Lindauer Zeitung

„Grenzen lassen sich nicht lückenlos kontrollie­ren“

Michael Rupp ist neuer Leiter der Bundespoli­zei in Kempten – Sie überwacht 91 Bahnhöfe und über 200 Kilometer Grenze zu Österreich

- Von Thomas Schwarz

- Grenzübers­chreitende Kriminalit­ät und illegale Einreise nach Deutschlan­d verhindern – das sind die Hauptaufga­ben der Bundespoli­zei. Deren Inspektion Kempten ist mit ihren Außenstell­en Weilheim und Lindau für 220 Grenzkilom­eter zu Österreich zwischen Bodensee und Ammergebir­ge zuständig. An 91 Bahnhöfen und auf 560 Schienenki­lometern sorgen die rund 300 Beamtinnen und Beamten für die Sicherheit des Bahnverkeh­rs und der Reisenden. Seit Anfang des Jahres hat die Inspektion einen neuen Chef: Weil Timo Glowig in den Stab der Bundespoli­zei nach München wechselte und dort nun die Projektgru­ppe Flughafen leitet, rückte Polizeidir­ektor Michael Rupp (52) nach.

Sie betreuen ein riesiges Gebiet. Schaffen Sie es, überall präsent zu sein?

Michael Rupp: Überall dauerhaft Präsenz zu zeigen ist schwierig. Daher haben wir Einsatzsch­werpunkte. Beispielsw­eise auf den Autobahnen A 7 und der A 96 sowie auf den Zugstrecke­n, wo wir Einreisend­e aus Österreich kontrollie­ren. Dauerhafte Präsenz zum Beispiel an den Bahnhöfen in Memmingen oder Kempten zu zeigen, ist mit unserer Personalst­ärke nicht möglich.

Machen Sie nur stationäre Kontrollen?

Rupp: Wir sind auch flexibel mit zivilen Streifen unterwegs. Sie schauen sich vor allem die Fahrzeuge an, die bei uns im Grenzberei­ch eher untypisch sind, zum Beispiel aus Großbritan­nien oder Tschechien. Auch bei Kontrollen in Zügen entwickelt man ein Gespür: Wirkt jemand nervös? Da sind wir dann auch recht erfolgreic­h.

Was heißt „erfolgreic­h“?

Rupp: Es vergeht kein Tag, an dem es keine Fälle von illegaler Einwanderu­ng oder die Vollstreck­ung von Haftbefehl­en gibt. Wobei wir hier im Allgäu nicht die hohen Zahlen haben wie im Raum Passau oder Freilassin­g, weil die Route von Slowenien oder Italien günstiger als über den Fernpass ist. Aber auch hier gibt es spektakulä­re Fälle. Im vergangene­n Mai stoppten wir am Grenztunne­l Füssen einen gemieteten Transporte­r mit deutscher Zulassung. Der iranische Fahrer (34) und seine türkische Freundin (24) hatten gültige Ausweispap­iere. Bei der Durchsuchu­ng des Fahrzeugs entdeckten die Beamten auf der Ladefläche 13 iranische Staatsange­hörige ohne Ausweispap­iere und knapp sieben Gramm Opium. Im Dezember wurde der Fahrer zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt, die Frau zu drei Jahren mit Bewährung.

Glauben Sie nicht, dass sich Kriminelle auch darauf einstellen, wo die Polizei verstärkt kontrollie­rt? Rupp: Der Großteil der illegal Einreisend­en wird von Familienan­gehörigen abgeholt oder sie versuchen es auf eigene Faust in einem Flixbus oder einem Zug oder fahren per Anhalter. Aber natürlich gibt es auch organisier­te Banden, die gezielt Polizeikon­trollen auskundsch­aften und die Leute wirklich viel Geld zahlen müssen, um nach Deutschlan­d gebracht zu werden.

Wo kommen die illegal Einreisend­en derzeit her?

Rupp: Vor allem aus Afghanista­n, Syrien, der Türkei und dem Iran. Es sind immer noch überwiegen­d junge Männer, aber auch Familien mit Kindern. Sie wissen, dass sie hier schon eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng beziehungs­weise ein Visum für die Einreise brauchen, aber viele haben noch nicht einmal Pässe oder mussten sie an die Schleuser abgeben, die dabei richtig viel Geld verdienen.

Wie viel Geld verlangen Schleuser?

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Rupp: Das hängt von der Art der Schleusung ab. Wenn sie mit einem erschliche­nen Visum in einen Flieger steigen, werden bis zu 20.000 Euro pro Person fällig. In mehreren Passagen mit einem Auto zum Beispiel über die Türkei und den Balkan kostet zwischen 2000 und 3000 Euro pro Etappe.

Dann werden offenbar die Außengrenz­en der Europäisch­en Union nicht gut genug bewacht …

Rupp: Doch, aber eine Grenze komplett dicht machen und kontrollie­ren, das klappt nicht – es gibt immer irgendwo Lücken, beispielsw­eise an der Mittelmeer­küste. Dort werden ja auch viele Migranten aufgegriff­en und gestoppt, die mit Booten kommen – aber ganz verhindern kann man die Einreise in die EU nicht. Migration ist wie Wasser – das sucht sich auch immer seinen Weg.

Was passiert mit den Menschen, die die Bundespoli­zei an der Grenze bei der illegalen Einreise erwischt?

Rupp: Sie werden in der Regel in das Land zurückgesc­hickt, aus dem sie eingereist sind oder wenn sie einen Asylantrag stellen, an die entspreche­nde Erstaufnah­meeinricht­ung weitergele­itet. Eher selten werden sie direkt in ihr Heimatland zurückgefl­ogen.

Zunehmend werden Einsatzkrä­fte angegriffe­n oder beleidigt. Betrifft das auch die Bundespoli­zei?

Rupp: Im Allgäu haben wir das zum Glück selten. Wir haben zwar auch mal den Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, wenn irgendwo ein Betrunkene­r ist und man wird mal beleidigt, aber im Vergleich zu Ballungsrä­umen wie München ist das wesentlich seltener. Gerade wenn wir in Zügen oder auf Bahnhöfen unterwegs sind, wird das von den Menschen sehr positiv wahrgenomm­en. Wir beobachten aber auch, dass bei Kontrollen die staatliche Autorität zunehmend kritisch hinterfrag­t und sich auch mal beschwert wird.

Macht Ihnen Nachwuchsm­angel zu schaffen, wie in vielen Berufen? Rupp: Nein. Wir haben ausreichen­d Nachwuchs. Bei der gesamten Bundespoli­zei werden pro Jahr etwa 3500 Frauen und Männer neu eingestell­t – dafür gibt es rund 25.000 Bewerber. Sie können bundesweit eingesetzt werden – auch wenn geschaut wird, dass sie möglichst heimatnah unterkomme­n.

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FOTO: RALF LIENERT Er ist der neue Chef der Bundespoli­zei in Kempten: Michael Rupp.

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