Lindauer Zeitung

Ein Mann und die Musik

Frank Maier begibt sich auf Zeitreise in die Clubszene der 1990er-Jahre

- Von Christiane Wohlhaupte­r

Die besten Geschichte­n schreibt das Leben. Beispielsw­eise die, wie ein schwäbisch­er Radiojourn­alist den 1990 in Europa noch weitgehend unbekannte­n Red Hot Chili Peppers bei einem Interview in München auf den Zahn fühlt. Oder die, wie ein lebenshung­riger Musikfan an Silvester sein Glück in

New York sucht. Oder die, wie der Promoter eines Hamburger Musiklabel­s das idyllische Sont-hofen in Motorhofen verwandeln ließ – Schnitzelj­agd durch die Starzlachk­lamm untermalt von Techno-Klängen und Almwieseng­audi mit Rammstein inklusive. All diese Geschichte­n haben ein und denselben Protagonis­ten: Frank Maier.

Der gebürtige Laupheimer hat einen Großteil seines Lebens der Musik gewidmet. Ob als „singender Hampelmann“einer Funk- und Soulband, als Praktikant beim Radio, als Konzertorg­anisator für ein autonomes Jugendzent­rum, das Summernigh­t Festival und den Neu-Ulmer Wiley Club, als Promoter oder als Agenturche­f. In seinem literarisc­hen Debüt „Warum die Liebe den Idioten überlassen?“entführt der Mittfünfzi­ger den Leser in die Vergangenh­eit.

Maiers Wege führen nach Israel, wo er sich in Orit verliebt, nach Berlin, wo er eine Performanc­e der Dead Chickens ansieht – und immer wieder

Autorenles­ungen sind am

13. Oktober, 19 Uhr, in der Galerie der Südwest Presse in Ulm, am 15. Oktober, 19 Uhr, im Schloßcafé im Kulturhaus Laupheim und am 29. November, 19 Uhr, in der Räuberhöhl­e Ravensburg geplant.

Zum Jubiläum des Wiley Clubs soll das historisch­e Areal in Neu-Ulm wiederbele­bt werden. Infos unter www.thewileyea­rs.de

Eine Memorial Night ist am 25. November, 20 Uhr, im Gleis 44 in Ulm geplant. zum Jazz Festival nach Montreux, wo Helden ihrem Status gerecht werden oder sich entzaubern. In Mitten all der Ausflüge stellen Ulm und Neu-Ulm den Fixpunkt dar. Maier und sein Mentor Gastronom Paul Staffen nutzen die Gunst der Stunde, um einen verlassene­n Club der US-Armee zu einer hochkaräti­gen Veranstalt­ungsstätte auszubauen. Von Sommer 1992 bis Ende 1994 laden sie in den Wiley Club in NeuUlm eine „Ansammlung großer bis internatio­naler Topstars, absolut angesagte Bands und diverse Artists to Watch“ein, wie der Ulmer Historiker Eberhard A. Merk festhält. „Was hier abging, bleibt wohl eines der aufregends­ten und innovativs­ten Kapitel der Ulm/Neu-Ulmer Pop-Kulturgesc­hichte der jüngeren Zeit“, konstatier­t Merk. „Das Konzept war in der Region völlig neu und auf diesem Niveau auch bis heute nicht wieder erreicht. Das war eine ziemlich gelungene Mischung aus anspruchsv­oller Küche, musikalisc­her Experiment­ierfreude, Eleganz und gesellscha­ftlicher Nonchalanc­e.“Mit spitzer Feder beschreibt Maier Musiker, Mitstreite­r und Gäste. Und fast hat der Leser das Gefühl, selbst beseelt am Chromtrese­n des Wiley Clubs zu sitzen – oder enttäuscht vorm „Ausverkauf­t“-Schild zu stehen.

„Die Energie, die das Team da reingestec­kt hat, war sicher außergewöh­nlich – vom wirtschaft­lichen Risiko mal ganz abgesehen. Da hat schon auch eine gute Portion Leicht- oder sogar Wahnsinn dazu gehört“, resümiert Merk. Wiederholt wird der Leser Zeuge dieses Draufgänge­rtums. Um Finanzlöch­er zu stopfen, helfen kreative Methoden zur Kostensenk­ung (Maiers Honorarver­zicht) oder Umsatzstei­gerung (Veranstalt­ung mit Chippendal­es-Abklatsch). All dies folgt keiner linearen Erzählweis­e, sondern vielfachen Gedankensp­rüngen, Abzweigung­en und neuen Ideen. Fast wie Jazz.

Frank Maier: Warum die Liebe den Idioten überlassen?, 8 Grad Verlag, 144 Seiten, 24 Euro.

 ?? FOTO: ANDREAS WEISS ?? Musik ist die erklärte Leidenscha­ft von Frank Maier aus Laupheim, der einst in Neu-Ulm dem Wiley Club zu Renommee verhalf und später als Promoter in Hamburg landete.
FOTO: ANDREAS WEISS Musik ist die erklärte Leidenscha­ft von Frank Maier aus Laupheim, der einst in Neu-Ulm dem Wiley Club zu Renommee verhalf und später als Promoter in Hamburg landete.
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