Richtfest für drei Holzriesen
In den Auwiesen stehen die Punkthäuser der Volksbau – Mietwohnungsprojekt wird teurer als geplant
- Sie gelten als Vorzeigeprojekt und werden quasi Teil der Landesgartenschau-Ausstellung sein: Am Donnerstagnachmittag haben die drei Hochhäuser der Volksbau Wangen in den Auwiesen Richtfest gefeiert. Die Bauten gelten als Vorzeigeprojekt, nicht allein wegen ihrer Holzhybridbauweise, sondern auch, weil sie reine Mietwohnungen unterschiedlicher Preisklassen auf den Markt bringen. Etwa die Hälfte der Wohnungen soll dabei unter dem ortsüblichen Preisniveau vermietet werden. Neben Sozialwohnungen war dazu bislang auch die Rede von Wohnraum mit sogenannten preisgedämpften Mieten. Ob und in welcher Form es diesen bezahlbaren Wohnraum geben wird, steht aber offenbar nur teilweise fest.
Für einen Holzbau sind die einmal sechs und zweimal sieben Stockwerke, die je auf dem erdgeschossigen Betonrumpf nach oben wachsen, keine alltägliche Größe. Wie viel Holz genau sie verbaut haben, das können die Zimmerleute und Bauingenieure von Holzbau Merkle, die nach dem eigentlichen Festakt – dem Verlesen des Richtspruchs vom Balkon eines der drei Häuser – für die weiteren Ansprachen im benachbarten Vereinsheim des Trachtenvereins Platz genommen haben, auf die Schnelle auch nicht sagen. Richtig viel Holz jedenfalls. Richtige Hochhäuser im architektonischen Sinne sind es dabei nicht. Dafür sind sie trotz ihrer imposanten Größe zu niedrig. Die Bauherren sprechen von Punkthäusern. Sie werden Solaranlagen auf dem Dach und Batteriespeicher im Keller haben. Etwa 50 Prozent des Strombedarf der Mieter soll aus dieser Quelle gedeckt werden.
Bauen lassen hat diese Gebäude auf dem rund 3500 Quadratmeter großen Gelände gegenüber des dortigen Karate-Dojos das Unternehmen Volksbau. Hinter ihr stehen die Umweltbank aus Nürnberg und die „pro.b-Projektentwicklung&Projektsteuerung“mit Sitz in Berlin und Tübingen. Das Konstanzer Büro Rogg zeichnet für die Architektur verantwortlich.
„Das war das schwierigste Projekt, das wir in den letzten Jahren erstellt haben“, attestiert Andreas Stahl, Geschäftsführer der Volksbau und pro.b-Gruppe, dem dreiteiligen Neubau. Er verwies in seiner Ansprache auf die „gigantische Herausforderung“der Holzhybridbauart, aber auch auf die wirtschaftliche Situation. Zu den aktuell aufgerufenen Preisen wäre das Projekt nicht mehr möglich. Die Volksbau kann noch auf frühzeitig abgeschlossene Verträge bauen. Nichtsdestotrotz sei es unmöglich, das Projekt im ursprünglich veranschlagten Budget- und Zeitplan hinzubekommen, so Stahl.
Das Unternehmen Volksbau hat seinen Schwerpunkt im preisgünstigen Mietwohnungsneubau und arbeitet nach Auskunft des Geschäftsführers mit nur moderaten Gewinnen. Auch in Wangen verkauft sie die Wohnungen nicht auf dem freien Markt, sondern hält sie im Bestand und vermietet sie. In den neuen Häusern entstehen 98 Wohnungen, vor allem mit vier Zimmern. Aber auch Drei- und Zweizimmerwohnungen wird es geben. 31 davon sind Sozialwohnungen,
die von Menschen bezogen werden können, die einen Wohnberechtigungsschein besitzen. Anrecht auf einen solchen haben Haushalte, die eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten. Diese liegen nach Angaben des Landeswohnministeriums für Einund Zwei-Personen-Haushalte bei 52.700 Euro, bei einem Paar mit Kind bei 61.700 Euro.
Erste Anfragen von interessierten Mietern gibt es offenbar bereits. Etwa 15 Prozent der Wohnungen seien bereits reserviert, schätzt Stahl. Dazu,
zu welchem Preis sie jeweils vermietet werden, scheint es noch Nachberechnungen zu geben. Pro.b nennt in einer aktuellen Pressehandreichung als unverbindliche Quadratmeterpreise 11,50 bis 13 Euro. Die Sozialwohnungen liegen bei rund sieben Euro. Zudem sind in dem Projekt preisgedämpfte Wohnungen angedacht. Deren Miete soll laut Stahl unter den regulären Quadratmeterpreisen, aber über dem der Sozialwohnungen liegen.
Ob es allerdings bei den 21 preisgedämpften Mietwohnungen, die bislang in der Projektbeschreibung aufgeführt sind, bleibt, scheint aktuell offen. In seiner Ansprache sprach Stahl von einer „Reihe“mietgedämpfter Wohnungen. Auf Nachfrage erklärte er, dass über die Anforderung der Stadt, preisgedämpfte Wohnungen anzubieten, noch „endverhandelt“werden müsse. „Unser Ziel ist es, zu einem Preis so gering wie möglich zu vermieten. Das lässt sich mittlerweile deutlich schwerer bis gar nicht mehr umsetzen“, sagt Stahl und verweist auf ein Problem seiner Branche in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen. In der Tat wirkt 2022 mit seiner spannungsgeladenen geopolitischen Lage, den massiv gestiegenen Preisen für Baumaterial und Energie, dazu einer hohen Inflationsrate sowie deutlich gestiegene Bauzinsen nach.
„Wir haben ein Interesse daran, dass viele Wohnungen gut mietbar sind“, sagt Oberbürgermeister Michael Lang auf die preisgedämpften Wohnungen angesprochen, geht aber davon aus, dass man über diese nochmal werde sprechen müsse. Die Volksbau habe in die finanzielle Druckzeit hinein gebaut. Die Stadt habe auch ein Interesse, das Projekt mit dem Projektpartner erfolgreich umzusetzen.
Lang betont die Bedeutung der knapp 100 Mietwohnungen für den angespannten Wohnungsmarkt in Wangen. Er freue sich, dass ab September die ersten Bewohner einziehen sollen und es schon heute Interessenten gibt. Das Konzept der unterschiedlichen Preiskategorien schaffe eine Durchmischung in der neuen Wohnsiedlung und sei kein reiner Sozialwohnungsblock. In seiner Ansprache bedankte sich das Stadtoberhaupt für das Geld, das „für gutes Wohnen in Wangen gesetzt wird“.
Die drei Punkthäuser der Volksbau sind nur eines von vielen Bauprojekten, die im Zuge der Vorbereitung der Stadt auf die Landesgartenschau 2024 im Bereich Auwiesen und ehemaliges Erba-Areal entstehen. 1500 Menschen, so Lang, werden in den neuen oder bislang nicht bewohnbaren Gebäuden ein Zuhause finden.