Warum in Lindau 80 Bäume gefällt werden müssen
Situation in diesem Jahr besonders prekär – 18 der betroffenen Bäume prägen das Stadtbild
- Vielen Bäumen in Lindau geht es schlecht. Das liegt daran, dass es heißer und trockener wird. Weil dort, wo die Bäume stehen, sich immer mehr Menschen aufhalten, müssen auch in diesem Jahr wieder viele gefällt werden. So kritisch wie heuer war die Situation noch nie.
„Es gibt immer Schadbilder, aber so schnell, wie die Zerstörung des Holzes in diesem Jahr fortgeschritten ist, haben wir es noch nicht gesehen“, sagte Stadtgärtner Markus Steinbeißer. Er ist zuständig für die Bäume der Stadt Lindau. Er und sein Chef, Jan Wragge, malten bei der Sitzung des Werkausschusses am Donnerstagabend ein düsteres Bild. Gerade in den vergangene drei Jahren habe sich die Situation enorm verschlechtert.
Grund dafür sei die Hitze der vergangenen Jahre. Viele Bäume hat sie angreifbar gemacht für Pilze. Jan Wragge erklärte anhand einer Statistik den Werkausschuss-Mitgliedern, dass die Temperaturspitzen in Lindau immer höher werden. Den Bäumen, vor allem denen, die umgeben sind von Häusern und Straßen, tut das nicht gut. Bei vielen alten Bäumen, so erklärt es Wragge, trocknet die oberste Bodenschicht ab, Feinwurzeln sterben.
Auch die Temperaturunterschiede werden größer. Ist es im Sommer besonders heißt, wird es im Winter oder Frühjahr sehr kalt. Frost töte die wasserführenden Gefäße. Dann könne der Baum weder Nährstoffe noch Wasser mehr aufnehmen, so Wragge. Er verliere an Vitalität und werde geschwächt. Gleichzeitig befallen immer häufiger Pilze und Schädlinge die Bäume. Wenn sie sich nicht wehren können, sterben sie. Viele Bäume in Lindau erreichen ihr natürliches Alter deshalb nicht mehr, sagte Wragge.
Besonders schlecht geht es den Mammutbäumen. Einen in der Senftenau muss die Stadtgärtnerei deswegen im Winter fällen. Seit 50 Jahren steht er dort. Von heute auf morgen seien die Blätter des noch recht jungen Baumes krank geworden, sagte Steinbeißer. Warum, wisse man noch nicht genau. Einen Pilz habe man von außen gar nicht sehen können. Steinbeißer hofft darauf, dass, wenn der Baum erst einmal gefällt ist, mehr zu erkennen sei.
Eigentlich nehmen Mammutbäume Wasser über ihre Blätter auf. Und zwar dann, wenn Nebel aufsteigt. Wegen des Klimawandels gebe es davon aber immer weniger. Die Winter sind trocken, wenn es regnet, dann oft viel zu viel. Die Mammutbäume können das Wasser gar nicht verarbeiten. Stattdessen faulen ihre Wurzeln.
Die Lindauer Stadtgärtner haben sich in diesem Jahr besonders auf die Mammutbäume fokussiert, habe Bodenproben entnommen, Rindenmulch und Baumdünger verteilt und die Bäume gegossen. „Grundsätzlich ist es natürlich immer unser Ziel, die Bäume zu erhalten“, sagte Steinbeißer. Gerade alte Bäume seien wichtig.
Der Mammutbaum in der Senftenau ist einer von 18 großen Bäumen, die die Stadtgärtnerei in diesem Jahr fällen muss. Aber auch anderen Bäumen geht es schlecht. Die Fällliste der Stadtgärtnerei ist in diesem Jahr besonders lang. Insgesamt stehen 80 Bäume darauf. Im vergangene Jahr waren es laut Stadtgärtnerei schon weniger, 2019 nur 43 Bäume.
Im Lindenhofpark müssen in diesem Jahr besonders viele Bäume weg. Zwei Linden im Lindenhofbad und Fichten im Park oberhalb des Laubengangs, ein Nussbaum, drei Weißtannen, Fichten und eine Buche. „Da geht es, wie immer, um die Sicherheit“, sagt Wragge. Gerade rechtlich gesehen sei das ein immer größeres Problem. Wragge berichtet von einem Vorfall am Giebelbach, als ein Ast auf zwei ältere Menschen auf einer Bank herabstürzte. Der Baum, zu dem der Ast gehörte, war krank.
Die Bäume im Lindenhofpark werden allerdings nicht mit einem Kran, sondern mithilfe eines Helikopters gefällt. Manche seien 35 Meter hoch und höher, sagt Wragge. „Da kommen wir mit einem Kran gar nicht ran.“Außerdem sei die „Helifällung“viel günstiger. Für die Fällung mit einem Kran müsse die Stadt für die Bäume zwischen 70 000 und 80 000 Euro zahlen, mit dem Helikopter seien es nur zwischen 30 000 und 40 000 Euro.
Auch ein Ahorn am Pulverturm, eine Linde am Spielplatz in der Bazienstraße und eine Linde am Giebelbach müssen gefällt werden, ebenso zwei Lärchen und Buchen am Aeschacher Friedhof.
Drei Hängeulmen an der Spielbank musste die Stadtgärtnerei dieses Jahr schon fällen, weil sie sonst für den Verkehr eine Gefahr gewesen wären. Auch die übrigen Bäume, die dort noch stehen, müssen laut Wragge gefällt, beziehungsweise an den Aeschacher Friedhof umgepflanzt werden. Als Ersatz will die Stadtgärtnerei an der Spielbank 16 Bäume in einer Reihe pflanzen. Allerdings keine hängenden Bäume, sondern solche, die mehr Schatten spenden. Das werde die Stadt 30 000 Euro kosten. Dem stimmten eine Mehrheit der Werkausschussmitglieder zu.
Insgesamt sind es so viele Fällungen, dass die Lindauer Stadtgärtnerei es nicht alleine schafft. In den kommenden zwölf Monaten noch 1000 Maßnahmen zu erledigen, sagt Jan Wragge. 400 könnten seine Mitarbeitenden aber nur noch machen. Der Rest müsse extern vergeben werden.
Denn die Stadtgärtnerei ist auch mit dem Nachpflanzen von neuen Bäumen beschäftigt. Von den 66 Einzelbäumen, speichern sie zum Beispiel auch Wasser und entlasten die Kanalisation. Außerdem absorbieren sie Strahlungen, sorgen für eine bessere Luftfeuchtigkeit und für Erholung.
die gefällt werden, hofft die Stadtgärtnerei, dass sie an 40 bis 50 Orten neue Bäume pflanzen kann. Bei den restlichen muss sie neue Standorte suchen.
Besonders gepflegt werden müssen die Bäume im Eichenheim. Dort, wo früher Besucher des Eichwaldbads parkten, stehen Bäume, denen es nicht gut geht. Deswegen wurde dort ein Gutachten erstellt, das sagt, was zu tun ist, um die 201 Bäume zu erhalten.
Verantwortlich für die Baumpflege sei, so heißt es in der Sitzungsvorlage, Thermenbetreiber Andreas Schauer. Er müsse die Maßnahmen veranlassen und überwachen. „Durch die ökologische Bedeutung des Eichenheims und deren Aufrechterhaltung ist jedoch die Mitwirkung der GTL dringend zu empfehlen“, heißt es weiter. „Mit dem Gutachten haben wir eine Grundlage, mit der wir argumentieren können“, sagt Wragge. Es sei wichtig, dass es den Bäumen gut geht und sie stehen bleiben können.
Denn selbstverständlich ist das in diesen Zeiten nicht. Baum-Experte Markus Steinbeißer geht davon aus, dass der Trend aus diesem Jahr sich fortsetzt. „Ich rechne damit, dass es in den kommenden Jahren mehr Bäume werden, die wir fällen müssen.“