Auch andere Fische rutschen durchs Netz
Felchen-Fangverbot: Wie wahrscheinlich sind Ausgleichszahlungen?
WASSERBURG - Weil ab Januar ein dreijähriges Felchen-Fangverbot gilt, fordern die Fischer Ausgleichszahlungen. Denn das Verbot führt für sie noch zu weiteren Problemen: Auch andere Speisefische gehen durchs Netz. Wie wahrscheinlich sind Entschädigungen?
Roland Stohr hatte es direkt am Tag nach der Entscheidung gefordert: „Wir brauchen Ausgleichszahlungen“, sagte er im Gespräch mit der LZ. Ansonsten, fürchtet der Vorsitzende der Genossenschaft bayerischer Bodenseefischer, müssen noch mehr seiner Kollegen ihren Beruf aufgeben.
Die Zahl der Fischereipatente am Bodensee ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. „Von den eins 218 Fischereipatenten werden heute nur noch 65 ausgegeben“, schreibt der Verein Schutzgemeinschaft Bodenseefisch in einer Pressemitteilung.
Dessen Vorsitzender, der Wasserburger Fischer Bernd Kaulitzki, fürchtet: „In spätestens zehn, vielleicht auch schon in fünf Jahren wird es keine Berufsfischer mehr am Bodensee geben.“Richtig leben könne von der harten Arbeit ohnehin kaum einer. Das dreijährige Felchen-Fangverbot hält der Berufsfischer nicht für sinnvoll. „Denn die Fische haben schlicht zu wenig Nahrung“, schreibt er. „Dieser Umstand wird sich in diesen drei Jahren nicht verbessert haben, sondern noch verschlimmern.“
Doch wie realistisch ist es, dass die Fischer für diese Zeit Ausgleichszahlungen bekommen? „Mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage können den Bodenseefischern keine Ausgleichszahlungen wegen der eingeführten Felchenschonung gewährt werden“, schreibt Christiane Köhler-Gabriel, Sprecherin des bayerischen Landwirtschaftsministeriums, auf Nachfrage. „Das verhält sich unseren Informationen nach auch in allen anderen Anrainerstaaten so.“Allerdings wollen sich manche bayerische Landespolitiker für Entschädigungszahlungen einsetzen.
Grünen-Abgeordneter Thomas Gehring hält das Felchen-Fangverbot grundsätzlich für richtig.
„Dadurch besteht die Chance, dass sich Bestände wieder erholen“, schreibt er.
Aber auch andere Aufgaben wie das Abfangen von Stichlingen müssten weiter diskutiert werden. „Ausgleichszahlungen kann ich mir als Notfallzahlungen – wie bei vergleichbaren Fällen – vorstellen, danach müsste der wirtschaftliche Notfall für das gesamte Unternehmen offengelegt und nachgewiesen werden.“
Für den FDP-Abgeordneten Dominik Spitzer gleicht das Fangverbot einem Berufsverbot. „Die Fischer müssen unbürokratische Ausgleichszahlungen erhalten, um den finanziellen Schaden einzudämmen.“Er kritisiert außerdem, dass es die bayerische Regierung bislang versäumt habe, eine Lösung für die „rapide Vermehrung“des Kormorans zu finden. „Auch von diesem Blickwinkel aus gesehen, ist aus Gründen der Gleichbehandlung ein Schadensersatz angebracht“, so Spitzer weiter. „Denn auch für Schäden, die von Biber oder großen Beutegreifern wie Bär und Wolf verursacht werden, erhalten Betroffene vom Freistaat Bayern eine Ausgleichszahlung.“
CSU-Abgeordneter Eric Beißwenger verweist wie das Ministerium auf die fehlende Rechtsgrundlage für Ausgleichszahlungen. Er selbst fordere aber immer wieder Unterstützung der bayerischen Staatsregierung für die Bodenseefischer ein.
So helfe das Land den Fischern zum Beispiel bei der Vermarktung anderer Fischarten wie den Rotaugen. „Auch sollen die Berufsfischer bei Monitoring- und Forschungsvorhaben eingebunden und dafür entlohnt werden“, so Beißwenger weiter. Ziel sei es, den bayerischen Bodenseefischern, „die bereits seit Jahren durch den Einbruch der Felchenpopulation stark beeinträchtigt sind“, Einkommensalternativen aufzuzeigen und anzubieten.
Was die Vermarktung der von Beißwenger erwähnten Rotaugen anbelangt, sieht der Wasserburger Fischer Bernd Kaulitzki allerdings ein Problem. Denn um sie zu fangen, würden hauptsächlich die engmaschigen Netze verwendet, mit denen auch Felchen gefischt werden. Und genau diese Netze seien nun ab dem 1. Januar 2024 für drei Jahre lang verboten.
Dass Netze mit Beginn des Felchen-Fangverbots nicht mehr so tief wie bisher gesetzt werden dürften, führe zudem bei Kollegen aus Baden dazu, dass sie keine Saiblinge mehr fangen würden, zählt Kaulitzki ein weiteres Beispiel auf. Und weil die freitreibende Fischerei auf dem Hohen See in Zukunft komplett verboten sei, würden den Fischern auch keine Raubfische mehr ins Netz gehen, die bei so manchem Fischliebhaber begehrt seien.
Im Gegenzug hatte die internationale Bevollmächtigungskonferenz für die Fischerei (IBKF) den
Fischern zugesagt, dass sie während der Felchenschonzeit mehr Netze für Großfische benutzen dürfen.
„Ein schwacher Trost“, schreibt Kaulitzki. „Oder besser formuliert: ein fauler Kompromiss.“Schon seit Längerem sei der Etikettenschwindel beim Bodenseefisch ein Problem – und zwar nicht nur beim Felchen. „Auch bei Lachsforellen, Zandern und Saiblingen ist es teilweise jetzt schon so – was auf den Tisch kommt, hat den Bodensee davor nie von so Nahem gesehen, wie eben vom Teller auf der Terrasse mit Seesicht.“Darum hat sein Verein vor einiger Zeit den Namen „Bodenseefisch“als Schutzmarke eintragen lassen.
Natürlich gebe es nach wie vor Bodenseefisch aus Wildfang. „Glasklar“sei aber auch: Wer nach Beginn des Fangverbots noch Felchen als Frischfang aus dem Bodensee verkaufe, „ist ein Betrüger“.