Nordkorea feuert Mittelstreckenrakete über Japan
Spannungen in der Region nehmen zu – Südkoreas Streitkräfte reagieren auf „rücksichtslose“Provokation
(dpa) - Nordkorea sorgt mit seinem jüngsten Raketentest für erhöhte Spannungen in der Region: Am Dienstag feuerte Pjöngjang eine ballistische Mittelstreckenrakete in Richtung des Japanischen Meeres ab. Es ist das erste Mal seit knapp fünf Jahren, dass eine nordkoreanische Rakete über die japanische Inselgruppe geflogen ist.
Demnach wurde die Rakete in der nördlichen nordkoreanischen Provinz Jagang nahe der Grenze zu China gestartet. Die Rakete erreichte ersten Schätzungen zufolge eine Distanz von 4500 Kilometern und eine maximale Flughöhe von rund 970 Kilometern. Laut Angaben von Japans Verteidigungsminister Yasukazu Hamada handelt es sich um die weiteste horizontale Entfernung einer Rakete Nordkoreas.
Südkoreas Streitkräfte haben als direkte Reaktion zwei Präzisionsbomben im Gelben Meer abgefeuert. Wie die Nachrichtenagentur Yonhap am Dienstag unter Berufung auf das südkoreanische Militär berichtete, wurden die Bomben von einem Kampfflugzeug des Modells F-15K über der unbewohnten Insel Jikdo abgeworfen. Zudem habe man gemeinsam mit US-amerikanischen Kampfflugzeugen des Typs F-16 Flugmanöver abgehalten. Das Gelbe Meer wird von China und der koreanischen Halbinsel umrandet.
Das letzte Mal, als Nordkorea 2017 eine Rakete über Japan fliegen ließ, führte das Land nur wenige Tage später einen Atomwaffentest durch. Laut dem Nordkorea-Experten Go Myong Hyun vom Asan-Institut mit Sitz in Seoul sei die Wahrscheinlichkeit derzeit ebenfalls „sehr hoch“, dass Nordkorea gegen Ende des Monats einen Atomwaffentest durchführen könnte. Auch das südkoreanische Verteidigungsministerium geht davon aus, dass das nordkoreanische Militär seine Vorbereitungen für den Test einer weiteren Atomrakete bereits abgeschlossen habe, wie Yonhap am Dienstag berichtete. Demnach soll Nordkorea zudem weitere Tests für eine Interkontinentalrakete sowie eine ballistische U-Boot-Rakete vorbereiten. US-Außenminister Anthony Blinken ließ über einen
Sprecher mitteilen, dass er Nordkoreas Raketentest aufs Schärfste verurteilt. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sprach zudem von einer „rücksichtslosen“Provokation und rief dazu auf, „entsprechende Maßnahmen“zu ergreifen, wie Yonhap berichtete.
Japans Regierungschef Fumio Kishida nannte Nordkoreas Raketentest „ungeheuerlich“.
In Japan löste der nordkoreanische Raketentest zudem einen seltenen öffentlichen Raketenalarm aus, der die Bewohner der nordjapanischen Insel Hokaido und der Präfektur Aomori an der Nordspitze der japanischen Hauptinsel Honshu mit Warnmeldungen aufforderte, Schutz in ihren Häusern zu suchen, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete.
Die zuletzt gehäuften Raketentests Nordkoreas werden von Experten auch als Reaktion auf die kürzlich abgehaltenen Seemanöver südkoreanischer und US-amerikanischer Streitkräfte gewertet.
Nordkorea wirft den USA regelmäßig vor, durch ihre Militärmanöver mit Südkorea einen Angriff vorzubereiten – was von beiden Ländern bestritten wird. Die Spannungen in der Region haben nach einer Reihe von Tests mit atomwaffenfähigen Raketen durch Nordkorea in diesem Jahr deutlich zugenommen.