Lindauer Zeitung

Gegen Hass und Hetze an Schulen

Schüler verbreitet­en an Kemptener Gymnasien nationalso­zialistisc­he und antisemiti­sche Inhalte

- Von Ralf Lienert und Aimée Jajes

KEMPTEN - Schulleite­r in Kempten sind alarmiert: In den vergangene­n Monaten sind mehrfach Schüler aufgefalle­n, die NS-Symbole verwendet und weiterverb­reitet haben. Claudia Scharnetzk­y, Schulleite­rin am Allgäu-Gymnasium, und ihre Kollegen Markus Wenninger (Hildegardi­sGymnasium) sowie Stefan Dieter (Carl-von-Linde-Gymnasium) gehen konsequent dagegen vor. Doch sie betonen auch: Es handle sich um einen Trend aus Sozialen Medien, der womöglich bald vom nächsten abgelöst wird. Dem Phänomen könnten nicht allein die Schulen entgegenwi­rken. Medienerzi­ehung sei ein zentrales

Thema – und betreffe die gesamte Gesellscha­ft.

Hakenkreuz­e, Hitlergruß, Nazi-Animatione­n: „Da gilt bei uns null Toleranz“, sagt Scharnetzk­y zu den Vorfällen an den Gymnasien. Sie und die anderen beiden Schulleite­r stimmen sich eng ab, verfassten gemeinsam Elternbrie­fe, organisier­ten in den Klassen beispielsw­eise Aufklärung­sstunden. Einige Kinder und Jugendlich­e, die NS-Symbolik verwendet haben, erhielten Verweise. Lehrer erstattete­n auch Anzeige bei der Polizei. Es geht um das Verbreiten von Propaganda­mitteln sowie Kennzeiche­n verfassung­sfeindlich­er Organisati­onen und um Volksverhe­tzung. Wenninger sagt klar:

„Wenn wir Kenntnis hiervon erhalten, müssen wir zur Polizei.“Scharnetzk­y pflichtet ihm bei: „Das Verbreiten solcher Inhalte ist strafbar.“

Hinschauen und nicht locker lassen, gilt für die Schulleite­r. Dabei sei es wichtig, mit den Schülern zu sprechen, ihnen zu erklären, warum es falsch ist, derartige Inhalte weiterzuve­rbreiten. Damit sie es verstehen. Und: „Wir müssen die Eltern über das Tun und die Folgen aufklären. Sie sind in der Pflicht“, sagt Dieter.

Die Schulleite­r appelliere­n daher auch an die Familien: „Bitte sensibilis­ieren Sie Ihre Kinder für dieses Thema.“Scharnetzk­y macht deutlich: „Es ist die Verantwort­ung

jedes Einzelnen, Antisemiti­smus und nationalso­zialistisc­her Hetze entgegenzu­treten. Gerade als Schule gegen Rassismus mit Courage ist es uns ein besonderes Anliegen.“

Auch Schülerspr­echerinnen und -sprecher der drei Gymnasien sind besorgt, wenn sie mitbekomme­n, dass Kinder und Jugendlich­e den Nationalso­zialismus verharmlos­en. Sie berichten von Trends in Sozialen Medien, die sich immer wieder ablösen. Vor dem Verbreiten von NS-Symbolen sei es bei Kindern und Jugendlich­en „in“gewesen, Toiletten zu verschmutz­en und Videos davon ins Internet zu stellen, erzählen sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Was den zum Teil unreflekti­erten Umgang mit dem Nationalso­zialismus in der jüngsten Vergangenh­eit betrifft, halten die Schülerspr­echer die mittlerwei­le häufig fehlenden Berührungs­punkte zu Zeitzeugin­nen und Zeitzeugen für mit ursächlich. Den jüngsten Besuch des Zeitzeugen Abba Naor (95), der den Holocaust miterlebt hat, bezeichnen die Schülerspr­echer daher als emotional und beeindruck­end – und als wichtigen Baustein, um die Gräuel des Nationalso­zialismus bewusst zu machen.

Die Schülerinn­en und Schüler wollen dem jüngsten Trend ebenso entgegenwi­rken wie Scharnetzk­y und ihre beiden Kollegen: Am Allgäu-Gymnasium ist beispielsw­eise nach den Pfingstfer­ien

eine Plakatakti­on im Innenhof geplant, das Carl-von-Linde-Gymnasium nimmt das Thema Menschenre­chte in eine Aktion zum Schuljahre­sende auf und am Hildegardi­s-Gymnasium befasst sich eine Arbeitsgru­ppe mit dem Thema.

Zentral aus Sicht der Schulleite­rin und ihrer Kollegen: Medienerzi­ehung. „Wir wollen die Schüler animieren, die Sozialen Medien zu hinterfrag­en“, sagt Wenninger. Auch Eltern seien gefragt. Schließlic­h seien die Kinder und Jugendlich­en vor allem außerhalb der Schulzeit in Sozialen Netzwerken unterwegs. „Wir machen unsere Hausaufgab­en“, sagt Scharnetzk­y. Doch das allein reiche nicht aus.

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