Reichen Regen und Schmelzwasser aus?
Pegel des Bodensees ist gestiegen – Was das für Lindaus Wälder und Natur bedeutet
LINDAU - Zum Jahresbeginn hat es kaum geregnet, in den Bergen nur wenig geschneit. Mittlerweile hat sich der Trend gedreht: Vor den sonnigen Pfingsttagen kam jede Menge Regen vom Himmel. Der Bodenseepegel ist schnell gestiegen. Aber ist das auch genug für Natur, Tiere und die Grundwasserstände?
Konnten Spaziergängerinnen und Spaziergänger im März noch auf trockenen Steinen am Lindauer Ufer entlang gehen, steht das Wasser mittlerweile meterhoch an den Mauern. Am kleinen Strand an der Gerberschanze geht es fast bis zu den Stufen, unter der Seebrücke berührt es beinah die Unterführung.
Was in Lindau an vielen Stellen zu sehen ist, zeigt auch die Statistik. Seit Mitte April steigt der Pegel des Bodensees stetig an. Das ist an den Daten einer BodenseeMessstelle in Konstanz abzulesen. Erst seit Mitte Mai fällt er wieder leicht ab. Damit ist der Wasserpegel sogar etwas über dem Normalniveau.
Hatten Wetterdienste Ende Februar noch historische Schneearmut vermeldet, ist mittlerweile Schmelzwasser aus den Alpen im Bodensee gelandet. Das macht sich an den Treibholzmengen bemerkbar, die vor Lindau, Nonnenhorn und Wasserburg angespült wurden. Zwischen 125 und 150
Tonnen sind angekommen, schreibt Martin Adler vom Wasserwirtschaftsamt Kempten. Die Seemeisterstelle sei mit der Sehkuh viel im Einsatz, seit der Wasserpegel Anfang Mai gestiegen ist.
Wasser, das dringend nötig war. Das weiß auch Christian Müller (Foto: fey) vom Forstrevier Lindau. Die vergangenen Sommer waren heiß – vor allem die 2022 und 2018. Die Bäume litten unter der Dürre. „Die gute
Wasserversorgung besonders im Frühjahr bei Austrieb der Bäume trägt zu deren Vitalisierung bei“, so Müller. Nur mit viel Wasser könnten Feinwurzeln wieder gesund werden.
Der Vorteil: Die extreme Trockenheit wie in Südfrankreich und Italien bleibt hierzulande aus. Die Böden waren weich und konnten das Wasser speichern. Mancherorts nahm der Boden sogar so viel Wasser auf, dass steile Hänge abrutschten. So passierte es im Vorarlberger Hörbranz.
Über das Wasser freut sich Isolde Miller (Foto: cf) von der Kreisgruppe Lindau des Bund Naturschutz in Lindau. Sie glaubt, dass die Wasservögel jetzt gute Bedingungen haben.
Für manche Schwäne kam der schnelle Anstieg offenbar überraschend. Die ersten Schwanennester seien untergegangen, so Miller. „Der Schwan hat es noch nicht gelernt, dass der See im Frühjahr steigt.“Er lebe erst seit gut 100 Jahren am Bodensee und die Evolution dauere länger.
Bedeute der viele Regen und das Schmelzwasser, dass die Natur sich erholt hat? Nicht ganz. Zwar ist der Wasserspeicher im Waldboden aufgefüllt, beim Grundwasserpegel sehe es anders aus, sagt Christian Müller. Im Vergleich zum Februar hat die Situation sich zwar gebessert. An der Grafik der Messstelle in Handwerks bei Sigmarszell zeigt sich: Der Pegel ist gestiegen. „Das Grundwasser befindet sich wieder auf einem normalen Stand“, sagt Karl Schindele, Leiter des Wasserwirtschaftsamts in Kempten. Trockenheit wäre jetzt aber fatal. Es müsse schon noch weiter regnen.
Und wie steht es um die Trockenheit? Der Bodensee sei derzeit gut gefüllt, sodass es aus heutiger Sicht in diesem Sommer keine Wasserknappheit wie 2022 geben dürfte, so Roland Roth aus Bad Schussenried, Gründer und Leiter der Wetterwarte Süd.
Was die Waldbrandgefahr angeht, ist Christian Müller optimistisch. Aber er warnt: Bei anhaltend extremer Hitze und fehlenden Niederschlägen über mehrere Monate könnte das Pendel in der zweiten Jahreshälfte in die andere Richtung ausschlagen.