„Herr Habeck, bitte ans Telefon!“
Der Chef der Handwerksbäckerei Mack steigt von Gas auf Öl um – Doch viele Fragen bleiben offen
- Michele Giuliano, Chef des Bäckerbetriebs Mack, lässt nicht locker. Er will mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck telefonieren und will ihm persönlich erklären, wie es um die Bäckerbranche steht. Schlecht nämlich. „Wir müssen endlich ins Handeln kommen“, sagt Giuliano, für die Bäcker sei es fünf vor zwölf. Die von ihm geführte Handwerksbäckerei Mack mit Sitz in Westhausen betreibt 45 Filialen in der Region rund um die Ostalb, von Crailsheim bis Günzburg. 500 Menschen arbeiten in der Backstube, in Verwaltung und Logistik und draußen in den Filialen. Der Betrieb ist nicht gerade klein und kann, so Giuliano, eine schwierige Zeit überstehen. Doch nach der gerade gestemmten Corona-Krise kommen die Inflation und die Explosion der Energiepreise jetzt mit Wucht auf den Handwerksbetrieb zu.
Nicht nur die hohen Kosten machen Probleme, es sind auch die vielen offenen Fragen, auf die noch niemand eine Antwort weiß. „Die drängendste Frage ist, ob wir im Winter überhaupt noch genügend Energie bekommen“, sagt Giuliano im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Zwar gehört sein Betrieb zu den Glücklichen, die noch einen Gas-Liefervertrag haben – Giuliano hat schon 2021 mit seinem Energieversorger neue Verträge über eine Laufzeit von drei Jahren abgeschlossen. Die Tarife seien schon damals, lange vor Kriegsbeginn, deutlich höher als in den Vorjahren gewesen. Doch dafür hat der Mack-Chef jetzt einen Festpreis und wäre damit abgesichert – eigentlich.
Die Gasumlage kommt auf die Kosten oben drauf, so viel ist klar. Völlig unklar sei jedoch, was bei einer Gasmangellage tatsächlich passiert. Befriedigende Antworten gebe es bisher nicht: „Ich habe die EnBW, die Bundesnetzagentur und das Bundeswirtschaftsministerium angeschrieben“, so Giuliano. Doch bisher kamen nur „nichtssagende“Erklärungen. „Ich weiß nicht, ob ich bei einer Gasmangellage noch Gas bekomme und wie viel“, rätselt der Unternehmer.
Gehört habe er, der Verbrauch soll bei 1,8 Millionen Kilowattstunden im Jahr gedeckelt werden. Für seinen Betrieb braucht der MackChef jedoch 2,5 bis drei Millionen Kilowattstunden. Die Produktion kann er nicht ohne Weiteres drosseln. „Ich brauche bestimmte Mengen, um die laufenden Kosten zu decken“, beschreibt der Bäckerei-Chef.
Giuliano, der die Handwerksbäckerei Mack als familienfremder Manager Zug um Zug übernimmt, ist studierter Banker und gewohnt mit Zahlen genau zu sein. Er weiß: Unternehmer
brauchen Planungssicherheit. „Bei einem Betrieb mit 500 Mitarbeitern kann man nicht auf Sicht fahren. Genau das tut jedoch die Politik“, kritisiert er.
Seine Befürchtungen hat der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, erst kürzlich bestätigt. Ob es im Winter einen Gasnotstand geben wird, sei nach seiner Einschätzung weiter offen. „Wir dürften erst über einen Gasmangel Bescheid wissen, wenn er nicht mehr aufzuhalten ist“, sagte der Behördenchef dem „Handelsblatt“. Seine Behörde arbeite an Modellen, um Politik und Wirtschaft einige Tage Vorwarnzeit vor einem Gasmangel geben zu können. „Durch die gut gefüllten Speicher können wir uns Zeit erkaufen, uns länger auf einen Gasmangel vorzubereiten. Mehr als eineinhalb Wochen können wir beim Gasverbrauch aber nicht voraussehen“, sagte Müller in dem Interview.
Giuliano bringt das auf die Palme. Um die Energieversorgung für seinen Bäckereibetrieb sicherstellen zu können, reichen ein paar Tage Vorlauf nicht aus. „Wir wissen bis heute nicht, ob Bäckereien überhaupt zu den systemrelevanten Betrieben zählen, also bevorzugt mit Gas versorgt werden. Das geht gar nicht.“
Zwar hatte sich Bundesagrarminister Cem Özdemir zuletzt für eine Priorisierung der Energieversorgung in der Lebensmittelproduktion stark gemacht und auch von „Systemrelevanz“gesprochen. Doch was das in der Praxis nun heißt, ließ der Grünen-Politiker offen.
Für die Produktion von täglich Tausenden Brezeln und Brötchen hat das Unternehmen im vergangenen Jahr in neue, energieeffiziente Stikkenöfen investiert, die mit Gas beheizt werden. Doch wie lange noch? Weil er sich lieber auf seine eigenen Entscheidungen als auf die Politik verlässt, hat der Geschäftsführer bereits gehandelt: Er hat Öltanks, die noch in Reserve waren, auffüllen lassen. Die benötigten Brenner dafür sind bestellt. „Betriebswirtschaftlich ist das eigentlich Unsinn“, sagt Guiliano. Denn an die Gasverträge sei er zunächst einmal gebunden und der ihm garantierte Gaspreis sei deutlich günstiger als das, was er für das Öl bezahlen muss. „Dazu kommen rund 50 000 Euro für die Brenner.“Diese seien zwar bestellt – doch die Lieferzeiten sind lang.
Dieses Engagement, mit dem er der Politik helfe, Gas einzusparen, müsse Habeck „mehr Wert sein“, findet der Bäckerei-Chef. „Das sollte unterstützt werden.“Bisher versucht er vergeblich, den Minister ans Telefon zu kriegen. Über den Bundestagsabgeordneten aus seinem Wahlkreis, Roderich Kiesewetter (CDU), hat er das Gespräch vor Wochen angefragt.
Die Zeit läuft und das noch größere Problem lauert beim Strom. Denn der macht 80 Prozent der gesamten Energiekosten aus, 20 Prozent entfallen auf Gas. Auch hier hat sich der Betrieb bis 2024 mit Verträgen abgesichert, doch der Preis steigt schon im kommenden Jahr auf das Fünffache. Alle Ladenöfen in den 45 Filialen werden mit Strom beheizt. Und mit jeder neuen Filiale wird es noch teurer, weil er dafür keine neuen Verträge mehr bekommt.
Dazu kommen gestiegene Preise für Rohstoffe. Ein Kilo Zucker beispielsweise koste ab Oktober einen Euro statt 50 Cent. Auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro schlage zu Buche. Unterm Strich rechnet Giuliano mit 60 Prozent höheren Energiekosten, 20 Prozent höheren Rohstoffkosten und sechs Prozent höheren Personalkosten im Vergleich zum Vorjahr.
Was tun? Mehr Geld für Brot und Brötchen verlangen gehe nur sehr eingeschränkt, sagt der Mack-Chef. „Die Menschen sparen, das spüren wir bereits am Umsatz.“Weniger produzieren sei auch keine Lösung, so Guiliano. Das stelle sich Herr Habeck so einfach vor.
Der Geschäftsführer hat drei Forderungen an die Politik. Erstens Planungssicherheit: Die Betriebe müssten wissen, ob sie weiter mit Gas rechnen können. Zweitens sei ein Preisdeckel auf Strom und Gas „zwingend notwendig“– zumindest vorübergehend. Drittens müsse die Politik die Schuldenbremse aussetzen. „Sonst werden wir sehr viele Pleiten sehen. Nicht nur bei den Bäckern.“Es gehe nicht darum, die Heizung ein paar Grad runterzudrehen. Es gehe darum, Betriebe, die für die Versorgung der Bevölkerung extrem wichtig sind, am Laufen zu halten.
Die Aussagen von Bundesnetzagentur-Chef Müller machen da keine große Hoffnung. Er rechne mit Wellenbewegungen: „Es kommen Gasmangellagen, sie gehen, sie kommen wieder, sie treten mal hier, mal dort auf, womöglich auch deutschlandweit.“Eine seriöse Prognose, wo die Gefahr eines Mangels am größten sei, könne er nicht geben. „In Deutschland kann es allerorts zu Kälteperioden kommen. Wenn wir einen sehr kalten Winter bekommen, haben wir ein Problem.“