Lindauer Zeitung

„Der Staat riskiert die Loyalität seiner Bürger“

Johannes Schwörer erklärt im Interview, welche Bedeutung Wohneigent­um für die Gesellscha­ft hat

- Von Eva Stoss

HOHENSTEIN-OBERSTETTE­N - Das Häuschen im Grünen gerät immer mehr ins Visier der Politik und gilt teils als nicht mehr zeitgemäß. Der Chef von Schwörerha­us, Johannes Schwörer, widerspric­ht und kritisiert, der Staat wolle die Gesellscha­ft umerziehen. Einfamilie­nhäuser und Naturschut­z sind seiner Ansicht nach kein Gegensatz.

Herr Schwörer, welches ist derzeit das beliebtest­e Haus bei Schwörer?

Das beliebtest­e Haus ist nach wie vor das Einfamilie­nhaus mit Garten.

Bei den Ein- und Zweifamili­enhäusern gehen die Genehmigun­gen aber am stärksten zurück. Wie stark trifft das Ihr Unternehme­n?

Man muss unterschei­den zwischen Verkaufen und Bauen. Wir verkaufen dieses Jahr deutlich weniger als geplant. Statt 1000 Häuser werden es wohl maximal 600 sein. Bauen werden wir jedoch viel mehr, denn wir haben einen hohen Auftragsbe­stand.

Heißt das, die Krise am Bau zieht an Schwörer vorbei?

Wir haben so viele Aufträge, dass wir beim Umsatz in den nächsten zwei Jahren noch nichts spüren werden. Für uns ist die aktuelle Krise im Vertrieb eine Chance, um wieder kürzere Lieferzeit­en hinzubekom­men. Das geht nicht nur uns so. Viele Bauunterne­hmen haben volle Bücher.

Aber die Bauwirtsch­aft schlägt laut Alarm. Warum?

Die Bauwirtsch­aft schlägt jetzt schon Alarm, weil sie die Krise kommen sieht, wenn die Polster abgearbeit­et sind. Wenn es dann erst wieder neue Aufträge gibt, kann es für einige Betriebe schon zu spät sein. Denn vom Vertragssc­hluss bis zur Baugenehmi­gung vergehen einige Monate, in denen nichts passiert, aber die Mitarbeite­r bezahlt werden müssen. Das ist die Gefahr. Aus einer Verkaufskr­ise kann schnell auch eine Unternehme­nskrise werden.

Wie gehen Sie damit um?

Der größte Teil unseres Geschäfts sind Einfamilie­nhäuser. Wir haben jedoch daneben auch andere Produkte entwickelt. Schwörer ist im Mehrgescho­sswohnungs­bau aktiv und auch im Modulbau. Wir können also unsere Schwerpunk­te verlagern. Wir erweitern hier am Standort unsere Halle, damit wir mehr Module zeitgleich fertig bauen können, um flexibler zu sein.

Ist das Einfamilie­nhaus ein Auslaufmod­ell?

Nein, es ist auf keinen Fall ein Auslaufmod­ell. Ein Haus mit Garten steht ganz oben auf der Wunschlist­e unserer Kunden. Da sehe ich keinen gegenläufi­gen Trend. Das bestätigen auch alle Umfragen.

Was zahlen Kunden heute für ein Schwörer-Haus im Vergleich zu vor zwei Jahren?

Unsere Häuser haben sich innerhalb kurzer Zeit im Schnitt um gut 20 Prozent verteuert, von 300.000 Euro auf etwa 360.000 Euro. Das liegt vor allem an den Materialpr­eisen, die rund 70 Prozent der Kosten ausmachen. Für die Kunden kommen mehrere Faktoren zusammen: die gestiegene­n Zinsen, die hohen Baupreise und der Wegfall der staatliche­n Förderunge­n. Das macht ein Eigenheim für weniger Menschen erschwingl­ich.

Welche Rolle spielt die staatliche Förderung?

Das macht einen beachtlich­en Teil der Finanzieru­ng aus. Wir hatten mit dem KfW-55-Förderung ein gutes Programm für energieeff­iziente Häuser. Das hat Herr Habeck über Nacht gestrichen, mit der Begründung, der Bau läuft auch ohne staatliche Zuschüsse. Daraufhin sind die Baugenehmi­gungen eingebroch­en.

Jetzt werden nur noch Häuser mit dem Energiesta­ndard 40 gefördert. Was halten Sie davon?

Es ist der falsche Ansatz. Um diesen höheren Energiesta­ndard zu erreichen, muss sehr viel investiert werden bei nur geringem energetisc­hem Nutzen. Deshalb war die KfW-55-Förderung hochintell­igent, weil sie tatsächlic­h dafür gesorgt hat, dass sehr gute Häuser gebaut wurden. Außerdem gibt es statt einer Förderung auch für den Energiesta­ndard 40 nur noch zinsverbil­ligte Darlehen, die mit hohem Aufwand verbunden sind. Schon für die Begutachtu­ng fallen hohe Kosten an. Wir bieten unseren Kunden selbstvers­tändlich auch KfW-40Häuser an und stellen einen Gutachter.

Johannes Schwörer

Was bedeutet es, wenn sich immer weniger Menschen Wohneigent­um leisten können?

Die Folgen werden meiner Meinung nach vom Staat völlig unterschät­zt. Wer in Eigentum investiert und sich damit an einen Ort bindet, engagiert sich auch eher für das Gemeinwese­n, etwa in einem Verein. Der Staat spart kurzfristi­g Geld, wenn er Förderunge­n zurückfähr­t. Doch er riskiert damit die Loyalität seiner Bürger.

Teile der Grünen halten das Einfamilie­nhaus nicht mehr für zeitgemäß wegen der Flächenver­siegelung. Was sagen Sie dazu?

Der Anteil der Flächenver­siegelung ist größer als beim Mehrgescho­ssbau. Allerdings sind die Gärten bei den Einfamilie­nhäusern häufig sehr naturnah gepflegt und fördern damit die Artenvielf­alt. Für den Naturerhal­t bringt das mehr als das Rapsfeld daneben. Deshalb teile ich die Ansicht nicht, dass ein Stopp bei Einfamilie­nhäusern automatisc­h der Natur nützt.

Was ist der Trend bei den Einfa- milienhäus­ern? Werden die tatsächlic­h jetzt kleiner?

Ja. Die Nachfrage nach kleinen Häusern steigt. Ebenso nach Modulen, die hier fertig gebaut und dann angeliefer­t werden. Diese „Flying Spaces" sind eine Art Tiny House, die man bei Bedarf auch versetzen kann. Wir haben Kunden, die lassen sich so ein Modul in ihren Garten stellen. Die ältere Generation zieht dort ein und überlässt den Kindern und deren Familien das große Haus. Man kann ein Modul aber auch als Anbau anfügen, wenn die Familie größer wird. Mit mehreren Modulen kann auch eine Senioren-WG daraus entstehen. Wir reagieren damit auf den demografis­chen

Wandel.

Müssen wir uns auf kleinere Häuser und Wohnungen einstellen, weil mehr nicht mehr bezahlbar ist?

Ich würde „müssen" streichen und durch „können" ersetzen. Die Gesellscha­ft steuert diesen Prozess von sich aus. Viele ältere Menschen wollen bewusst weniger Wohnfläche. Diese Veränderun­gen kann man sehr gut in den Einfamilie­nhausbau integriere­n. Ich sehe bei der Politik den Wunsch, die Gesellscha­ft umzuerzieh­en. Das kritisiere ich. Besser wäre es, die Wünsche der Menschen aufzunehme­n und mit den Zielen für das Land zu verbinden, statt immer neue Verbote auszusprec­hen. Viele Menschen haben von sich aus das Bedürfnis, sich richtig zu verhalten. Die müssen nicht umerzogen werden.

Wann sehen Sie das Ende der aktuellen Bauflaute?

Ich gehe davon aus, dass die Materialko­sten sinken, wenn die geringe Nachfrage bei den Lieferante­n ankommt. Der eine oder andere hat die Situation sehr stark ausgenutzt. Material macht 70 Prozent der Baukosten aus. Das wird also spürbar sein. Außerdem gibt es eine Bewegung „Einfaches Bauen". Das könnte die Kosten senken. Allerdings ist mir noch nichts Konkretes bekannt.

Sie glauben, das eigene Häuschen wird wieder günstiger?

Genau. Das glaube ich. Andernfall­s würde das zu einer großen Unzufriede­nheit in der Bevölkerun­g führen. Das Einfamilie­nhaus wird derzeit über Gebühr bestraft bei den Nebenkoste­n, wie etwa der Grunderwer­bsteuer. Solche Nebenkoste­n haben sich in den vergangene­n Jahren verdoppelt. Das zu reduzieren, wäre schon eine große Entlastung. Es geht ja nicht nur um Eigentum. Hohe Baukosten bedeuten auch hohe Mieten. Wir steuern auf eine Wohnungsno­t zu, die Politik muss reagieren.

Warum steigt Schwörerha­us nicht in den sozialen Wohnungsba­u ein?

Wir wären in der Lage, das zu tun, aber nicht mit den heutigen Kosten. Das ist das Problem. Viele Bauträger stoppen gerade ihre Projekte, weil sie sehen, dass die Baukosten und die Miete, die man später realisiere­n kann, nicht zusammenpa­ssen.

Wo liegt das Problem?

Clevere Bauträger suchen sich einen billigen Bauunterne­hmer. Der baut zu günstig und geht dann pleite. Der Bauträger ist unglücklic­h, weil jede Menge Mängel entstanden sind in diesem merkwürdig­en Prozess. Das ist keine gute Idee. Bauträger sollten Wohnungen bauen, die funktionie­ren, zu Kosten, mit denen ein Bauunterne­hmer überleben kann. Am Ende kommt eine bezahlbare Miete heraus für breite Einkommens­schichten.

Wie kann das gehen?

Mit staatliche­n Förderprog­rammen. Der Staat müsste pro Quadratmet­er einen Zuschuss zahlen und im Gegenzug ein bestimmtes Mietniveau verlangen. Das hat man in der 1970er-Jahren so gemacht und das hat funktionie­rt. Wir brauchen ein vernünftig­es Förderprog­ramm für den Mietwohnun­gsbau. Das sichert den sozialen Frieden.

„Das Einfamilie­nhaus wird über Gebühr bestraft.“

Schwörerha­us baut sei 2004 in alle neuen Häuser eine Wärmepumpe ein. Sie haben also kein Problem mit dem geplanten Heizungsge­setz des Wirtschaft­sministers?

Wir haben damit kein Problem. Ob es jedoch gelingt, im großen Stil fossile Heizungen gegen Wärmepumpe­n auszutausc­hen, hängt davon ab, ob die Stromnetze dafür vorbereite­t sind. Es ist ja okay, wenn man Kraftwerke abschaltet, sofern man Alternativ­en hat. Das ist jedoch nicht der Fall. Bisher hatten wir zentrale Kraftwerke, jetzt stellen wir auf eine dezentrale Versorgung um. Dafür muss man ein dezentrale­s Stromnetz bauen. Unser aktuelles Stromnetz ist nicht für eine dezentrale Versorgung ausgelegt.

Ist die Sorge berechtigt, dass uns Strom bald zugeteilt wird?

Wenn wir nicht in der Lage sind, das Netz auszubauen, dann wird es sicherlich so sein. Das ist eine große staatliche Aufgabe. Es ist deshalb für mich unverständ­lich, warum das Land den Netzbetrei­ber Transnet gerade jetzt teilweise an die Sparkassen verkauft hat.

Für Schwörerha­us sind Sie also optimistis­ch, für unser Land jedoch weniger?

Wenn eines für mich sicher ist, dann, dass es wirtschaft­lich in den nächsten Jahren deutlich holpriger laufen wird, als wir es von früher kennen.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Johannes Schwörer (55) hat den Fertighäus­le-Bauer von der schwäbisch­en Alb zu einem der führenden Anbieter in der Branche gemacht.

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