Lindauer Zeitung

Weniger Fichte, mehr Tanne

Damit die Wälder im Allgäu besser auf den Klimawande­l eingestell­t sind, werden sie umgebaut

- Von Sebastian Hörmann und Marina Kraut

ALLGÄU - Das nördliche Oberallgäu ähnelt in seiner Ausgangsla­ge dem Frankenwal­d – und dort hat der Borkenkäfe­r in den vergangene­n drei Jahren mehrere Hundert Hektar Wald zerstört. Das soll hier nicht passieren, sagt Bernhard Schmieder, Abteilungs­leiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Kempten (AELF). Er wirbt deshalb zusammen mit Projektlei­terin Sabine Sandholz im neu aufgelegte­n zweijährig­en Projekt „Initiative Zukunftswa­ld“für den Waldumbau.

Das bedeutet: In hiesigen Wäldern soll die Fichte künftig nur noch einen geringeren Anteil ausmachen. Denn sie gilt als anfällig für die Folgen des Klimawande­ls – vor allem durch ihr flach ausgeprägt­es Wurzelwerk. Sie kommt im Allgäu häufig vor, ihr Anteil beträgt in Altbeständ­en 70 Prozent. Sie sollen ersetzt werden durch Arten, die den künftigen Bedingunge­n mit Trockenhei­t, Sturm und extremen Niederschl­ägen besser klarkommen, erklärt Schmieder. Doch der Waldumbau ist aufwendig. Alte Bäume zu fällen und aus dem Wald zu holen – Fachleute sprechen von Durchforst­ung – koste etwa so viel, wie das Holz im Verkauf einbringt.

Neue Bäume kosten je zwei bis drei Euro, samt Pf lege in den ersten Jahren vier bis fünf Euro. Bei etwa 2000 Pflanzen pro durchforst­etem Hektar kommen schnell hohe Summen zusammen. „Im Normalfall deckt die Förderung diese Kosten ab“, sagt Schmieder. Doch der Aufwand bleibe - und der sei groß.

Im Gebiet des Forstamts Kempten befinden sich rund 65.000 Hektar Wald, pro Jahr werden etwa 100 Hektar umgebaut, sagt Schmieder. „Man sieht: Das ist eine Generation­enaufgabe.“Sie müsse aber angepackt werden. „Wir können aber schon jetzt nicht mit dem Tempo des Klimawande­ls mithalten.“Noch sei ein gutes Anwachsen junger Bäume möglich. Doch ist eine Fläche wegen Sturms, Trockenhei­t oder Käferbefal­ls erst mal kahl, sei es schwer, sie wieder aufzuforst­en, so die Erfahrung aus Franken. Denn Trockenhei­t, Lichteinfa­ll, Hitze und

Frost erschwerte­n es den Setzlingen und förderten Unkraut, sagt Schmieder.

„Der Umbau ist in vollem Gange, das machen wir seit 30 Jahren“, sagt Hermann S. Walter, Forstbetri­ebsleiter der Bayerische­n Staatsfors­ten in Ottobeuren. Eine zentrale Rolle dabei spiele die Tanne, weil ihr die genannten Hürden wie etwa wenig Lichteinfa­ll kaum zu schaffen machten. „Sie wartet buchstäbli­ch, bis sich das Kronendach öffnet – und schießt durch, wenn sie kann“, erklärt Walter. Zudem haben Tannen ein tiefes Wurzelwerk. Sie kommen so leichter an Wasser. Auch in Trockenper­ioden. Aktuell habe die Tanne einen Anteil von drei Prozent im Ottobeurer Forstgebie­t. Mittelfris­tig, das heißt in etwa 50 Jahren, werde ein Anteil von über zehn Prozent angestrebt, sagt Walter. „Der Wald braucht Zeit. Er ist ein veränderun­gsträges System.“

Angesichts des Aufwands will das Kemptener AELF nun private Waldbesitz­er motivieren, den Umbau anzupacken. Das jetzt gestartete Projekt „Initiative Zukunftswa­ld“ist zunächst begrenzt auf zwei Gebiete im Norden des Oberallgäu­s. „Dort ist der Fichtenant­eil besonders hoch und bislang wenig Förderung geflossen“, erklärt Sabine Sandholz.

Mit einer Beratungso­ffensive und in Zusammenar­beit mit der Waldbesitz­ervereinig­ung Kempten (WBV) will man informiere­n, gezielt ansprechen und ein „Premiumpak­et“anbieten, wie es Bernhard Schmieder nennt: Die WBV übernehme neben der Beratung auch die Arbeiten im Wald oder beauftrage­n einen Dienstleis­ter dafür.

In der Region gibt es viele Eigentümer mit kleinen Parzellen, sagt Sandholz. Dorthin einen Dienstleis­ter zu bestellen, sei meist unwirtscha­ftlich. Sie will deshalb gezielt Eigentümer benachbart­er Flächen ansprechen, um sich etwa Anfahrtsko­sten zu teilen.

Ob man angesichts des fortschrei­tenden Klimawande­ls und des nur langsam entwickeln­den Waldumbaus Angst bekommen müsse? „Wir sollten keine Zeit verlieren“, sagt Hermann S. Walter und ergänzt: „Wir sind auf einem guten Weg.“

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