Druck von allen Seiten auf Kitas
Den Kindertagesstätten machen die Erwartungen vieler Eltern zu schaffen – Ein Bürgermeister bittet um Verständnis
- Eltern in Hergatz (Kreis Lindau) haben Beiträge für die Kinderbetreuung von der Gemeinde zurückgefordert. Der Grund: Von 11. Juli bis 5. August fand in der Kindertagesstätte Maria-Thann, deren Träger die Gemeinde ist, wegen Krankheitsfällen, Kündigungen und Schwangerschaften lediglich eine Notbetreuung statt. Bürgermeister OliverKersten Raab ist sich sicher: Das wird nicht der letzte Notbetrieb gewesen sein. Es gebe schlicht zu wenig Fachkräfte auf dem Markt.
„Der Druck auf das bestehende Personal wächst“, sagt der Vorsitzende des schwäbischen Gemeindetags und Bürgermeister von Heimenkirch (Kreis Lindau), Markus Reichart. Viele bekämen den Druck der Eltern ab, weil das Service-Angebot in der Kinderbetreuung wegen Personalmangels oft eingeschränkt sei. „Das wirkt sich auf das Gemüt und auf die Stabilität der Angestellten aus“, merkt Reichart an. Kinder sollten oft möglichst lange abgegeben werden, es herrsche eine hohe Leistungserwartung, sagt Reichart gegenüber unserer Redaktion. „Die Gespräche mit den Belegschaften der Einrichtungen fördern zutage, dass es einen Moderationsbedarf gibt“, sagt der Heimenkircher Bürgermeister.
Wie sich die hohe Erwartungshaltung im Kita-Alltag äußert, kann Eva Pfefferle schildern. Sie leitet das inklusive Kinder- und Familienzentrum
in der Grünwalder Straße in Kaufbeuren, das gerade einen Neubau bekommt und in dem derzeit über 180 Buben und Mädchen betreut werden. „Bei der Eingewöhnung der Kinder ist der Druck der Eltern massiv“, sagt die Einrichtungsleiterin. Diese hätten ein starkes Interesse daran, dass dieser Prozess wenig Zeit in Anspruch nimmt. Doch die Kinder müssten erst damit klarkommen, längere Zeit ohne ihre Eltern zu sein:
„Das ist nicht nach zwei Tagen getan. Die Eingewöhnung bis zur vollen Buchungsdauer kann auch mal einen Monat oder länger dauern.“
Die Wertschätzung für die Arbeit in den Einrichtungen fehlt laut Pfefferle
häufig: „Wir sind über die Pandemie von einer familienergänzenden zu einer familienersetzenden Einrichtung geworden.“Auf der anderen Seite kämen vom bayerischen Familienministerium ständig Nachrichten
mit neuen Aufgaben und Pflichten für die Mitarbeitenden. Neben dem Druck von Politik und Eltern wird laut Pfefferle die Arbeit auch aus einem anderen Grund anspruchsvoller: „Wir haben immer mehr Kinder mit Auffälligkeiten.“Diese benötigten eine intensivere Betreuung und Förderung. Gemeindetags-Chef Reichart bittet auch deshalb um mehr Verständnis: „Es ist ganz wichtig, dass die Eltern das Kita-Personal in Ruhe arbeiten lassen.“
Das größte Problem in vielen kommunalen Kitas ist laut Reichart aber der Personalmangel. Schnelle Lösungen dafür gebe es nicht, sagt die zuständige Fachbereichsleiterin bei Verdi Bayern, Brigitte Zach: „Alle Maßnahmen brauchen eine gewisse Vorlaufzeit.“Die Träger müssten die Arbeitsbedingungen attraktiver machen und mehr Personal einstellen. Denn in vielen Kitas sei die Personaldecke so dünn, dass bei einem Krankheitsfall andere Angestellte bereits überlastet würden. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten seien wichtig, sagt Zach.
Ein positives Beispiel gibt es in Wildpoldsried (Kreis Oberallgäu). Im Kindergarten St. Michael sind derzeit nicht nur alle pädagogischen Stellen besetzt, „seit Anfang der Pandemie hat bei uns auch niemand gekündigt“, sagt die Leiterin Tanja Ritter. Der Grund? Ritter nennt den „guten Personalschlüssel“und das im Jahr 2019 neu gebaute KindergartenGebäude.