Und plötzlich ist Bausparen wieder sexy
Comeback dank Zinswende – Instrument zur Absicherung
- In den Jahren des Niedrigzinses mutierten Bausparverträge immer mehr zu Ladenhütern. Als zu teuer galten die Langweiler unter den Finanzprodukten angesichts von Baukrediten, deren Zins allmählich unter die Ein-ProzentMarke rutschte. „In einem solchen Umfeld galten Bauspardarlehen nicht mehr als niedrigverzinslich und wurden daher trotz Zuteilung zunehmend weniger mehr abgerufen", erläutert Gabriele Nagel, Bausparmathematikerin bei der LBS Südwest. Inzwischen aber hat sich der Wind gedreht. „Bereits im Dezember 2021, erst recht aber im Januar und Februar 2022 ist der Bausparmarkt wieder angesprungen", sagt Oliver Adler, Produktmanager bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Plötzlich war Bausparen wieder sexy. So wuchs das Neugeschäft der Branche seit Jahresbeginn um rund 40 Prozent. Als Ursache für die Renaissance des Bausparens entpuppten sich hier die Bauzinsen, die sich mit zehnjähriger Zinsbindung im Zuge der Zinswende der Notenbanken von Januar bis heute auf ein Niveau von drei Prozent und darüber verdreifacht haben.
Viele Menschen schienen gar nicht mehr daran geglaubt zu haben, dass die Kapitalmarktzinsen in absehbarer Zeit wieder steigen könnten. Im Gefolge von Corona und beschleunigt durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Zinswende nun aber schneller gekommen, als dies auch von vielen Experten für möglich gehalten wurde. Nun aber sei die Ära extrem niedriger Bauzinsen vorbei, ist sich Christian König, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Privaten Bausparkassen, sicher. Das spürten immer mehr Eigentümer und solche, die es werden wollen. „Zinsabsicherung ist für sie das Gebot der Stunde", sagt König. Gerne wird der Bausparvertrag in der Branche auch als „Zinsabsicherungsgeschäft des kleinen Mannes" beschrieben, das eine weitgehende Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt bietet. Jedenfalls ist durch die Zinswende ein Grundprinzip des Bausparens wiederhergestellt worden. Denn sowohl in der Ansparphase als auch in der Darlehensphase liegen die Zinsen wieder unter dem Marktzins. „Das gehört zur Kernidee des Bausparens, die jetzt wieder verstärkt wahrgenommen wird", erläutert Nagel von der LBS. Als Kunde nimmt man dabei den geringeren Guthabenzins zugunsten eines niederverzinslichen Bauspardarlehens in der Zukunft in Kauf. So weist beispielsweise ein aktueller Tarif der LBS Südwest einen Guthabenzins von nahe null (0,01 Prozent ) und¸ je nach Tilgungshöhe, einen Sollzins von 1,19, beziehungsweise 1,49 Prozent auf. Effektiv ergibt sich hier eine Verzinsung von 1,54 und 1,75 Prozent. Bei Schwäbisch Hall bietet der aktuelle Tarif, der im Juli 2021 aufgelegt wurde, ebenfalls 0,01 Prozent Guthabenzins sowie einen Effektivzins von 1,44 Prozent für das Bauspardarlehen.
Inzwischen ist die Entwicklung der Marktzinsen so weit gediehen, dass selbst die Bauspardarlehenszinsen von zehn bis 15 Jahre alten Verträgen, die derzeit etwa bei der LBS Südwest zugeteilt werden, mit einem Sollzins in der Größenordnung von 2,95 Prozent unter den aktuellen Bauzinsen liegen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden ihre zugeteilten Bauspardarlehen auch abrufen. „Je höher der Marktzins über dem tariflichen Sollzins liegt, umso planmäßiger verhält sich der Kunde", erläutert Nagel. Und die Bausparkasse verdient ihre kalkulierte Zinsspanne. Aktuell ist es also eine gute Zeit für Neugeschäft. Denn um stets ausreichend Zuteilungsmasse zur Verfügung zu haben, bedarf es eines stetigen Stroms an Spargeldern. Der durchschnittliche Regelsparer braucht einen Zeitraum von zehn bis zwölf Jahren bis zur Zuteilung. Bedient wird das Bauspardarlehen aus der Zuteilungsmasse, die die angesammelten Spar- und Tilgungsleistungen umfasst. Je mehr die Zinsen steigen, desto eher können die Kassen Liquiditätsprobleme bekommen, wenn die Kunden ihre Bauspardarlehen verstärkt abrufen.
Nachdem die Kassen nun zehn Jahre lang ihre Konditionen für Bauspartarife nach unten gedrückt haben, ist es eine spannende Frage, wann denn die Zinsen wieder nach oben angepasst werden. „Solange das Neugeschäft weiterhin brummt, besteht dazu keine Notwendigkeit", sagt Nagel. Viel hängt für die weitere Entwicklung der Zinsen für Bauspardarlehen von dem Umstand ab, inwieweit sich die Erwartungen der Kunden an die Konditionen verändern.