Wenn Ärzte verliehen werden
Kliniken kämpfen mit Personalmangel und stellen temporär Honorarkräfte ein
LINDAU - Dass Mediziner und Pf legekräfte fehlen, ist bekannt. Weniger bekannt ist möglicherweise, wie Kliniken, auch in Lindau, darauf reagieren: Sie stellen Leiharbeitskräfte ein. Das sind Ärzte oder Pf leger, die für wenige Tage oder mehrere Wochen von Agenturen an Krankenhäuser vermittelt werden.
„Auch wir greifen bei Bedarf auf entsprechende Vermittlungsagenturen im Gesundheitswesen zurück“, berichtet Christopher Horn, Sprecher der Lindauer Asklepios-Klinik. Oder man helfe sich innerhalb der AsklepiosGruppe mit Mitarbeitern aus. Wie lange die Leiharbeitskräfte bleiben, hänge davon ab, wie lange sie benötigt werden.
Ein Blick auf andere Krankenhäuser in der Region zeigt, dass das Leihmodell weit verbreitet ist. An der Helios-Klinik in Überlingen kommen ebenso Leiharbeitskräfte zum Einsatz, wie an der Oberschwaben-Klinik in Ravensburg und Wangen oder am Medizin-Campus-Bodensee in Friedrichshafen.
Lukrativ ist das für die Häuser höchstwahrscheinlich nicht.
Denn Leihärzte und Leihpfleger verdienen in der Regel mehr als Festangestellte. „Dafür sind die aber meist nicht in der Nähe ihres Wohnorts und müssen mehr reisen“, gibt Horn zu bedenken. Denn Leiharbeitskräfte werden bundesweit vermittelt - beispielsweise über Agenturen wie die Berliner Firma Doctari oder das Mannheimer Unternehmen Lumis.
Klaus-Martin Bauer, Geschäftsführer des Ärzteverbands Marburger Bund in Bayern, bestätigt, dass die Gehälter der Leih- oder Honorararbeitskräfte deutlich höher sind, als die von Festangestellten. Sonst würde das System aus seiner Sicht nicht funktionieren, zumal die Verleihunternehmen „auch etwas vom Kuchen abbekommen“wollten.
Konkrete Zahlen nennen weder Bauer noch Horn. Daher nur als grober Richtwert: Aus der Entgeldtabelle des Marburger Bunds für Ärzte in kommunalen Krankenhäusern geht hervor, dass ein
Oberarzt ab dem siebten Jahr knapp 9000 Euro brutto im Monat verdient. Die Firma Doctari verspricht Oberärzten auf ihrer Homepage – je nach Qualifikation – bis zu 20.000 Euro im Monat.
Wie viele Leiharbeitskräfte im Schnitt an Kliniken im Einsatz sind, weiß Bauer nicht. An der Lindauer Asklepios-Klinik gibt es laut Sprecher Horn aktuell lediglich eine Leiharbeitskraft in der Radiologie, eine Medizinischtechnische Radiologieassistenz (MTRA). „Gerade MTRAs sind im gesamten Bundesgebiet sehr schwer zu finden und wir versuchen in diesem Bereich seit längerem eine feste Nachbesetzung zu finden“, schreibt Horn.
Neu ist das Thema nicht. Seit mindestens zehn Jahren kommen an Kliniken in Bayern Leihärzte zum Einsatz, teilt Bauer mit. Der Grund? „Personalmangel, als direkte Folge schlechter Personalpolitik“, lautet seine Antwort. Er geht davon aus, dass vor allem im Pf legebereich der Bedarf an Leiharbeitskräften zunehmen wird. Zwar sieht er, dass Honorarkräfte einerseits die Belegschaft
entlasten, andererseits müssten sie zunächst eingearbeitet werden, was andererseits eine Belastung darstelle.
Eine ausreichende Personalausstattung würde das Problem seiner Meinung nach lösen. „Das erfordert aber die Bereitschaft, die eigene Belegschaft nicht allein als Kostenfaktor wahrzunehmen, sondern als Menschen, die motiviert werden wollen und denen man auch einen Grund geben muss, am Haus zu bleiben.“
Genau darum scheint die Asklepios-Klinik in Lindau bemüht zu sein. Das zeigt zumindest das Schreiben des Sprechers. Er zählt darin auf, was die Klinik den Mitarbeitern bietet – unter anderem Fortbildungen, Feste, ein Job-RadAngebot und Unterstützung in beruflichen und privaten Krisensituationen durch ein unabhängiges Programm. „Unser primäres Ziel ist es, offene Stellen nicht durch Leiharbeitskräfte, sondern durch neue festangestellte Kolleginnen und Kollegen zu besetzen und unsere bestehenden Mitarbeiter durch ein attraktives Arbeitsumfeld an uns zu binden.“