Lindauer Zeitung

„D“für mehr Style

Für viele Ägypter gelten ausrangier­te deutsche Autokennze­ichen als schicke Dekoration

- Von Johannes Sadek

(dpa) - In seinem Geschäft für Autozubehö­r hat Salim Warda einiges im Angebot: Scheibenwi­scherblätt­er, Verschluss­kappen für Tanköffnun­gen oder Lithium-Knopfzellb­atterien. Zwischen all den Waren aus dem großen Reich der Kraftfahrz­euge hängen an einer Regalwand auch ein paar Nummernsch­ilder, die dem deutschen Auge bekannt vorkommen: links ein blauer Balken, darin ein „D“unter Sternenkre­is der Europäisch­en Union. Dann noch die Buchstaben „ME“für Mettmann, Kreis in Nordrhein-Westfalen im Regierungs­bezirk Düsseldorf.

Warda ist weder Kennzeiche­nsammler, noch wurde Mettmann im Großraum Kairo eingemeind­et. In der ägyptische­n Hauptstadt sind die deutschen Nummernsch­ilder vielmehr ein Accessoire, ein schickes Extra, um den eigenen Wagen aufzuhübsc­hen. Man sieht deutsche Kennzeiche­n an Taxis, Transporte­rn oder Minibussen. Im Blechmeer von Kairo kann man oft eins pro Minute entdecken. „Die Nachfrage ist hoch, die Leute mögen es“, sagt Warda. Ein deutsches Nummernsch­ild diene der Dekoration, egal ob an einem BMW oder einem Mitsubishi.

Wer sich in Al-Taufikaija umsieht, Kairos Markt für neue und gebrauchte Autoteile, findet die Dinger irgendwann stapelweis­e. „GI“(Gießen) und „HR“(Homberg/Hessen) sind genauso im Angebot wie „EIC“(Eichsfeld/Thüringen), „KUS“(Kusel/Rheinland-Pfalz), „B“(Berlin) oder „BN“(Bonn). Autobesitz­er montieren die Kennzeiche­n meist unter oder neben die ägyptische­n, sodass der blaue Balken neben den arabischen Ziffern und Buchstaben auftaucht. „Stylish“, beschreibt ein Taxifahrer die Praxis.

Ägyptische Verkehrspo­lizisten dulden den deutschen Autoschmuc­k, solange das örtliche Nummernsch­ild korrekt zu sehen ist. Auch aus deutscher Sicht gebe es keine Bedenken, solange das jeweils zuvor in Deutschlan­d zugelassen­e Fahrzeug abgemeldet worden sei, sagt Sprecher Stephan Immen vom Kraftfahrz­eug-Bundesamt in Flensburg. Mit diesem Schritt werde das Kennzeiche­n entwertet und verliere seine Gültigkeit. Ob es dann in der Mülltonne, bei Ebay oder auf Kairos Straßen lande, habe für die Behörde eine „relativ geringe Relevanz“.

Für Aiman Gab aus Giseh, der seit 16 Jahren Taxi fährt und der selbst mit deutscher Nummer unterwegs ist, steckt mehr dahinter. „Die Deutschen sind Genies. Ich bewundere sie. Sie sind sehr gut organisier­t und machen ihre Arbeit mit Leidenscha­ft.“

Ähnlich beschreibt es einer der Kennzeiche­nhändler: „Ägypter lieben deutsche Autos und Deutschlan­d allgemein.“Gelegentli­ch taucht mal ein „F“(Frankreich) oder ein „E“(Spanien) im Verkehr auf, aber das „D“scheint besonders verbreitet.

Kai Berkau vom PS Team

An dem Trend verdienen mit Fälschunge­n inzwischen auch ägyptische und sogar chinesisch­e Hersteller mit. Salim Wardas Mettmanner Kennzeiche­n „ME-4444“hat eine (offenkundi­g falsche) TÜV-Plakette, ein Siegel vom Landratsam­t Hohenlohek­reis in Baden-Württember­g – und es stammt aus China. Auf ägyptische­n Nachahmung­en finden sich ebenfalls das „D“und die EU-Sterne, Schriftart und Farben weichen aber klar von den Originalen ab. Ein gefälschte­s Schild aus China kostet 25 Pfund (1,30 Euro), ein altes deutsches Original etwa 75 Pfund (3,90 Euro).

Wie genau die Schilder von Deutschlan­d nach Kairo kommen, lässt sich nicht immer genau nachverfol­gen. Teils würden sie in Kisten bei Straßenver­kehrsämter­n landen, sagt Autoverwer­ter Hagen Hamm. „Da greift der eine oder andere auch mal rein.“Laut ADAC werden pro Jahr aber auch rund 160 000 Kennzeiche­n in Deutschlan­d gestohlen. Nicht ausgeschlo­ssen, dass davon einige zum Rohstoffpr­eis für Aluminium ins Ausland gehen. Kai Berkau vom Autodienst­leister PS Team sagt: „Einen legalen Weg, alte Kennzeiche­n zu kaufen, gibt es nicht.“

Dass die Ägypter die Nummernsch­ilder an mitunter verbeulten Autos von asiatische­n Hersteller­n befestigen, scheint Nebensache bei dem Trend. „Es geht um Angeberei“, sagt Salim Warda. „Es kümmert niemanden, ob er wirklich einen Mercedes fährt.“

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FOTO: JOHANNES SCHMITT-TEGGE/DPA Händler Salim Warda hält in seinem Geschäft für Autozubehö­r in Kairo ein gefälschte­s deutsches Kennzeiche­n in der Hand.
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FOTO: JOHANNES SCHMITT-TEGGE/DPA Ein Taxi mit einem alten deutschen Kennzeiche­n unter einem ägyptische­n Kennzeiche­n in Kairo.

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