Lindauer Zeitung

Der Geschichte­nerzähler

Der Regisseur Volker Schlöndorf­f wird 85 Jahre alt – Mit der Grass-Verfilmung „Die Blechtromm­el“erlangte er Weltruhm

- Von Rudolf Worschech

FRANKFURT (epd) - Mit über 80 Jahren hat er sich noch einmal neu erfunden – und seinen ersten Dokumentar­film gedreht. 60 Jahre im Filmgeschä­ft lagen da schon hinter dem Regisseur Volker Schlöndorf­f. Und unzählige Preise, darunter ein Oscar, eine Goldene Palme in Cannes und deutsche Filmpreise.

Für die Doku „Der Waldmacher“ging Schlöndorf­f noch einmal auf Reise und begleitete zwei Jahre lang den australisc­hen Agrarexper­ten Tony Rinaudo, der in Afrika unterirdis­chen Baumwurzel­werken nachspürt: Aus ihnen können neue Bäume wachsen, die wüstenähnl­iche Flächen wieder ergrünen lassen. Bekannt geworden aber ist Volker Schlöndorf­f,

der am 31. März 85 Jahre alt wird, vor allem für seine Literaturv­erfilmunge­n — oder, anders gesagt, für seine kongeniale­n Literatura­daptionen wie „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“und natürlich die „Blechtromm­el“. Er hat Heinrich Böll, Günter Grass, Max Frisch, Arthur Miller, Margaret Atwood, Robert Musil und Friedrich Ani verfilmt. Schlöndorf­f ist ein geradlinig­er Erzähler, der seine Stilmittel immer der Geschichte untergeord­net hat, der von Film zu Film den Tonfall wechselt. Er ist kein Regisseur, der einem Film seine Handschrif­t aufdrückt, wie es zum Beispiel Rainer Werner Fassbinder mit seinen stilisiert­en Melodramen praktizier­t hat.

1939 in Wiesbaden geboren, ging Schlöndorf­f schon als Schüler nach Frankreich — und blieb zehn Jahre. Er lernte dort die Aufbruchbe­wegung des französisc­hen Autorenkin­os kennen, die „Nouvelle Vague“. Das Filmemache­n

lernte er von der Pike auf, als Regieassis­tent von Louis Malle, Alain Resnais und Jean-Pierre Melville. Erst für seinen Erstling „Der junge Törless“(1966) kehrte er in die Bundesrepu­blik zurück. Schlöndorf­fs Studie über Sadismus,

Macht und ihren Missbrauch in einem Internat im Österreich der Kaiserzeit mit dem jungen Mathieu Carrière in der Hauptrolle lief auf den Filmfestsp­ielen von Cannes. Zu einem Skandal weitete sich Schlöndorf­fs

Böll-Adaption „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“(1976) aus. Darin verbringt eine junge Frau, ohne es zu wissen, eine Nacht mit einem potenziell­en Terroriste­n und gerät in die wenig feinfühlig­e Maschineri­e der Polizei und der Sensations­presse. Ähnlichkei­ten mit der Zeitung „Bild“waren beabsichti­gt. Volker Schlöndorf­f und seine Co-Regisseuri­n Margarethe von Trotta, mit der er von 1971 bis 1991 verheirate­t war, wurden selbst als Terroriste­n-Sympathisa­nten diskrediti­ert.

Seine „Blechtromm­el“-Verfilmung erhielt 1980 den Oscar als bester internatio­naler Film und sorgte auch für die weltweite Anerkennun­g des deutschen (Autoren-)Kinos. Schlöndorf­f hat den Roman von Günter Grass durchaus satirisch grell und derb verfilmt, und in Erinnerung bleiben wird immer die Szene, in der der kleine Oskar Matzerath (David Bennent) mit seiner Blechtromm­el

einen Nazi-Aufmarsch durcheinan­derbringt. Nach der „Blechtromm­el“standen Schlöndorf­f auch die Türen für internatio­nale Großproduk­tionen offen. Und er hat sie genutzt für Werke wie „Eine Liebe von Swann“(1984), „Die Geschichte der Dienerin“(1990) oder „Der Unhold“(1996).

Immer wieder sorgte er auch für filmische Überraschu­ngen. Schon sein zweiter Film „Mord und Totschlag“(1967), einer seiner besten, war eine schwarze Komödie, die davon handelte, wie ein Trio eine Leiche nicht wieder loswird. Und einen schwülen Neo-Noir-Krimi wie „Palmetto“(1998) mit Woody Harrelson und Elisabeth Shue hätte man von Schlöndorf­f auch nicht erwartet.

Mit seinem letzten Film „Der Waldmacher“ging der Regisseur im Frühjahr 2022 noch einmal auf eine Kinotour, die ihn durch 39 Städte führte. Dabei habe er trotz der Pandemie „Hoffnung für das Kino“verspürt.

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FOTOS: UNITED ARTISTS/DPA Schlöndorf­f mit Günter Grass (links) und David Bennent (Mitte) bei den Dreharbeit­en zu dem Film „Die Blechtromm­el“.
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