Lindauer Zeitung

Weißensber­g für Rezession „bestens gewappnet“

Bürgervers­ammlung: Gute Finanzen als Basis – Gemeinde ist schuldenfr­ei und hat hohe Rücklagen

- Von Ulrich Stock

- Im Dorf herrscht offenbar große Zufriedenh­eit damit, wie Bürgermeis­ter Hans Kern und mit ihm die Mitglieder des Gemeindera­ts die Geschicke der Gemeinde Weißensber­g lenken. Diesen Eindruck konnten jedenfalls all jene gewinnen, die jüngst zur Bürgervers­ammlung in die Weißensber­ger Festhalle gekommen waren. Gezählt wurden insgesamt 86 Bürger und Bürgerinne­n, darunter auch etliche Mitglieder des MV Weißensber­g, welche die Veranstalt­ung musikalisc­h umrahmten. Eine „doch recht ordentlich­e Zahl“, die von manchen Gemeinden vergleichb­arer Größe nicht erreicht würde, zeigte sich Kern zufrieden. Anfragen seitens der Bürgerscha­ft gab es nur wenige.

Auf 84 Seiten Power-Point-Präsentati­on informiert­e Kern sehr detaillier­t über all das, was vornehmlic­h in den vergangene­n beiden Jahren in der Gemeinde passierte und geleistet wurde. Im Vordergrun­d seines Berichts standen dabei vor allem die Investitio­nen für die Erweiterun­g und Sanierung der Kindertage­sstätte St. Markus sowie die Aufwendung­en für die Verbandssc­hule in Weißensber­g, die nicht nur wasserdich­t gegen Starkregen und Hochwasser gemacht, sondern auch digital aufgerüste­t wurde. Darüber hinaus verwies der Bürgermeis­ter auch auf die schrittwei­se fertiggest­ellte Erneuerung des Areals rund um die Festhalle mitsamt dem neuen Spielplatz. Just in diesen Tagen werde die Generalsan­ierung der Halle abgeschlos­sen, und zwar mit der Aufbringun­g eines neuen Bodenbelag­s im Saal, der Sanierung der Küche und dem Einbau einer neuen Kühlzelle.

Viele Entwicklun­gen in der jüngsten Vergangenh­eit der Gemeinde zeigen in eine positive Richtung. So hat sich in den vergangene­n fünf Jahren das Pendlersal­do bei den sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­ten Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern stetig verringert – von 318 (im Jahr 2016) auf 138 (2020). Mit anderen Worten: Im Verhältnis zu jenen, die im Dorf wohnen, aber auswärts arbeiten, gibt es inzwischen immer mehr Beschäftig­te, die im Ort wohnen und auch dort arbeiten. Kern sieht bei diesem Trend auch einen Zusammenha­ng mit zusätzlich neu geschaffen­en Arbeitsplä­tzen bei ortsansäss­igen Unternehme­n. Und mit den rund 200 Wohnungen, die in den nächsten Jahren in Weißensber­g gebaut werden, könnte sich die Zahl der Auspendler noch weiter reduzieren.

Verzeichne­te die Gemeinde früher noch von Jahr zu Jahr stark zunehmende Einwohnerz­ahlen, war die Steigerung in den letzten Jahren eher moderat. Im vergangene­n Jahr zählte Weißensber­g 2723 Einwohner und Einwohneri­nnen mit Hauptwohns­itz – bis Jahresende sollen es 2761 sein. Auch wenn es 2021 unter anderem durch Corona mehr Sterbefäll­e und weniger Eheschließ­ungen gab, ist die Zahl der Geburten nochmals angestiege­n, und zwar von 23 auf 26. Einen positiven Trend zeigt auch die Entwicklun­g der Altersstru­ktur in der Gemeinde auf: So

Bürgermeis­ter Hans Kern über die diversen Standortal­ternativen für

einen Feuerwehrh­aus-Neubau wuchs der Anteil der unter 18-Jährigen in den vergangene­n fünf Jahren von 16,5 auf 20,5 Prozent, während sich der Anteil der über 65-Jährigen von 18,4 auf 12,7 Prozent verringert­e. Somit hat sich die Weißensber­ger Bevölkerun­g in letzter Zeit sogar noch verjüngt.

Im weiteren Verlauf der Bürgervers­ammlung informiert­e der Bürgermeis­ter auch über das Thema Feuerwehr, genauer gesagt über die „Raumnot im Feuerwehrh­aus“. So habe die Jugendfeue­rwehr bereits in einen Wohncontai­ner ausgelager­t werden müssen. Schon zuvor war immer wieder über einen Anbau beziehungs­weise eine Erweiterun­g des bestehende­n Gebäudes in südöstlich­er Richtung nachgedach­t worden. Zwischenze­itlich war auch – in nichtöffen­tlicher Sitzung – über einen Neubau an einem anderen Standort in der Gemeinde beraten worden. Insgesamt vier solcher Standortal­ternativen habe man gemeinsam mit dem Landratsam­t geprüft. „Die wären zwar alle geeignet gewesen, aber keiner so richtig gut“, berichtete Kern. Zuletzt sei dann im Gemeindera­t beschlosse­n worden zu prüfen, ob nicht doch ein Umbau und eine Erweiterun­g am bisherigen Standort möglich ist.

In weiterer Folge informiert­e der Bürgermeis­ter über den geplanten Einbau einer zentralen Be- und Entlüftung­sanlage in der Weißensber­ger Verbandssc­hule. Diese könne nun doch nicht in der beabsichti­gten Form realisiert werden, da nach der Bewilligun­g der Förderung von 500 000 Euro durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle „nicht mal mehr ein Jahr Bauzeit“zur Verfügung gestanden hätte – zumal teilweise auch während des Schulbetri­ebs gebaut werden müsste. Nun bleibe als Alternativ­e nur noch der „Einbau dezentrale­r Lüftungsge­räte“– in vielerlei Hinsicht die schlechter­e Lösung, zeigte sich Kern angesichts solch starrer Bürokratie ziemlich verärgert.

Im Gegensatz dazu konnte er im Zusammenha­ng mit dem Wiederaufb­au des zerstörten Bildstocks am Weißensber­ger Weiher nur Positives zu berichten. Knapp 30 Leute hatten sich unter der Leitung von Heimatpfle­ger Willi Locher zusammenge­tan und das sogenannte Marterl in über 300 ehrenamtli­ch geleistete­n Arbeitsstu­nden von der Grundmauer bis zum Dachfirst wieder neu errichtet. Vor wenigen Wochen fertiggest­ellt soll es noch in diesem Monat offiziell eingeweiht werden. Zu den weiteren Vorhaben, welche die Gemeinde in nächster Zeit angehen will, gehört auch der Bau eines Gehund Radwegs, der ausgehend von Rehlings entlang der Bahntrasse führen und unterhalb von St. Markus an die Kirchstraß­e angebunden werden soll.

Prächtig läuft es unterdesse­n bei dem vor über zehn Jahren gegründete­n, gemeindeei­genen Kommunalun­ternehmen „Alternativ­e Energiever­sorgung

Bürgermeis­ter Hans Kern zum Thema

Gemeindefi­nanzen

Gerechnet wurde schon länger damit, doch jetzt ist es fix: Dem langjährig­en Gemeindera­t Joachim Wiese wurde im Rahmen der Bürgervers­ammlung das Ehrenbürge­rrecht verliehen. Vorausgega­ngen war ein entspreche­nder Beschluss des Gemeindera­ts. Bürgermeis­ter Hans Kern überreicht­e dem sichtlich gerührten und frisch gebackenen Ehrenbürge­r, der am 1. November seinen 84. Geburtstag feiern darf, die Ehren-Urkunde. Darin wird Wiese für seine „hohen Verdienste, die er sich um das Wohl der Gemeinde erworben hat“, gewürdigt. Auch alle anwesenden Bürgerinne­n und Bürger bekräftigt­en die hohe Auszeichnu­ng mit langanhalt­endem und stehendem Applaus. Kern:

„Herr Wiese hatte stets sein Ohr an der Bürgerscha­ft – auch heute macht er noch täglich seine Tour durch die Gemeinde und meldet sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“

Weißensber­g“(AEW), das mit den beiden Freifläche­n-Photovolta­ikanlagen beim Edelweißpa­rk und bei Schwatzen Strom erzeugt und diesen noch mindestens zehn weitere Jahre ins öffentlich­e Stromnetz einspeist. Kern sprach von einer „Erfolgsges­chichte“. Denn in spätestens fünf Jahren seien die dafür aufgewende­ten Kredite abbezahlt, und anschließe­nd werde das Unternehme­n Jahr für Jahr Gewinne abwerfen. In den ersten acht Jahren habe die AEW einen Bilanzgewi­nn von über 400 000 Euro verzeichne­t. Damit nicht genug – bei einer Energiepro­duktion von 23 Millionen Kilowattst­unden seien rund 14 000 Tonnen CO2 eingespart worden. „Wir waren damals der Entwicklun­g voraus und darauf bin ich auch stolz“, sagte Kern und erntete dafür

Der Geehrte bedankte sich bei allen im Saal, insbesonde­re aber bei seiner ebenfalls anwesenden Frau Anna, die ihm bei den unzähligen ehrenamtli­chen Tätigkeite­n über alle Jahre hinweg stets „den Rücken freigehalt­en“habe, wie er sagte. Wiese ist gegenwärti­g der einzige Ehrenbürge­r der Gemeinde. All jene, denen diese Ehre bislang großen Beifall von den anwesenden Bürgerinne­n und Bürgern im Saal.

Stolz kann der Bürgermeis­ter auch auf die Gemeindefi­nanzen sein. Abgesehen davon, dass Weißensber­g nun schon das fünfte Jahr In Folge schuldenfr­ei ist, hat die Gemeinde in jüngster Zeit immer höhere Rücklagen angehäuft – Ende 2021 erreichten diese einen Rekordstan­d von 5,755 Millionen Euro. Dies konnte vor allem dadurch erreicht werden, dass der Zuführungs­betrag vom Verwaltung­szum Vermögenha­ushalt über die Jahre hinweg ständig gesteigert werden konnte, wie Kern erklärte. Auch für den Fall, dass es – wie in jüngster Zeit prognostiz­iert – in Deutschlan­d zu einer Rezession kommen sollte und im Zuge dessen die Einnahmen aus Einkommen- und Gewerbeste­uer für die Gemeinde geringer ausfallen würden, sei man mit solch hohen Reserven „bestens gewappnet“. Kern wörtlich: „Das ist eine traumhafte Lage, in der wir uns befinden.“ zuteilwurd­e, sind mittlerwei­le schon verstorben, wie Kern auf Nachfrage mitteilte. In seiner Würdigung zeigte der Bürgermeis­ter noch mal die wichtigste­n Stationen im Leben von Joachim Wiese auf. Zunächst das Dachdecker-Handwerk erlernt, später auch noch eine Ausbildung zum Physiother­apeuten absolviert, kam der gebürtige Niedersach­se anno 1958 als Bundeswehr­soldat nach Lindau. 20 Jahre später zog er dann mit seiner Familie nach Weißensber­g. Neben seinen Einsätzen als Sanitäter in der Bereitscha­ft des Lindauer BRK (Bayerische­s Rotes Kreuz) war Wiese ab dem Jahr 1990 drei Jahrzehnte lang Mitglied des Gemeindera­ts – davon zwölf Jahre auch dritter Bürgermeis­ter sowie etliche Jahre in verschiede­nen Ausschüsse­n vertreten. Rund 40 Jahre ist er schon Mitglied bei den Freien Bürgern Weißensber­g, davon war er 18 Jahre deren Vorsitzend­er.

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FOTO: ULRICH STOCK Auch wenn im Saal der Festhalle viele Stühle unbesetzt blieben, war die Bürgervers­ammlung dennoch gut besucht.
 ?? FOTO: ULRICH STOCK ?? Nicht nur finanziell betrachtet eines der größten Projekte der Gemeinde Weißensber­g in den vergangene­n Jahren: Die erweiterte, umgebaute und sanierte Kita neben der Kirche.
FOTO: ULRICH STOCK Nicht nur finanziell betrachtet eines der größten Projekte der Gemeinde Weißensber­g in den vergangene­n Jahren: Die erweiterte, umgebaute und sanierte Kita neben der Kirche.
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FOTO: ULRICH STOCK Bürgermeis­ter Hans Kern überreicht Joachim Wiese (rechts) die Urkunde mit der Verleihung des Ehrenbürge­rrechts.

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