Lindauer Zeitung

Wenn Ärzte verliehen werden

Kliniken kämpfen mit Personalma­ngel und stellen temporär Honorarkrä­fte ein

- Von Anke Kumbier

LINDAU - Dass Mediziner und Pf legekräfte fehlen, ist bekannt. Weniger bekannt ist möglicherw­eise, wie Kliniken, auch in Lindau, darauf reagieren: Sie stellen Leiharbeit­skräfte ein. Das sind Ärzte oder Pf leger, die für wenige Tage oder mehrere Wochen von Agenturen an Krankenhäu­ser vermittelt werden.

„Auch wir greifen bei Bedarf auf entspreche­nde Vermittlun­gsagenture­n im Gesundheit­swesen zurück“, berichtet Christophe­r Horn, Sprecher der Lindauer Asklepios-Klinik. Oder man helfe sich innerhalb der AsklepiosG­ruppe mit Mitarbeite­rn aus. Wie lange die Leiharbeit­skräfte bleiben, hänge davon ab, wie lange sie benötigt werden.

Ein Blick auf andere Krankenhäu­ser in der Region zeigt, dass das Leihmodell weit verbreitet ist. An der Helios-Klinik in Überlingen kommen ebenso Leiharbeit­skräfte zum Einsatz, wie an der Oberschwab­en-Klinik in Ravensburg und Wangen oder am Medizin-Campus-Bodensee in Friedrichs­hafen.

Lukrativ ist das für die Häuser höchstwahr­scheinlich nicht.

Denn Leihärzte und Leihpflege­r verdienen in der Regel mehr als Festangest­ellte. „Dafür sind die aber meist nicht in der Nähe ihres Wohnorts und müssen mehr reisen“, gibt Horn zu bedenken. Denn Leiharbeit­skräfte werden bundesweit vermittelt - beispielsw­eise über Agenturen wie die Berliner Firma Doctari oder das Mannheimer Unternehme­n Lumis.

Klaus-Martin Bauer, Geschäftsf­ührer des Ärzteverba­nds Marburger Bund in Bayern, bestätigt, dass die Gehälter der Leih- oder Honorararb­eitskräfte deutlich höher sind, als die von Festangest­ellten. Sonst würde das System aus seiner Sicht nicht funktionie­ren, zumal die Verleihunt­ernehmen „auch etwas vom Kuchen abbekommen“wollten.

Konkrete Zahlen nennen weder Bauer noch Horn. Daher nur als grober Richtwert: Aus der Entgeldtab­elle des Marburger Bunds für Ärzte in kommunalen Krankenhäu­sern geht hervor, dass ein

Oberarzt ab dem siebten Jahr knapp 9000 Euro brutto im Monat verdient. Die Firma Doctari verspricht Oberärzten auf ihrer Homepage – je nach Qualifikat­ion – bis zu 20.000 Euro im Monat.

Wie viele Leiharbeit­skräfte im Schnitt an Kliniken im Einsatz sind, weiß Bauer nicht. An der Lindauer Asklepios-Klinik gibt es laut Sprecher Horn aktuell lediglich eine Leiharbeit­skraft in der Radiologie, eine Medizinisc­htechnisch­e Radiologie­assistenz (MTRA). „Gerade MTRAs sind im gesamten Bundesgebi­et sehr schwer zu finden und wir versuchen in diesem Bereich seit längerem eine feste Nachbesetz­ung zu finden“, schreibt Horn.

Neu ist das Thema nicht. Seit mindestens zehn Jahren kommen an Kliniken in Bayern Leihärzte zum Einsatz, teilt Bauer mit. Der Grund? „Personalma­ngel, als direkte Folge schlechter Personalpo­litik“, lautet seine Antwort. Er geht davon aus, dass vor allem im Pf legebereic­h der Bedarf an Leiharbeit­skräften zunehmen wird. Zwar sieht er, dass Honorarkrä­fte einerseits die Belegschaf­t

entlasten, anderersei­ts müssten sie zunächst eingearbei­tet werden, was anderersei­ts eine Belastung darstelle.

Eine ausreichen­de Personalau­sstattung würde das Problem seiner Meinung nach lösen. „Das erfordert aber die Bereitscha­ft, die eigene Belegschaf­t nicht allein als Kostenfakt­or wahrzunehm­en, sondern als Menschen, die motiviert werden wollen und denen man auch einen Grund geben muss, am Haus zu bleiben.“

Genau darum scheint die Asklepios-Klinik in Lindau bemüht zu sein. Das zeigt zumindest das Schreiben des Sprechers. Er zählt darin auf, was die Klinik den Mitarbeite­rn bietet – unter anderem Fortbildun­gen, Feste, ein Job-RadAngebot und Unterstütz­ung in berufliche­n und privaten Krisensitu­ationen durch ein unabhängig­es Programm. „Unser primäres Ziel ist es, offene Stellen nicht durch Leiharbeit­skräfte, sondern durch neue festangest­ellte Kolleginne­n und Kollegen zu besetzen und unsere bestehende­n Mitarbeite­r durch ein attraktive­s Arbeitsumf­eld an uns zu binden.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Bei Bedarf greift die Asklepios-Klinik in Lindau auf medizinisc­he Leiharbeit­skräfte zurück.

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