Lindauer Zeitung

„Zebrafleis­ch ist nicht schlechter als Rindfleisc­h“

Zoodirekto­r Dag Encke verteidigt, dass der Leipziger Zoo ein Zebra tötet und an Löwen verfüttert

- Von Hanna Gersmann

LEIPZIG - Der Zoo Leipzig verfüttert vor Besuchern ein Zebra an Löwen. Es hagelt Kritik. In den USA bekämen die Tiere oft nur noch Hackfleisc­h, um Besucher Zumutungen zu ersparen, sagt Dag Encke, Zoodirekto­r in Nürnberg – und meint: „Das ist DisneyWelt.“Und was ist real?

Herr Encke, das Zebra Franz war gesund, trotzdem hat der Leipziger Zoo es den Löwen zum Fraß vorgeworfe­n – verstehen Sie die Empörung?

Nein. Natürlich füttern wir ausschließ­lich Fleisch von gesunden Tieren. Kranke Tiere dürften wir gar nicht verfüttern und das Fleisch vom Zebra ist nicht schlechter als das vom Rind. Das Zebra leidet nicht mehr als ein Rind. Es hatte zuvor ein gutes Leben. Wir tun doch gut daran, gut gehaltene Tiere zu verfüttern.

Na ja, das Zebra – ein Hengst – wurde geschlacht­et, nur weil sein Sperma offenbar nicht mehr das beste war. Ist das denn ein guter Grund, Tiere zu töten?

In jedem Fall ist es ein vernünftig­er Grund. Das war ein Grevy-Zebra, eine vom Aussterben bedrohte Art …

... die haben große Ohren, sind mit ihren schmalen Streifen und weißem Bauch besonders hübsch …

… und selten. Es gibt es nur noch etwa 2000 bis 3000 frei lebende Exemplare in Afrika.

Da müsste man doch jedes Tier retten?

Zoos züchten bedrohte Arten, um Reservepop­ulationen zu bewahren. Wenn ein Tier zur Zucht nicht beitragen kann, hilft es auch bei der Erhaltung der Art nicht mehr.

Und dann ist die Tötung übliche Praxis?

Das Töten zum Verfüttern ist legale Praxis. Wenn das Erbgut für das Zuchtprogr­amm nicht mehr wertvoll ist, sich auch in anderen Zoos kein guter Platz mehr findet, dann gilt ein Tier als überzählig. Es kann dann schmerzund angstfrei getötet werden. Wer eine Art retten will, muss dafür unweigerli­ch auch bereit sein, Individuen zu töten.

Sie kastrieren im Nürnberger Zoo jetzt aber zwei junge Gorillas einer bedrohten Art und verhindern damit Nachwuchs – was soll das?

Das machen wir in Absprache mit dem Fachgremiu­m des Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­amms. Die beiden sollen sich nicht fortpflanz­en, weil ihre genetische Linie schon überrepräs­entiert ist.

Zebras schlachten Sie, Gorillas nicht?

Nein, denn dazu fehlt der nötige gesellscha­ftliche Konsens.

Wie kommen Sie darauf, dass das Töten sonst akzeptiert ist? Der Leipziger Zoo muss sich jetzt rechtferti­gen. 2014 traf es den Zoo in Kopenhagen, der die junge Giraffe Marius geschlacht­et hatte. Und Sie standen auch schon mal in der Kritik, weil Sie angekündig­t haben, einen Löwen zu töten, der sich nicht mehr paaren wollte.

Mediale Proteste treten auf. Besucherpr­oteste haben wir in den letzten 20 Jahren deswegen nicht erlebt. Wir hängen im Nürnberger Zoo jeden Monat eine Liste aus, auf der steht, welche Tiere geboren oder gestorben sind und welche verfüttert wurden. Davor bleiben viele Gäste stehen und gucken sich das unaufgereg­t an. Den Nahrungskr­eislauf versteht jeder. Löwen fressen Zebras.

Das sind Zumutungen, die die Deutschen bei ihren jährlich rund 40 Millionen Zoobesuche­n ertragen müssen, auch wenn sie sich mehr über kleine Eisbären freuen?

In den USA wird in vielen Zoos nur noch Hackfleisc­h verfüttert, damit die Besucher nicht Knochen und Blut sehen. Das ist Disney-Welt. Wir wollen nicht mit Traumbilde­rn arbeiten. In Dänemark

gehören Tiersektio­nen – auch im Zoo – sogar zum Lehrplan der Schulen.

Allerdings hätten auch Löwen im Zoo mit der realen Welt nichts zu tun und dort nichts zu suchen, meint die Tierrechts­organisati­on Peta.

Sie kämpft grundsätzl­ich für ein sogenannte­s Verfügungs­verbot über Tiere, also auch gegen die Rettung von Arten durch menschlich­es Eingreifen. Wir müssen aber immer mehr Arten aus der Natur holen, bevor sie dort aussterben. Dazu sind die Zoos durch EU-Recht verpflicht­et. Der Planet ist schwer verletzt, wir verlieren eine Art nach der anderen. Gerade erwischt es sogar den Feuersalam­ander in Bayern.

Warum geht es der leuchtend gelbgeflec­kten Amphibie schlecht?

Ihr wird ein Hautpilz zum Verhängnis. In den Niederland­en ist sie schon fast ausgerotte­t. Darum haben wir jetzt Feuersalam­ander aus dem Steigerwal­d aufgenomme­n, wo der Pilz vor zwei Jahren erstmals nachgewies­en wurde. Zoos haben auch die letzten Kondore gefangen, diese Geier wieder vermehrt und dadurch gerettet. Jetzt kreist der Kondor dank dieses aufwendige­n Zuchtprogr­amms wieder am Himmel in seinem jetzt geschützte­n Lebensraum. Beim europäisch­en Wisent, beim Steinbock, bei anderen Arten ist es das Gleiche. Sie werden Schirmarte­n, umbrella species, genannt, weil die Natur großräumig geschützt wird, damit ihre Wiederansi­edlung klappt.

Aber ein deutscher Zoo beherbergt im Schnitt knapp 300 Arten. Davon gehören auch nicht alle zu den gefährdete­n Arten. Das ist am Ende doch nur ein Bruchteil?

Ja, wir können nicht alle Arten, die der Erde verloren gehen, retten. Aber außer den Zoos und wenigen Artenschut­zorganisat­ionen rettet derzeit sonst keiner einzelne Tierarten.

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FOTO: STAR-MEDIA/IMAGO Zwei Zebras im Leipziger Zoo: Ein Tier aus dieser Herde wurde dort vor Kurzem getötet und vor Besuchern an Löwen verfüttert.

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