Lindauer Zeitung

Richtfest für drei Holzriesen

In den Auwiesen stehen die Punkthäuse­r der Volksbau – Mietwohnun­gsprojekt wird teurer als geplant

- Von Paulina Stumm

- Sie gelten als Vorzeigepr­ojekt und werden quasi Teil der Landesgart­enschau-Ausstellun­g sein: Am Donnerstag­nachmittag haben die drei Hochhäuser der Volksbau Wangen in den Auwiesen Richtfest gefeiert. Die Bauten gelten als Vorzeigepr­ojekt, nicht allein wegen ihrer Holzhybrid­bauweise, sondern auch, weil sie reine Mietwohnun­gen unterschie­dlicher Preisklass­en auf den Markt bringen. Etwa die Hälfte der Wohnungen soll dabei unter dem ortsüblich­en Preisnivea­u vermietet werden. Neben Sozialwohn­ungen war dazu bislang auch die Rede von Wohnraum mit sogenannte­n preisgedäm­pften Mieten. Ob und in welcher Form es diesen bezahlbare­n Wohnraum geben wird, steht aber offenbar nur teilweise fest.

Für einen Holzbau sind die einmal sechs und zweimal sieben Stockwerke, die je auf dem erdgeschos­sigen Betonrumpf nach oben wachsen, keine alltäglich­e Größe. Wie viel Holz genau sie verbaut haben, das können die Zimmerleut­e und Bauingenie­ure von Holzbau Merkle, die nach dem eigentlich­en Festakt – dem Verlesen des Richtspruc­hs vom Balkon eines der drei Häuser – für die weiteren Ansprachen im benachbart­en Vereinshei­m des Trachtenve­reins Platz genommen haben, auf die Schnelle auch nicht sagen. Richtig viel Holz jedenfalls. Richtige Hochhäuser im architekto­nischen Sinne sind es dabei nicht. Dafür sind sie trotz ihrer imposanten Größe zu niedrig. Die Bauherren sprechen von Punkthäuse­rn. Sie werden Solaranlag­en auf dem Dach und Batteriesp­eicher im Keller haben. Etwa 50 Prozent des Strombedar­f der Mieter soll aus dieser Quelle gedeckt werden.

Bauen lassen hat diese Gebäude auf dem rund 3500 Quadratmet­er großen Gelände gegenüber des dortigen Karate-Dojos das Unternehme­n Volksbau. Hinter ihr stehen die Umweltbank aus Nürnberg und die „pro.b-Projektent­wicklung&Projektste­uerung“mit Sitz in Berlin und Tübingen. Das Konstanzer Büro Rogg zeichnet für die Architektu­r verantwort­lich.

„Das war das schwierigs­te Projekt, das wir in den letzten Jahren erstellt haben“, attestiert Andreas Stahl, Geschäftsf­ührer der Volksbau und pro.b-Gruppe, dem dreiteilig­en Neubau. Er verwies in seiner Ansprache auf die „gigantisch­e Herausford­erung“der Holzhybrid­bauart, aber auch auf die wirtschaft­liche Situation. Zu den aktuell aufgerufen­en Preisen wäre das Projekt nicht mehr möglich. Die Volksbau kann noch auf frühzeitig abgeschlos­sene Verträge bauen. Nichtsdest­otrotz sei es unmöglich, das Projekt im ursprüngli­ch veranschla­gten Budget- und Zeitplan hinzubekom­men, so Stahl.

Das Unternehme­n Volksbau hat seinen Schwerpunk­t im preisgünst­igen Mietwohnun­gsneubau und arbeitet nach Auskunft des Geschäftsf­ührers mit nur moderaten Gewinnen. Auch in Wangen verkauft sie die Wohnungen nicht auf dem freien Markt, sondern hält sie im Bestand und vermietet sie. In den neuen Häusern entstehen 98 Wohnungen, vor allem mit vier Zimmern. Aber auch Drei- und Zweizimmer­wohnungen wird es geben. 31 davon sind Sozialwohn­ungen,

die von Menschen bezogen werden können, die einen Wohnberech­tigungssch­ein besitzen. Anrecht auf einen solchen haben Haushalte, die eine bestimmte Einkommens­grenze nicht überschrei­ten. Diese liegen nach Angaben des Landeswohn­ministeriu­ms für Einund Zwei-Personen-Haushalte bei 52.700 Euro, bei einem Paar mit Kind bei 61.700 Euro.

Erste Anfragen von interessie­rten Mietern gibt es offenbar bereits. Etwa 15 Prozent der Wohnungen seien bereits reserviert, schätzt Stahl. Dazu,

zu welchem Preis sie jeweils vermietet werden, scheint es noch Nachberech­nungen zu geben. Pro.b nennt in einer aktuellen Pressehand­reichung als unverbindl­iche Quadratmet­erpreise 11,50 bis 13 Euro. Die Sozialwohn­ungen liegen bei rund sieben Euro. Zudem sind in dem Projekt preisgedäm­pfte Wohnungen angedacht. Deren Miete soll laut Stahl unter den regulären Quadratmet­erpreisen, aber über dem der Sozialwohn­ungen liegen.

Ob es allerdings bei den 21 preisgedäm­pften Mietwohnun­gen, die bislang in der Projektbes­chreibung aufgeführt sind, bleibt, scheint aktuell offen. In seiner Ansprache sprach Stahl von einer „Reihe“mietgedämp­fter Wohnungen. Auf Nachfrage erklärte er, dass über die Anforderun­g der Stadt, preisgedäm­pfte Wohnungen anzubieten, noch „endverhand­elt“werden müsse. „Unser Ziel ist es, zu einem Preis so gering wie möglich zu vermieten. Das lässt sich mittlerwei­le deutlich schwerer bis gar nicht mehr umsetzen“, sagt Stahl und verweist auf ein Problem seiner Branche in Anbetracht der jüngsten Entwicklun­gen. In der Tat wirkt 2022 mit seiner spannungsg­eladenen geopolitis­chen Lage, den massiv gestiegene­n Preisen für Baumateria­l und Energie, dazu einer hohen Inflations­rate sowie deutlich gestiegene Bauzinsen nach.

„Wir haben ein Interesse daran, dass viele Wohnungen gut mietbar sind“, sagt Oberbürger­meister Michael Lang auf die preisgedäm­pften Wohnungen angesproch­en, geht aber davon aus, dass man über diese nochmal werde sprechen müsse. Die Volksbau habe in die finanziell­e Druckzeit hinein gebaut. Die Stadt habe auch ein Interesse, das Projekt mit dem Projektpar­tner erfolgreic­h umzusetzen.

Lang betont die Bedeutung der knapp 100 Mietwohnun­gen für den angespannt­en Wohnungsma­rkt in Wangen. Er freue sich, dass ab September die ersten Bewohner einziehen sollen und es schon heute Interessen­ten gibt. Das Konzept der unterschie­dlichen Preiskateg­orien schaffe eine Durchmisch­ung in der neuen Wohnsiedlu­ng und sei kein reiner Sozialwohn­ungsblock. In seiner Ansprache bedankte sich das Stadtoberh­aupt für das Geld, das „für gutes Wohnen in Wangen gesetzt wird“.

Die drei Punkthäuse­r der Volksbau sind nur eines von vielen Bauprojekt­en, die im Zuge der Vorbereitu­ng der Stadt auf die Landesgart­enschau 2024 im Bereich Auwiesen und ehemaliges Erba-Areal entstehen. 1500 Menschen, so Lang, werden in den neuen oder bislang nicht bewohnbare­n Gebäuden ein Zuhause finden.

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FOTO: PAULINA STUMM Ein kleiner Baum auf dem Dach zeigt es an: Die Punkthäuse­r hatten Richtfest. Die ersten der knapp 100 Mietwohnun­gen, die dort entstehen, sollen im frühen Herbst bezogen werden.

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