Lindauer Zeitung

Die Frage nach dem Haargummi

Deggendorf­er Mordprozes­s dauert an

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(dpa) - Ein Haargummi ist im Mordprozes­s vor dem Landgerich­t Deggendorf unerwartet zu einem wichtigen Indiz geworden. In dem Verfahren geht es um den gewaltsame­n Tod einer 20 Jahre alten Frau und speziell um die Frage, ob sie erstochen wurde, als sie schlief. Genau das wirft der Staatsanwa­lt dem Angeklagte­n vor und fordert eine lebenslang­e Haftstrafe wegen Mordes sowie die Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld. Die Verteidige­r gehen dagegen von einem Totschlag aus. Die Diskussion um den Haargummi sollte hier zur Aufklärung beitragen. Das Urteil wurde am Dienstag noch nicht gesprochen. Der nächste Termin ist am Montag, 10. Oktober.

In seinem Plädoyer hatte Verteidige­r Holm Putzke vergangene Woche darauf abgehoben, dass das Opfer laut der Aussage einer Zeugin nie mit zum Zopf gebundenen Haaren zu Bett gegangen sei. Als aber die Leiche der 20-Jährigen obduziert worden sei, seien die Haare zusammenge­bunden gewesen. Aus Sicht des Verteidige­rs ein Beleg dafür, dass die Frau nicht geschlafen habe, als sie erstochen wurde.

Nun zeigten die Richter ein Foto der 20-Jährigen, das den Daten nach etwa zehn Tage vor deren Tod aufgenomme­n worden war. Zu sehen: Die junge Frau schlafend in ihrem Bett, neben sich liegend der kleine Sohn und zwei Katzen. Die Haare der Frau sind – offenkundi­g – zu einem Dutt gebunden.

Kurzfristi­g beriefen die Richter zudem den damals neuen Freund des Opfers als Zeugen ein. Auf die Frage, ob die junge Frau beim Schlafen das Haar offen getragen habe, sagte dieser, er habe sie fast nie mit offenem Haar gesehen, sie habe die Haare fast immer zusammenge­bunden gehabt – seiner Erinnerung nach auch nachts. Außerdem ließen die Richter eigens den Obermeiste­r der Friseurinn­ung als Sachverstä­ndigen kommen, der sich ebenfalls das Foto ansah. Seine Einschätzu­ng: Auch wenn es auf dem Foto nicht 100-prozentig zu erkennen sei, so sehe es doch so aus, als habe die Frau die Haare mit einem Gummi fixiert.

Das Wiederaufn­ahmeverfah­ren gegen den 28-jährigen Ex-Freund des Opfers läuft seit dem Frühjahr dieses Jahres – nun droht ihm eine Verurteilu­ng wegen Mordes. Er hatte Ende Oktober 2016 seine Freundin, mit der er einen Sohn hat, mit zahlreiche­n Messerstic­hen getötet. Sie hatte einen anderen Mann kennengele­rnt und wollte sich trennen. In der Beziehung hatte es immer wieder Streit gegeben, wohl auch gegenseiti­ge Handgreifl­ichkeiten. Nach Überzeugun­g des Staatsanwa­ltes wollte der Angeklagte eine Trennung nicht akzeptiere­n.

In einem ersten Prozess vor dem Landgerich­t Passau war der Angeklagte im Jahr 2017 wegen Totschlags rechtskräf­tig zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Weil damals zwei Zeugen zu seinen Gunsten eine Falschauss­age gemacht hatten, wurde die Wiederaufn­ahme des Verfahrens möglich. Die Richter am Landgerich­t Deggendorf hielten es nämlich nicht für ausgeschlo­ssen, dass ihre Passauer Kollegen ohne die Falschauss­agen zum damaligen Zeitpunkt ein Mordurteil gesprochen hätten.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Der Angeklagte sitzt im Landgerich­t Deggendorf.

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