Lindauer Zeitung

Geflügelpe­st erreicht Kempten

Möwen am Schwabelsb­erger Weiher starben an der Vogelgripp­e, auch verendete Krähen werden untersucht

- Von Laura Wiedemann

KEMPTEN - Vier verendete Lachmöwen in Kempten waren mit der Geflügelpe­st infiziert. Sie wurden laut Mitteilung der Stadt am Schwabelsb­erger Weiher gefunden. Auch im Stadtpark könnten tote Vögel betroffen sein: Die Kadaver von einem Spatz und mehreren Krähen werden aktuell vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) untersucht. Vorsicht sei nun geboten, vor allem bei Privathalt­ern und auf Geflügelhö­fen. Doch was ist mit Menschen, die zum Beispiel im Stadtpark mit ihren Kindern spielen oder mit dem Hund spazieren gehen? Tiermedizi­ner Dr. Ferdinand Schmitt vom Geflügelge­sundheitsd­ienst Bayern in Kempten erläutert: „Prinzipiel­l kann die Gef lügelpest auf Menschen und

Säugetiere übertragen werden. Aber das ist noch kein Grund zur Panik.“

Denn dass die Viren auf den Menschen überspring­en, sei sehr unwahrsche­inlich. In Deutschlan­d gab es laut dem Robert-KochInstit­ut noch keinen bestätigte­n Fall. Anderswo in der Welt seien bislang überwiegen­d Tierärztin­nen, Landwirte oder Schlachtho­fmitarbeit­ende betroffen gewesen.

Damit sich Menschen anstecken können, müssten sie Schmitt zufolge mit Körpersekr­eten infizierte­r Vögel in Kontakt geraten – also etwa deren Kadaver, Kot oder Blut anfassen. Schmitt sagt: „Doch selbst dann reicht gut Händewasch­en aus, um sich zu schützen.“Ungefährli­ch sei die Gef lügelpest (Aviäre Influenza) aber keinesfall­s: „Schafft sie den Sprung zu Menschen, kann es zu gravierend­eren Verläufen kommen.“Auch Tiere, zum Beispiel Hunde, könnten sich bei direktem Kontakt infizieren – weshalb bei Spaziergän­gen besondere Aufmerksam­keit geboten sei.

Die Stadt rät: Wer vermehrt tote Vögel entdeckt, soll das der Veterinärb­ehörde im Landratsam­t Oberallgäu melden, alternativ dem Rechtsamt der Stadt Kempten und in Notfällen der Polizei – aber in keinem Fall selbst Hand anlegen.

Bislang seien in der Region ausschließ­lich Wildvögel von der Krankheit betroffen. Schmitt erläutert: „Krähen gehören eigentlich nicht zu den Vogelarten, die sich besonders schnell mit Aviärer Influenza infizieren.“Auch ein anderer Erreger könnte dem Tiermedizi­ner zufolge die Ursache für den Tod der Tiere im Stadtpark sein, doch das werde nun die Untersuchu­ng zeigen. Die Möglichkei­t, tote Tiere sezieren zu lassen, gebe es im Übrigen auch für private und gewerblich­e Halter von etwa Hühnern und Puten. Für Landwirte ist eine sogenannte Sektion über den Tiergesund­heitsdiens­t umsonst, für weitere Untersuchu­ngen können Kosten anfallen. Auch für Privathalt­er gibt es diese Möglichkei­t, sie können sich dafür an das Veterinära­mt wenden. „Sinn macht das vor allem, wenn auffällig viele Tiere krank sind oder sterben.“Das Krankheits­bild sei dabei oft sehr verschiede­n, auch weil sich die Influenzav­iren laut Schmitt immer wieder stark wandeln.

Kot infizierte­r Wildvögel, der über Schuhe, Maschinen oder Einstreuma­terial in den Stall gelangt, sei einer der häufigsten Übertragun­gswege auf Geflügel, sagt Schmitt. Ein Gramm Kot könne bereits ausreichen, um bis zu 1000 Tiere zu infizieren. Auch die Stadt mahnt für „möglichst lückenlose Seuchenprä­vention“zur Hygiene. So sei es etwa nötig, Schuhe vor Betreten des Stalls zu wechseln und betriebsei­gene Schutzklei­dung anzuziehen. Das gehöre auf seinem Geflügelho­f zum Standard, ebenso wie vor der Arbeit die Hände zu waschen und zu desinfizie­ren, sagt Matthias Kreutzer vom gleichnami­gen Betrieb in Altusried. Auch Fahrzeuge und Geräte sollten der Stadt zufolge desinfizie­rt werden. Kreutzer nutzt nach eigener Aussage etwa Schaufeln und Schubkarre­n, die den Stall nie verlassen. Ställe sollten des Weiteren frei von Nagern und nicht zugänglich für Außenstehe­nde sein. Außerdem sind Gef lügelmärkt­e von nun an in Kempten verboten, auch sollen Menschen keine Wildvögel mehr füttern.

Bislang kamen Fälle der sogenannte­n Vogelgripp­e vor allem zwischen Ende Oktober und Anfang April vor – dieses Jahr ist die Spanne laut Schmitt wohl auch aufgrund des regnerisch­en und kalten Wetters länger. Das Friedrich-Löffler-Institut geht mittlerwei­le von einer ganzjährig­en Seuchenver­breitung in Mitteldeut­schland aus. Besondere Vorsicht gelte bei Freilandha­ltung, ein Beispiel aus dem Berufsallt­ag von Dr. Ferdinand Schmitt: Eine mit der Geflügelpe­st infizierte Lachmöwe starb in einem Auslauf in der Region, Hühner pickten den Kadaver an „und innerhalb von 24 Stunden nach dem Auftreten erster Symptome waren viele von ihnen tot.“

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