Dorfladen in Niederstaufen kämpft wieder ums Überleben
Nahversorgung und Treffpunkt im Ort – Ehrenamtliche zeigen viel Einsatz
- Der Dorfladen in Niederstaufen ist Treffpunkt und dient der Nahversorgung für die Menschen im Ort. Aber noch immer kämpft der Laden. Halten kann er sich nur, weil Ehrenamtliche mithelfen. Die Frage ist, wie lange noch.
Es ist Mittagszeit und an der Theke des Ladens mit den vielen Holzregalen wird es eng. Ein Kunde lädt gerade seinen Einkaufskorb voll, Möhrengrün und eine Brottüte schauen oben heraus. Der Mann legt noch einen Bund braune Bananen auf die Waage. „Darüber freuen sich die Pferde“, sagt er und lacht. Die Frau neben ihm ist auch wegen einem Brot gekommen und will eigentlich noch Sauerkraut kaufen. Ladenleiterin Ulrike Brög-Kurzemann muss sie enttäuschen. Sauerkraut gibt es nicht. Aber sie könne sich gut vorstellen, es ins Sortiment aufzunehmen, sagt sie. „Warum eigentlich nicht.“
Es ist nicht nur das Sauerkraut: Die Gesellschafter des Dorfladens in Niederstaufen, die ihn vor fast drei Jahren eröffnet haben, würden vieles tun, um endlich konstant schwarze Zahlen zu schreiben. Bislang ist das Geschäft aber nicht kostendeckend. Auf einen Monat mit einigermaßen guten Zahlen folgen zwei schlechtere. „Wenn Krisen wie die Teuerung oder Corona kommen, wird es noch schwerer“, sagt Wolfgang Sutter, einer der Gesellschafter und Ortsheimatpfleger. „Wir haben zwar eine große Solidargemeinschaft, aber sie reicht nicht, um den Laden im Plus zu halten.“Noch kämpft der Laden um sein Bestehen.
Und das mit viel Einsatz. Der Dorfladen macht Werbung auf seinem eigenen Instagram-Account, Anzeigen werden geschaltet, Schilder aufgestellt und Wolfgang Sutter schreibt ein Dorfladen-Blättle. Neben drei Festangestellten und Aushilfskräften gebe es um die 20 Ehrenamtliche, die immer mal wieder einspringen, erzählt Ulrike Brög-Kurzemann. Sie waschen Wäsche, bringen die Gelben Säcke weg oder holen Käse-Lieferungen ab. Andere laufen in ihrer Freizeit durch die Ortschaft und werfen Flyer mit Angeboten in die Briefkästen. Ohne dieses Engagement würde es den Dorfladen nicht mehr geben.
Es ist kurz nach Mittag. Frauen, die ihre Kinder von der Kita abholen, kommen jetzt in den Dorfladen. Oder andere, die gerade auf dem Nachhauseweg von der Arbeit sind. Julia Roggan hat für ein Brot angehalten. Normalerweise, erzählt sie, verknüpft sie kurze Erledigungen direkt mit dem Wocheneinkauf. Sie unterstütze den Laden, weil sie von dem Angebot vor Ort profitiert und ohne Auto einkaufen kann, sagt die Niederstaufenerin. Und: „Meine Tochter kann alleine losziehen und die ersten Erfahrungen beim Einkaufen sammeln.“Dass zu wenige Kundinnen und Kunden in den Dorfladen kommen, glaubt Julia Roggan nicht. „Aber die, die kommen, kaufen vielleicht einfach zu wenig.“
Einen Großeinkauf machen in dem Dorfladen die wenigsten. Und das, obwohl der Laden ein komplettes Sortiment bieten möchte. In den Regalen reihen sich Waschmittel, Toilettenpapier und Eier neben Süßigkeiten, Gin aus Hergensweiler und Marmelade aus Sigmarszell. Käse und Wurst gibt es an der Theke, Brot liegt dahinter im Regal aus. Eine Lücke im Sortiment wolle man nicht lassen. Deshalb gebe es zum Beispiel auch viele Gewürze oder Puddingpulver, sagt Ulrike Brög-Kurzemann.
Aber kostet der Einkauf im Dorfladen wirklich mehr? Vielen würden die Preise subjektiv höher vorkommen, sagt Ladenleiterin Ulrike BrögKurzemann. Eigentlich sei das aber gar nicht so. Produkte, die es auch im Edeka oder Rewe gibt, wie Putzmittel, Chips oder Klopapier, kosteten gleich viel. Auch das Bier von Meckatzer habe den selben Preis. Während die Märkte ihre Preise öfter erhöhen, blieben sie im Dorfladen gleich, sagt Brög-Kurzemann. Das Bioland-Gemüse, das der Laden vom Gemüsehof Wetzel in Hergatz bezieht, koste logischerweise mehr als im Supermarkt, wo es nicht bio ist.
Beim Festlegen der Preise wird der Dorfladen von dem sogenannten Dorfladen-Netzwerk unterstützt. Die Idee dahinter: Dorfläden lernen aus den Erfahrungen der anderen und helfen sich gegenseitig. Der Niederstaufener Dorfladen ist dem bundesweiten Netzwerk vor mehr als einem Jahr beigetreten. Von „Stapelkrisen“, von denen kleine Läden besonders betroffen sind, spricht das Netzwerk in einer Mitteilung vom Januar. Inflation, steigende Energiepreise, Arbeitskräftemangel und höhere Personalkosten wegen gestiegenem Mindestlohn: „Die Krisen waren nie zahlreicher“, heißt es dort. Das führe dazu, dass viele kleine Läden sterben. Zwischen 1990 und 2017 sei die Zahl der Dorfläden in Deutschland um 85 Prozent zurückgegangen. Das Netzwerk nennt das einen „dramatischen Rückgang“. Der Nachmittag bricht an und in dem Laden an der Allgäustraße ist es etwas ruhiger geworden. Vereinzelt schauen noch Kunden vorbei. Astrid Schneider ist gekommen, um einen großen Geschenkkorb für eine Kollegin, die in Ruhestand geht, abzuholen. Darin liegen Nudeln, Käse, Obst, Schokolade. Sie erinnere der Dorfladen an ihre Kindheit, sagt sie. „Dort habe ich mir als Kind meinen Lolli geholt.“Für sie sei der Laden ein soziales Gefüge, das zum Ort gehöre und das sie unterstützen möchte.
Auch wenn es dem Niederstaufener Dorfladen besser geht als noch vor einem Jahr, ist an Aufatmen nicht zu denken. Was, wenn es ihn bald nicht mehr geben sollte? „Das wäre sehr schade“, findet die Kundin Julia Roggan. „Wir müssten unser Einkaufsverhalten wieder ändern und auch öfter ins Auto sitzen.“Regionale Lebensmittel, die sie gebündelt an einem Ort bekomme, müsste sie sich wieder mühsam zusammensuchen. „Man hält so einen Treffpunkt für selbstverständlich“, sagt Wolfgang Sutter. „Aber er ist es nicht.“