Lindauer Zeitung

Florian Kainz wird neuer Feuerwehrk­ommandant

Ergebnis der Wahl ist eindeutig – Maximilian Kuen wird neuer Stellvertr­eter

- Von Julia Baumann

- Vier Stunden lang zieht es Max Witzigmann am Montagaben­d durch. Der Kommandant berichtet über die Arbeit der Feuerwehr, vergibt Beförderun­gen, ehrt und entlässt Mitglieder. Ab und an macht er sogar einen kleinen Scherz. Kurz vor Mitternach­t steht dann fest: Er ist abgewählt. Die deutliche Mehrheit seiner Kameradinn­en und Kameraden will einen Wechsel – und wählt seinen bisherigen Stellvertr­eter an die Spitze.

Es sind die vielen kleinen Details, die zeigen, wie angespannt die Stimmung ist. Kommandant Witzigmann und sein Stellvertr­eter Florian Kainz sitzen nicht wie all die Jahre zuvor nebeneinan­der. Wolfgang Kuen, Vorsitzend­er des Feuerwehrv­ereins, hat sich zwischen sie gesetzt und wirkt wie eine Art Knautschzo­ne. Die Hauptversa­mmlung eröffnet Kuen mit der Bitte, „dass keine Aussagen getroffen werden, die zum Nachteil einer Person sind“. Andernfall­s werde er es sich herausnehm­en, die andere Seite zu Wort kommen zu lassen. Einmal an diesem Abend wird er genau das tun.

Nach Kuen kommt Witzigmann. Der Gang ans Rednerpult auf der Bühne der Inselhalle muss schwierig sein – anmerken lässt sich der Kommandant das allerdings nicht. Mit fester Stimme verliest er seinen Jahresrück­blick. Dann sucht er auch nach Erklärunge­n für das, was in seiner Amtszeit schiefgela­ufen ist.

In den vergangene­n drei Jahren habe er sicherstel­len müssen, dass die Sicherheit der Bevölkerun­g auch unter Pandemiebe­dingungen gewährleis­tet sei. „Das soziale Miteinande­r hat allen gefehlt“, sagt Witzigmann. Diese Phase habe die Feuerwehr nur mit einer klaren Führung und Kameradsch­aft überstehen können. Witzigmann räumt allerdings ein, dass der Informatio­nsfluss in der Vergangenh­eit nicht immer „ideal“gewesen und Belange aus der Mannschaft nicht immer gehört worden seien. „Ich bin bereit, das mit euch aufzuarbei­ten“, sagt er.

Dass sein Stellvertr­eter nun gegen ihn antrete, diese Konstellat­ion sei bayernweit sicher einzigarti­g. Doch als Kommandant habe er gelernt, sich auf „unvorherge­sehene Lageentwic­klungen“einzustell­en. Doch

Kameradsch­aft könne nicht von oben befohlen oder angeordnet werden. Eine Situation wie die vor 13 Jahren, als die Feuerwehr im Streit um den Standort einer zweiten Drehleiter komplett gespalten war, dürfe sich nicht wiederhole­n.

Auch Stadtrat und Feuerwehrp­fleger Matthias Kaiser (Bunte Liste) vergleicht die jetzige Situation mit dem berüchtigt­en Drehleiter­streit. „Immer wieder schaffen es einzelne Protagonis­ten, Unruhe zu stiften“, sagt Kaiser. „Und im Vorfeld dieser Wahl gab es eben solche Machenscha­ften, die als grenzwerti­g zu bezeichnen sind.“

Während er spricht, wird es unruhig im Saal. Manche pfeifen Kaiser aus, andere fordern Wolfgang Kuen auf, Kaisers Rede abzubreche­n. Dann verlassen etwa ein Drittel der Feuerwehrl­eute und einige Stadträte, darunter Mathias Hotz (JA), Thomas Hummler (CSU), Claudia Mayer (CSU), Stefan Büchele (CSU) und Andreas Reich (FW) den Saal. Draußen fordern sie Kaisers Abwahl. Am nächsten Morgen wird die CSU die Neubesetzu­ng des Feuerwehrp­flegers beantragen. Zeitgleich wird Kaiser seinen Rücktritt ankündigen.

Nach den Ausführung­en des Feuerwehrp­flegers unterbrich­t Wolfgang Kuen die Tagesordnu­ng, Florian Kainz darf sprechen. Die Tatsache, dass er als Stellvertr­eter gegen seinen eigenen Kommandant­en ins Rennen ziehe, sei nicht das Ergebnis einer „Aktion hinten herum“. „Nicht ich habe mich nominiert, sondern ein Großteil von euch, die ihr hier sitzt“, sagt er. „Fast das komplette Kommando hat sich hinter mich gestellt und mich gebeten, zu kandidiere­n.“

Leicht gemacht habe er sich die Entscheidu­ng trotzdem nicht. „So eine Entscheidu­ng trifft man nicht aus dem Bauch heraus. Das ist ein langer

Prozess.“Mitgeteilt, dass er bei der Wahl gegen ihn antreten werde, hatte Kainz seinem Vorgänger Witzigmann erst Ende Dezember.

Wie zuvor schon Witzigmann spricht auch Kainz von Kameradsch­aft. „Kameradsch­aft ist der Kitt der Feuerwehr“, sagt er. „Und wir brauchen auch wieder Spaß bei unserer Tätigkeit.“

Am Ende ist das Ergebnis eindeutig: Florian Kainz bekommt 108 Stimmen, Witzigmann nur 60. Als stellvertr­etenden Kommandant­en wählt die Lindauer Feuerwehr Maximilian Kuen mit 110 Stimmen. Für Alexander Hofmann, der sich für dieses Amt ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte, werfen nur 55 Feuerwehrl­eute ihren Zettel in die Wahlurne.

Er wolle das Wir-Gefühl der Feuerwehr wieder stärken, sagt Florian Kainz nach der Wahl. „Ich will Kommandant einer Feuerwehr sein, in der es allen Spaß macht, sich zu engagieren.“Er sehe in jedem einzelnen Mitglied in jeder Funktion einen wichtigen Mitstreite­r. Symbolisch reiche er jetzt schon auch denjenigen die Hand, die ihn nicht gewählt haben.

„Die Führungskr­äfte sollen in Zukunft wieder mehr eingebunde­n werden“, sagt Kainz im Gespräch am nächsten Morgen. Gemeinsam mit seinem neuen Stellvertr­eter Maximilian Kuen kümmern sie sich künftig in erster Instanz um die Einsätze, die tagsüber unter der Woche zu meistern sind. Denn Kainz selbst arbeitet in Österreich, bis er bei einer Alarmierun­g in Lindau ist, dauert es rund 20 Minuten. Das war vor sechs Jahren der Grund, warum er nur für den Posten des stellvertr­etenden Kommandant­en kandidiert hat.

Witzigmann bleibt am Montagaben­d bis zum Ende souverän. Er gratuliert Kainz und Kuen zu ihren neuen Posten. „Ich werde alles daran setzen, dass wir eine vernünftig­e Übergabe machen“, sagt er. Schließlic­h gehe es um das Wohl der Feuerwehr. „In einem ersten Schritt müssen wir damit beginnen, die Gräben zuzuschauf­eln. Ein Spalt, der durch unsere Reihen geht, wäre für die Sicherheit nicht gut.“

Im Gespräch nach der Versammlun­g zeigt Witzigmann dann doch ein bisschen Enttäuschu­ng. Als er damals Kommandant werden wollte, habe er dies bereits zwei Jahre vor der Wahl mit seinem Vorgänger besprochen. „Auf mich kam keiner zu“, sagt er.

Ein halbes Jahr wird Witzigmann die Lindauer Feuerwehr nun noch als Kommandant führen. Die Übergabe an seinen Nachfolger Florian Kainz ist erst am 1. Juni. Doch auch danach werde er aktives Mitglied der Feuerwehr bleiben, sagt Witzigmann. „Aber ich werde mich erst einmal beurlauben lassen und mich um meine Familie kümmern.“Wie lang, das weiß er heute noch nicht.

Florian Kainz und seine Mitstreite­r feiern am Montag ausgelasse­n bis tief in die Nacht. Ein paar von ihnen zünden an der Inselwache sogar spontan ein Feuerwerk.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Ab dem 1. Juni leiten sie die Lindauer Feuerwehr: Der neue Kommandant Florian Kainz (rechts) und sein Stellvertr­eter Maximilian Kuen.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Ab dem 1. Juni leiten sie die Lindauer Feuerwehr: Der neue Kommandant Florian Kainz (rechts) und sein Stellvertr­eter Maximilian Kuen.
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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Abgewählt: Kommandant Max Witzigmann bekommt bei der Wahl nur 60 Stimmen.

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