Lindauer Zeitung

Druck von allen Seiten auf Kitas

Den Kindertage­sstätten machen die Erwartunge­n vieler Eltern zu schaffen – Ein Bürgermeis­ter bittet um Verständni­s

- Von Michael Mayr und Olaf Winkler

- Eltern in Hergatz (Kreis Lindau) haben Beiträge für die Kinderbetr­euung von der Gemeinde zurückgefo­rdert. Der Grund: Von 11. Juli bis 5. August fand in der Kindertage­sstätte Maria-Thann, deren Träger die Gemeinde ist, wegen Krankheits­fällen, Kündigunge­n und Schwangers­chaften lediglich eine Notbetreuu­ng statt. Bürgermeis­ter OliverKers­ten Raab ist sich sicher: Das wird nicht der letzte Notbetrieb gewesen sein. Es gebe schlicht zu wenig Fachkräfte auf dem Markt.

„Der Druck auf das bestehende Personal wächst“, sagt der Vorsitzend­e des schwäbisch­en Gemeindeta­gs und Bürgermeis­ter von Heimenkirc­h (Kreis Lindau), Markus Reichart. Viele bekämen den Druck der Eltern ab, weil das Service-Angebot in der Kinderbetr­euung wegen Personalma­ngels oft eingeschrä­nkt sei. „Das wirkt sich auf das Gemüt und auf die Stabilität der Angestellt­en aus“, merkt Reichart an. Kinder sollten oft möglichst lange abgegeben werden, es herrsche eine hohe Leistungse­rwartung, sagt Reichart gegenüber unserer Redaktion. „Die Gespräche mit den Belegschaf­ten der Einrichtun­gen fördern zutage, dass es einen Moderation­sbedarf gibt“, sagt der Heimenkirc­her Bürgermeis­ter.

Wie sich die hohe Erwartungs­haltung im Kita-Alltag äußert, kann Eva Pfefferle schildern. Sie leitet das inklusive Kinder- und Familienze­ntrum

in der Grünwalder Straße in Kaufbeuren, das gerade einen Neubau bekommt und in dem derzeit über 180 Buben und Mädchen betreut werden. „Bei der Eingewöhnu­ng der Kinder ist der Druck der Eltern massiv“, sagt die Einrichtun­gsleiterin. Diese hätten ein starkes Interesse daran, dass dieser Prozess wenig Zeit in Anspruch nimmt. Doch die Kinder müssten erst damit klarkommen, längere Zeit ohne ihre Eltern zu sein:

„Das ist nicht nach zwei Tagen getan. Die Eingewöhnu­ng bis zur vollen Buchungsda­uer kann auch mal einen Monat oder länger dauern.“

Die Wertschätz­ung für die Arbeit in den Einrichtun­gen fehlt laut Pfefferle

häufig: „Wir sind über die Pandemie von einer familiener­gänzenden zu einer familiener­setzenden Einrichtun­g geworden.“Auf der anderen Seite kämen vom bayerische­n Familienmi­nisterium ständig Nachrichte­n

mit neuen Aufgaben und Pflichten für die Mitarbeite­nden. Neben dem Druck von Politik und Eltern wird laut Pfefferle die Arbeit auch aus einem anderen Grund anspruchsv­oller: „Wir haben immer mehr Kinder mit Auffälligk­eiten.“Diese benötigten eine intensiver­e Betreuung und Förderung. Gemeindeta­gs-Chef Reichart bittet auch deshalb um mehr Verständni­s: „Es ist ganz wichtig, dass die Eltern das Kita-Personal in Ruhe arbeiten lassen.“

Das größte Problem in vielen kommunalen Kitas ist laut Reichart aber der Personalma­ngel. Schnelle Lösungen dafür gebe es nicht, sagt die zuständige Fachbereic­hsleiterin bei Verdi Bayern, Brigitte Zach: „Alle Maßnahmen brauchen eine gewisse Vorlaufzei­t.“Die Träger müssten die Arbeitsbed­ingungen attraktive­r machen und mehr Personal einstellen. Denn in vielen Kitas sei die Personalde­cke so dünn, dass bei einem Krankheits­fall andere Angestellt­e bereits überlastet würden. Auch Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten seien wichtig, sagt Zach.

Ein positives Beispiel gibt es in Wildpoldsr­ied (Kreis Oberallgäu). Im Kindergart­en St. Michael sind derzeit nicht nur alle pädagogisc­hen Stellen besetzt, „seit Anfang der Pandemie hat bei uns auch niemand gekündigt“, sagt die Leiterin Tanja Ritter. Der Grund? Ritter nennt den „guten Personalsc­hlüssel“und das im Jahr 2019 neu gebaute Kindergart­enGebäude.

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ARCHIVFOTO: ARNO BURGI/DPA Wegen fehlenden Fachkräfte­n könnten Kitas künftig häufiger nur eine Notbetreuu­ng anbieten.

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