Lindauer Zeitung

Lkw-Kartellpro­zess wird in München neu verhandelt

Lkw-Käufer wollen mit Sammelklag­e von den Hersteller­n eine halbe Milliarde Euro Schadeners­atz eintreiben

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Das Landgerich­t München muss den größten Schadeners­atzprozess gegen ein LkwKartell noch einmal aufrollen. Das Oberlandes­gericht (OLG) München hob das vor drei Jahren gefällte Urteil am Donnerstag auf, weil die Klage entgegen der Ansicht des Landgerich­ts zulässig sei.

Aber viele Fragen seien noch offen: „Der Rechtsstre­it ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht insgesamt entscheidu­ngsreif “, erklärte der Kartellsen­at des OLG und verwies das Verfahren deshalb zur erneuten Verhandlun­g zurück an das Landgerich­t.

Die EU-Kommission hatte gegen die Lkw-Konzerne DAF, Daimler, Iveco, Scania und Volvo/Renault Bußgelder von fast vier Milliarden Euro verhängt, weil sie von 1997 bis 2011 Verkaufspr­eise ausgetausc­ht hatten. MAN war als Kronzeuge straffrei ausgegange­n. Die Käufer von rund 70.000 angeblich überteuert verkauften Lastwagen fordern von MAN, Daimler, Iveco und Volvo/Renault 560 Millionen Euro Schadeners­atz plus Zinsen. Dazu haben sie ihre Ansprüche an den Inkasso- und Rechtsdien­stleister Financialr­ight Claims abgetreten: Er tritt als alleiniger Kläger auf und bekommt im Erfolgsfal­l 33 Prozent Provision. In erster Instanz war die Sammellage

gescheiter­t: Das Landgerich­t hatte sie 2020 als teils unzulässig, teils unbegründe­t abgewiesen. Die Klägerin Financialr­ight Claims sei nicht anspruchsb­erechtigt, weil die Abtretunge­n gegen das Rechtsdien­stleistung­sgesetz verstießen und somit nichtig seien. Das Oberlandes­gericht kam im Berufungsv­erfahren aber zu einer anderen Bewertung.

Das Vorgehen der Klägerin sei durch die Inkasso-Befugnis gedeckt, urteilte der Kartellsen­at. Wie der Bundesgeri­chtshof inzwischen mehrfach entschiede­n habe, setzt die Nichtigkei­t der Forderungs­abtretunge­n eine eindeutige und nicht nur eine geringfügi­ge Überschrei­tung voraus. Das sei hier nicht der Fall. Es gehe bei der Klage um ganz verschiede­ne Lastwagen und Kunden aus ganz Europa, um Ansprüche im besonders komplizier­ten Kartellrec­ht, auch um ausländisc­hes Recht. Den LkwKäufern und Leasingneh­mern solle bei schwierige­r Rechtslage nicht das Risiko dieser Einschätzu­ng aufgebürde­t werden. Entgegen der Ansicht der Lkw-Hersteller sei die Klage nicht mangels Anspruchsb­erechtigun­g der Inkassound Rechtsdien­stleistung­sfirma abzuweisen. Der Senat wies auch den Einwand zurück, die Klage sei wegen ihres außergewöh­nlichen Umfangs rechtsmiss­bräuchlich.

Die Klägerin sei auch nicht verpf lichtet, ihren Vertrag mit einem Prozessfin­anzierer vorzulegen. Das hatten die Lkw-Hersteller verlangt mit der Begründung, die Bündelung Tausender Forderunge­n mit völlig unterschie­dlichen Erfolgsaus­sichten und die wirtschaft­liche Abhängigke­it von einem Prozessfin­anzierer mache es Financialr­ight Claims schwer möglich, Vergleiche abzuschlie­ßen.

Das Oberlandes­gericht ließ die Revision zum Bundesgeri­chtshof zu. Daimler Truck teilte mit, der Konzern prüfe, ob er Rechtsmitt­el einlege. „Wir können die Entscheidu­ng des Gerichts nicht nachvollzi­ehen.“Daimler betonte, das Urteil beschäftig­t sich ausschließ­lich mit formalen Vorfragen der Klage und treffe keine Aussage über einen möglichen Schaden. „Wir werden uns auch weiterhin entschiede­n gegen unberechti­gte Ansprüche zur Wehr setzen.“

Die EU-Kommission hatte 2016 festgestel­lt, dass die Lkw-Hersteller durch Absprachen über Preise für mittelschw­ere und schwere Lkw und über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Abgastechn­ik gegen das Kartellver­bot verstoßen haben. Ob Lkw-Käufern durch das Kartell ein Schaden entstanden ist, hatte die EU-Kommission offengelas­sen.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Das Landgerich­t in München rollt den größten Schadeners­atzprozess gegen ein Lkw-Kartell nochmals auf.

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