Lindauer Zeitung

Streit um die Kosten

Gutachten über Ausgaben der Formel-1-Rennställe wird mit Spannung erwartet

- Von Thomas Wolfer

(dpa) - Die Vorwürfe gegen Red Bull haben es in sich. Hat der Rennstall von Formel-1-Weltmeiste­r Max Verstappen in der Vorsaison mehr als sieben Millionen US-Dollar zu viel ausgegeben und sich damit einen Vorteil verschafft? „Wir sind absolut überzeugt, dass wir die Kostengren­ze eingehalte­n haben, und stehen hinter unserer Einreichun­g“, sagt Teamchef Christian Horner. Nachdem in der Vorwoche Anschuldig­ungen aufgetauch­t waren, soll es nun Ergebnisse geben. Schon am Mittwoch könnte der Motorsport-Weltverban­d Fia ein finales Gutachten der mit großer Spannung erwarteten Kostendeck­elüberprüf­ung veröffentl­ichen.

Die zehn Rennställe hatten sich in der Vorsaison dazu verpflicht­et, ihr Budget auf 148,6 Millionen US-Dollar (etwa 151,8 Millionen Euro) für die ganze Saison zu begrenzen. Das sollte die Chancengle­ichheit erhöhen, auch wenn die Fahrergehä­lter nicht mitgerechn­et werden. Der Plan wurde von allen gemeinsam ausgearbei­tet.

Mehrere Medienberi­chte legten aber nahe, dass zwei Teams gegen die Regeln verstoßen haben sollen. Neben Red Bull wird auch über Sebastian Vettels Aston-Martin-Team spekuliert, allerdings in deutlich kleinerem Ausmaß. Bestätigen wollte die Fälle bislang niemand, und die Fia verwies sehr energisch darauf, dass noch gar kein Ergebnis vorläge und man sich von öffentlich­en Spekulatio­nen auch nicht beeinfluss­en lassen werde.

Wie kommen also die Namen von Red Bull und Aston Martin in die Öffentlich­keit? Bei Red Bull vermutet man einen Angriff der Konkurrenz dahinter. Womöglich wurde etwas zu Journalist­en durchgesto­chen, um Unruhe im Fahrerlage­r zu stiften. „Es ist nicht zufällig, dass das hier passiert, wo Max seine erste WM-Chance hat. Ich würde wirklich gerne wissen, wo diese Informatio­n herkommt“, sagte Horner in Singapur. Am vergangene­n Wochenende hatte Verstappen dort die erste Möglichkei­t, Weltmeiste­r zu werden. Diese konnte der 25-Jährige nicht nutzen. Am Sonntag gibt es in Japan den zweiten Versuch.

Horner war in Singapur mächtig sauer. Mercedes und Ferrari forderten indirekt schon Konsequenz­en, auch wenn gegenseiti­g keine Namen genannt wurden. „Wir wollen, dass diese Aussagen widerrufen werden. Es ist nicht akzeptabel, solche Dinge zu sagen“, sagte Horner: „Es wurde eine Grenze überschrit­ten, Bestrafung­en für uns zu fordern.“Red Bull behalte sich rechtliche Schritte vor, sagte der Brite. Die Aussagen seien „diffamiere­nd“.

Die Fia steht bei Sanktionen vor mehreren Problemen. Zum einen gibt es keinen festen Strafenkat­alog, zum anderen ist Fingerspit­zengefühl gefragt. Der Verband dürfte keinen Präzedenzf­all schaffen wollen, wonach Rennställe in Zukunft schon wissen, mit welcher (Geld-)Strafe sie zu rechnen haben, wenn sie die Kostengren­ze

um einen bestimmten Prozentsat­z überschrei­ten. Summen von bis zu fünf Millionen Dollar gelten als „kleinere Regelverle­tzung“und könnten nur mit einer Strafzahlu­ng geahndet werden. Bei schwereren Vergehen sind offenbar härtere Schritte bis zu einem nachträgli­chen Punktabzug denkbar.

Und da kommt die nächste Herausford­erung: Will die Fia zulassen, dass mehr als zehn Monate nach dem Ende der Saison das Ergebnis angezweife­lt wird? Vielleicht sogar Max Verstappen seinen Titel verliert oder darum bangen muss? Das wäre der Öffentlich­keit sehr schwer zu verkaufen. Eine zu lasche Strafe wiederum dürfte Nachahmer auf den Plan rufen.

Spekuliert wird, dass Red Bull mehr als sieben Millionen Dollar zu viel ausgab. „Das sind etwa 70 Ingenieure. 70 Ingenieure geben dir bei der Rundenzeit einen großen Vorteil“, sagte Laurent Mekies, stellvertr­etender Ferrari-Teamchef. Bei Alfa Romeo entspricht die Summe dem dreifachen Wert von dem, was man während einer Saison für die Weiterentw­icklung ausgibt, sagte Teamchef Frédéric Vasseur. Deswegen erwarte man von der Fia eine transparen­te und konsequent­e Aufarbeitu­ng. „Ich weiß nicht, wie viele Millionen wir umstruktur­ieren mussten, um unter der Grenze zu sein. Wenn jemand das nicht getan hat oder die Grenzen ausgereizt hat, ist jede Million ein massiver Nachteil“, sagte Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff. Auch, weil man in den kommenden Jahren noch profitiert.

Inwieweit die Teams mit Unterund Tochterfir­men arbeiten, ist undurchsic­htig. Dieser Umstand könnte einer der Gründe dafür sein, warum Red Bull davon ausgeht, alle Regeln eingehalte­n zu haben, in Wahrheit aber vielleicht doch mehr Geld aufwendete.

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FOTO: ERWIN SCHERIAU/DPA Mattia Binotto (Mi. li.), Teamchef von Ferrari, und Toto Wolff (Mi. re.), Teamchef von Mercedes.

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