Im Allgäu weht ein Hauch von Himalaya
Mit Ang Kami Lama bewirtschaftet erstmals ein Nepalese eine Berghütte in der Region
- Tiefe Grübchen bilden sich in seinen Wangen. Dann beginnt Ang Kami Lama wieder zu lachen. „Weißt Du“, fragt der 38-Jährige. „Ich kann gar nicht negativ denken, das würde mir viel zu viel Energie rauben – da käme ich einen solchen Berg nicht hinauf.“Es ist nicht irgendein Berg, von dem der Nepalese da spricht. Es ist der Mount Everest. Am 20. Mai vergangenen Jahres stand er am höchsten Punkt der Erde. An diesem Vormittag sitzt er 7338 Höhenmeter tiefer in der holzvertäfelten Stube der Hochalphütte bei Pfronten (Kreis Ostallgäu).
Vor wenigen Wochen erst hat Lama dort als Wirt übernommen. Er ist der erste Nepalese, der eine Berghütte im Allgäu bewirtschaftet. Und erst recht der Einzige, der schon mal auf dem Mount Everest stand.
Was aber verschlug den Mann aus dem Volk der Sherpa an den Breitenberg, wo die Hochalphütte steht? Kami Lama lacht wieder bei dieser Frage. „Zu verdanken habe ich das eigentlich alles meinem Optimismus.“Als Begleiter touristischer Reisegruppen in seinem Heimatland lernte er vor 15 Jahren einen Tiroler kennen. Dieser lud ihn ein, doch mal nach Reutte nahe der Allgäuer Grenze zu kommen. Dem Nepalesen gefiel es dort auf Anhieb: Hoher Lebensstandard, Bildungsmöglichkeiten, Sauberkeit. All das sagte ihm sofort zu. Auch wenn er zugibt, dass Berge der Allgäuer Alpen wie die Gehrenspitze für ihn eher „Hügel“sind. „Bei uns haben Gipfel 3000 Meter hohe Flanken, viel Schnee und Eis – das sind andere Dimensionen“, sagt der 38-Jährige.
In Tirol und im Allgäu fühlt er sich trotzdem wohl. Am liebsten ist er aber auch hier weit droben. „Im Tal krieg ich doch kaum Luft“, sagt Kami Lama und lacht wieder laut auf. Seit seiner ersten Ankunft in Europa verdingte er sich daher als Helfer auf Berghütten. Zuerst nahe Matrei in Osttirol. Vor fünf Jahren dann übernahm er mit seiner Frau Lhemi erstmals die Verantwortung als Pächter einer Hütte des Deutschen Alpenvereins (DAV). Inzwischen ist er Chef auf der Stuttgarter Hütte (Lechtaler Alpen) und seit wenigen Tagen eben auch auf der Hochalp am Breitenberg. Lange Vorbereitungszeit blieb ihm nicht, als der Rechtlerverband als Eigentümer ihm die Pacht übertrug. Aber mit der durch den Buddhismus gewonnenen Einstellung, im Leben alles mit Gelassenheit zu nehmen, habe er sich keine großen Sorgen gemacht.
Das ist auch die Botschaft auf den Tibetischen Gebetsfahnen, die seit Kurzem an der Hochalphütte hängen. „Lass alles auf dich zukommen.“Und nicht nur das sorgt für Himalaya Flair im Ostallgäu. In der holzvertäfelten Stube hängen mehrere goldumrahmte Bilder von Lamas Gipfelerfolg am Everest. Im vergangenen Mai hatte er als Hochträger einer angloamerikanischen Expedition angeheuert. „Sonst hätte ich mir die Besteigung gar nicht leisten können.“
Die Speisekarte auf der Hochalphütte erinnert ihn nun jeden Tag aufs neue an diesen für ihn so besonderen Tag. Denn zu bestellen gibt es für Gäste „Everest Momo“. Das sind gefüllte Teigtaschen mit Rindfleisch oder Spinat. Eine Leibspeise in Nepal. Mit der Resonanz ist Lama bisher ganz zufrieden. „Es kommen sogar immer wieder Leute und wollen ein Foto mit mir.“Verlassen darf die Hochalphütte dann übrigens kein Gast, ohne etwas Hochprozentiges getrunken zu haben. Denn – da seien sich die Bergvölker in Nepal und im Allgäu sehr ähnlich – „Statt Paracetamol gibt’s erst mal einen Schnaps“, sagt Lama. Dann verengen sich seine Augen wieder zu dem herzlichen, lauten Lachen.