

Oberstes EU-Gericht gibt klare Grenzen vor und nimmt Chefs in die Pflicht

- Von Regina Wank

(dpa) - Gute Nachrichte­n für Angestellt­e: Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) stärkt ihnen den Rücken bei der Verjährung von Urlaubsans­prüchen. Der EuGH mahnte am Donnerstag die Arbeitgebe­r, dass sie Arbeitnehm­er darauf hinweisen müssen, dass der Urlaub verfallen könnte. Andernfall­s bleibe der Anspruch auf Urlaub in bestimmten Fällen bestehen, teilten die Richter in Luxemburg mit.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) begrüßte das Urteil. „Anhaltende Arbeitsübe­rlastung zum einen, Angst vor Repression­en zum anderen, aber auch Krankheite­n und Erwerbsmin­derung dürfen nicht dazu führen, dass Beschäftig­te ihren Urlaub nicht nehmen können und dieser schlussend­lich verfällt“, sagte DGB-Vorstandsm­itglied Anja Piel. Mit Blick auf den Fachkräfte­mangel müssten Arbeitgebe­r ein hohes Interesse daran haben, dass Beschäftig­te zu ihrer verdienten Erholung kämen und gesund blieben.

Hintergrun­d des Urteils sind drei Fälle aus Deutschlan­d. In einem Fall konnte die Klägerin ihren Urlaub nach eigener Aussage wegen des hohen Arbeitsauf­wands nicht nehmen und forderte eine Abgeltung der Urlaubstag­e. Ihr Arbeitgebe­r argumentie­rte, dass die Urlaubsans­prüche nach der im Zivilrecht üblichen Frist von drei Jahren verjährt seien. Das bestätigte der EuGH grundsätzl­ich:

Der Arbeitgebe­r habe ein berechtigt­es Interesse daran, dass er nach drei Jahren nicht mehr mit Forderunge­n nach Urlaub oder finanziell­er Vergütung für nicht genommenen Urlaub konfrontie­rt werde.

Es gibt den Richtern zufolge allerdings Einschränk­ungen: Der Arbeitgebe­r muss selber Vorkehrung­en treffen, dass solche späten Anträge nicht vorkommen. Dazu gehören gewisse Hinweis- und Aufforderu­ngspflicht­en, also etwa der Fingerzeig darauf, dass der Urlaub bald verfallen wird. Der Arbeitnehm­er sei die schwächere Partei. Deswegen dürfe die Verantwort­ung, den Urlaubsans­pruch durchzuset­zen, nicht allein auf seinen Schultern liegen.

Die anderen beiden Fälle betreffen den Urlaubsans­pruch bei Krankheit. Die Kläger machen geltend, dass sie einen Anspruch auf bezahlten Urlaub für das Jahr haben, in dem sie aus gesundheit­lichen Gründen erwerbsgem­indert beziehungs­weise arbeitsunf­ähig waren. Zum einen geht es um einen Mitarbeite­r, der klagte, weil ihm sein Arbeitgebe­r für das Jahr 2014 seiner Ansicht nach noch 34 Arbeitstag­e Urlaub schulde, die er aus gesundheit­lichen Gründen nicht nehmen konnte. Der Arbeitgebe­r argumentie­rt, der nicht genommene Urlaub sei nach Ablauf des Übertragun­gszeitraum­s im Jahr 2016 erloschen.

Im zweiten Fall war eine Mitarbeite­rin im Jahr 2017 arbeitsunf­ähig geworden und hat ihren Urlaub für dieses Jahr nicht vollständi­g genommen. Der Arbeitgebe­r hatte sie den Angaben zufolge weder aufgeforde­rt, ihren Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiese­n, dass nicht beantragte­r Urlaub mit Ablauf des Kalenderja­hres oder Übertragun­gszeitraum­s verfallen könne.

Dem EuGH zufolge müsse man anerkennen, welche Schwierigk­eiten sich für den Arbeitgebe­r ergäben, wenn Angestellt­e lange Zeit am Stück fehlten und Urlaubsans­prüche ansammelte­n. Daher sei es richtig, dass bei Krankheit die Urlaubsans­prüche nur 15 Monate übertragen werden können und danach verfielen. Dies gilt demnach aber nicht für die Ansprüche aus dem Zeitraum vor oder nach der Krankheit, in dem der Angestellt­e tatsächlic­h gearbeitet hat. Auch hier liegt der Ball beim Arbeitgebe­r: Er muss seine Mitarbeite­r auf den drohenden Verfall des Urlaubs hinweisen. Andernfall­s würde der Anspruch auf Urlaub inhaltlich ausgehöhlt.

Das Bundesarbe­itsgericht entscheide­t über die Fälle abschließe­nd in ein paar Monaten.

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FOTO: BÄNSCH/DPA Der Europäisch­e Gerichtsho­f befindet sich in Luxemburg.

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