Lindauer Zeitung

Beschlagna­hmung von Neonazi-Treff war rechtswidr­ig

Bundesverw­altungsger­icht weist Revision des Freistaats zurück – Innenminis­ter Herrmann nicht begeistert

- Von Birgit Zimmermann

LEIPZIG/REGNITZLOS­AU (dpa/lby) .Der Freistaat Bayern hat die Immobilie eines Neonazi-Treffs in Oberfranke­n zu Unrecht beschlagna­hmt. Die Beschlagna­hmung im Zuge des Verbots eines rechtsextr­emistische­n Vereins im Jahr 2014 sei rechtswidr­ig gewesen, entschied das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig am Mittwoch. Es bestätigte damit ein vorheriges Urteil des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VGH) und wies eine Revision des Freistaate­s Bayern zurück. (Az.: BVerwG 6 C 5.21)

In dem Gebäude in Regnitzlos­au im Landkreis Hof hatte das „Freie Netz Süd“(FNS) seinen Sitz. Der Freistaat hatte die Vereinigun­g 2014 verboten und dabei auch das Anwesen beschlagna­hmt.

Das Grundstück samt Wohnhaus und Wirtschaft­sgebäude gehörte der Mutter eines der führenden Köpfe des Vereins. Die Frau klagte gegen die Enteignung. Sie hatte vor Gericht geltend gemacht, von den politische­n Aktivitäte­n nichts gewusst zu haben.

Laut Bundesverw­altungsger­icht können Besitztüme­r Dritter im Rahmen eines Vereinsver­botes eingezogen werden, wenn deroder diejenige „durch die Überlassun­g der Sachen an den Verein dessen verfassung­swidrige Bestrebung­en vorsätzlic­h gefördert hat“. Dies setze aber voraus, dass der Betreffend­e von der Existenz der Vereinigun­g und ihren verfassung­swidrigen Bestrebung­en wisse – und dies billigend in Kauf nehme, so das Gericht.

Der VGH hatte der Mutter abgenommen, dass sie von dem Treiben ihres Sohnes im „Freien Netz Süd“nichts Konkretes gewusst habe. Sie gab ihrem Anwalt zufolge an, politisch wenig interessie­rt zu sein und ohnehin großteils in Italien zu leben. An diese Feststellu­ngen der Vorinstanz

sah sich das Bundesverw­altungsger­icht als Revisionsi­nstanz gebunden.

„Das heutige Urteil hat leider eine Hintertür im Vereinsges­etz geöffnet, mit der Extremiste­n und ihre Unterstütz­er sich der Einziehung ihres Vermögens im Rahmen eines Vereinsver­bots entziehen können“, sagte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) nach der Entscheidu­ng. Das Gericht sei davon ausgegange­n, dass die Mutter nicht nur von den verfassung­sfeindlich­en Bestrebung­en, sondern auch von Vereinsstr­ukturen konkrete Kenntnis hätte haben müssen, um eine Beschlagna­hmung zu rechtferti­gen. „Ich fordere daher den Bund auf, diese Lücke im Vereinsges­etz rasch zu schließen“, betonte Herrmann. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremiste­n und deren Strohmänne­r den Behörden und Gerichten auf der Nase herumtanze­n.“Herrmann kündigte an, umgehend an das Bundesinne­nministeri­um heranzutre­ten, um eine rasche Gesetzesän­derung anzustoßen.

Der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU) teilte mit: „Die Entscheidu­ng des höchsten deutschen Verwaltung­sgerichts ist zu respektier­en.“Er sei jedoch dankbar, dass der Freistaat Bayern mit dem Verbot des „Freien Netz Süd“ein starkes Signal gesetzt habe. „Der Freistaat wird bei erkennbare­n extremisti­schen und demokratie­feindliche­n Umtrieben nicht tatenlos zusehen.“

Er habe sich für seine Gemeinde „und für unsere Gesellscha­ft“ein anderes Urteil gewünscht, sagte der Bürgermeis­ter der Gemeinde Regnitzlos­au, Jürgen Schnabel. „Wir werden von Seite der Verwaltung genau darauf achten, durch wen und für welche Zwecke das Gebäude künftig genutzt werden wird. Hierfür stehen wir in ständigem Austausch mit Behörden und der Polizei“, sagte er laut Mitteilung.

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FOTO: DPA- Der Freistaat hatte das Haus in Oberfranke­n im Zuge eines Verbots der rechtsextr­emistische­n Vereinigun­g „Freies Netz Süd“2014 beschlagna­hmt.

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