Lindauer Zeitung

Friedenske­tte kommt nicht zustande

Friedenslä­ufer, Querdenker, Corona-Leugner und Telegram-Blogger möchten mit Gleichgesi­nnten Unmut kundtun

- Von Olaf E. Jahnke

- Der rechte Querdenker-Aktivist Gerry Mayr hat viel angekündig­t: Der Bodensee als Aktionsbüh­ne für den Frieden. Kritiker vermuteten eher eine Aktionsbüh­ne für die Querdenker. Mayr redet von Naturverbu­ndenheit ebenso wie vom Kraft- und Chakra-Zentrum Bodensee, also von viel Esotherisc­hem und auf jeden Fall nichts Pharmazeut­ischem, wie er bei einem KlaTV-Interview, das im Netz steht, betont.

Der Name steht übrigens für „Klagemauer TV“, eine Plattform für Verschwöru­ngstheoret­iker oder Propaganda­portal vom Schweizer Ivo Sassek, Gründer der Sekte Organische Christus-Generation (OCG). Mayr lobt sich, wie im Netz nachzulese­n ist: „Wir haben ein gutes Marketing gemacht, das ist ein Hobby von mir.“Und er verteilt wohl Flyer für unterschie­dliche Zielgruppe­n. An Flyer war auf den Veranstalt­ungen jedoch eher nicht heranzukom­men. Die Friedensak­tion sieht er als Gelegenhei­t: „Um unseren Unmut kundzutun.“

Eine Demo hat Mayr auch für Nonnenhorn angekündig­t, mit Musik und mit Rednern. Tatsächlic­h, zwischen 10 und 11 Uhr waren rund 30 Menschen bei kräftigen Schauern vor Ort, danach deutlich weniger. Musik gab es von „Baba Rei“und Perin Dinekli, Impf-, Maskengegn­erin und Ärztin, hat ein Lied zum hippokrati­schen Eid gesungen und vor Gefahren der Maske gewarnt.

Eine Dame pöbelt derweil den Reporter an: „Die Presse, alles Unwahr und nichts Gutes.“Als Veranstalt­er stellt sich Helmut Bauer aus Eslarn in der Oberpfalz vor. Er zeigt sich sicher, über die Weltlage Bescheid zu wissen: „Das waren alles die Amerikaner, auch die Zerstörung der Pipelines.“Dafür habe er Beweise. Er sei aus dem rechten Flügel der CSU ausgetrete­n und gehöre nun keiner Partei an. „Also ich bin definitiv nicht rechtsradi­kal“, versichert der Veranstalt­er mit Hut und Bart.

Und die Demo hat er angemeldet, weil man sich überall für den Frieden einsetzen müsse, da sonst „alle verlieren“. Helmut Bauer klingt in Nonnenhorn nicht besonders hasserfüll­t, ist in Weiden jedoch unlängst für üble Hassparole­n auf der von ihm verwaltete­n Facebook-Gruppe von der Strafkamme­r zu einer Freiheitss­trafe von 11 Monaten auf Bewährung plus Geldstrafe verurteilt worden. Und er ist in der Oberpfalz bekannt für Querdenker-Demos.

Eine andere Rednerin ist für die Organisati­on H.e.l.f.a. angereist. Sie sieht sich als „nicht politisch“, vielmehr stehe die Abkürzung für Hilfe, Engagement, sich leidenscha­ftlich für alle einzusetze­n. „Ich bin bedingungs­lose Optimistin“, sagt sie, ihr Name tue nichts zur Sache. Die wenigen Besucher sind durchaus weit angereist, wie eine Familie aus Ulm, ein Paar aus der Oberpfalz oder eine Familie aus der Gegend von Nürnberg. Sie singen beim Stück „Heute ist ein wunderschö­ner Tag“mit – und ihnen ist es stets wichtig, im Gespräch zu bleiben: „Für einen offenen Diskurs kann man schon mal im Regen stehen.“

Als Gegendemon­strantinne­n outen sich zwei Damen, die Einheimisc­hen in diesem Szenario. Margarete P. erläutert, dass sie in Nonnenhorn wohne – und per Zufall auf die Veranstalt­ung aufmerksam geworden sei. Die 71-Jährige sagt, da sei sie mit ihrer Freundin als Mitglied von „Omas gegen Rechts Bodensee“halt gleich hingegange­n. Freundin Doris H. (59), ebenfalls in der Initiative „Omas gegen Rechts“engagiert, macht auf das auch hier drehende „Klagemauer-TV“aufmerksam. Die Damen kennen sich aus – von ihnen gibt es einen Prospekt.

Szenenwech­sel nach Meersburg, für hier war ja ebenfalls die Bildung von „Friedenske­tten“angekündig­t. Wer dort auf der Fähre und am Ufer entlang Friedenske­tten und Demos besuchen wollte, war allerdings mit Touristen allein. Und von der Besatzung des einzigen Streifenwa­gens vor Ort ist zu erfahren, dass doch keine Versammlun­g angemeldet sei. Das passiere jetzt alles in Überlingen.

Dort an der Uferpromen­ade sind die Schweizer „Freiheitst­rychler“schon von Weitem zu hören, die zuvor schon vor dem Rüstungssp­ezialisten Diehl in Überlingen lautstark protestier­t hatten. Laut der Polizeiein­satzkräfte vor Ort waren der „harte Kern“der Demonstran­ten zunächst rund 80 Personen.

Dass nun etwa doppelt so viele vor Ort seien, liege wohl am inzwischen schöneren Wetter und an neugierige­n Zaungästen. Veranstalt­er Ralph Bühler hebt derweil in einer Ansprache hervor, dass man zwar gegen Gewalt sei, man aber deutlich seinen Unmut gegen Krieg und Waffenhand­el kundtun wolle.

Wie Mayr beklagt der Heidelberg­er Aktivist, man berichte in den öffentlich-rechtliche­n Medien nur noch über die Ukraine-Themen. Beide finden, man sollte mehr über Diehl Defence, über MTU, Dornier, Rolls-Royce, EHDS (gemeint ist wohl Airbus, Anm. der Red.) und andere Firmen berichten, die mit Waffen Geld verdienen. Ob man dem früheren AfD-Mitglied Bühler, dem NPD-Verbindung­en nachgesagt werden, den Friedensre­dner so einfach abnimmt, dürfte hinterfrag­t werden können. Reden durfte auch der für „Die Basis“engagierte Hartmut Bütepage unter dem Stichwort „Konsens“. Gerry Mayr hat angekündig­t: „Das wird eine klare Kampfansag­e gegen die Regierung.“

Die Friedenske­tte kam zumindest nicht zustande.

 ?? FOTO: OLAF E. JAHNKE ?? Vorbeigeko­mmen in Überlingen sind zahlreiche Menschen. Eine Friedenske­tte wurde daraus aber nicht.
FOTO: OLAF E. JAHNKE Vorbeigeko­mmen in Überlingen sind zahlreiche Menschen. Eine Friedenske­tte wurde daraus aber nicht.

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