Was die „Galerie des Grauens“verschweigt
Bilder und Schlagzeilen an der Leine – Impfgegner demonstrieren am Seehafen
LINDAU - Die Leine spannt sich quer über den Seehafen. An ihr hängen viele Zettel. Sie erzählen tragische Geschichten über Menschen, die angeblich an der Corona-Impfung gestorben sind. Doch stimmt der Eindruck, den die „Galerie des Grauens“erwecken will? Über Impfschäden und was die Zettel-Demo verschweigt.
„Mitten in der Nacht gestorben – Tod eines 13-Jährigen nach Pfizer-Impfung wird untersucht“, „Junge Frau stirbt nach Astra-Zeneka-Impfung“, „29 Tote in Seniorenheim“: Bilder und Schlagzeilen zu Impfthemen aus der ganzen Welt reihen sich aneinander. Die Überschrift der Zettelsammlung, die bereits an verschiedenen Orten am Bodensee Station gemacht hat, lautet: „geimpft, geschädigt, geleugnet“.
Schöpfer der „Galerie des Grauens“ist ein Augsburger Rentner, der in Zusammenhang mit der Ausstellung bereits wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, den Holocaust relativiert zu haben. In Lindau trat er jedoch nicht als Veranstalter auf. Am Stand war ein örtlicher Vertreter der Partei „Die Basis“. Seine Mahnwache richtete sich nicht nur „gegen das Vergessen des Corona-Geschehens“, es gab auch
Flyer und Aufsteller, auf denen gegen die Klimapolitik und gegen Transgender-Menschen gewettert wurde.
Seit der Corona-Pandemie schüren Impfgegner die Angst vor der Impfung. Fest steht: Nebenwirkungen können – wie bei allen Impfungen – auch bei der Corona-Impfung vorkommen. Und es kann auch zu Impfschäden kommen, die für Betroffene schlimm sein können. Doch wie häufig sind sie wirklich?
Rund 65 Millionen Menschen in Deutschland ließen sich zumindest einmal gegen das Coronavirus impfen. Nach Recherchen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“Anfang des Jahres haben bislang 11.827 Menschen einen Antrag auf Anerkennung eines Schadens durch die CoronaImpfung gestellt. Selbst wenn alle anerkannt würden, läge die Quote, bezogen auf die Gesamtzahl der Geimpften, bei nur 0,02 Prozent.
Bislang haben die Behörden aber nur bei 467 Fällen einen Impfschaden anerkannt.Viele Anträge werden abgelehnt, weil Gutachter keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschäden erkennen.
Wie sieht es in Bayern aus? Bisher seien bei der zuständigen Landesbehörde, dem Zentrum Bayern Familie Soziales (ZBFS), 2712 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens eingegangen, schreibt Benjamin Vrban, Pressesprecher des ZBFS. „Es gab bislang 140 Anerkennungen.“Ein Großteil der Anträge (2057) sei bereits bearbeitet.
Ob und wie viele Menschen im Landkreis Lindau Impfschäden erlitten haben, darüber gibt es keine gesonderte Erhebung. „Eine Regionalisierung der Antragszahlen nur auf den Landkreis Lindau ist nicht möglich“, schreibt Vrban auf Nachfrage der „Lindauer Zeitung“.
Auch dem Landratsamt Lindau liegen keine Zahlen vor. „Uns sind fünf Meldungen bekannt, die auch dem Paul-Ehrlich-Institut vorliegen“, schreibt Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Landratsamtes. Das Paul-Ehrlich-Institut erhalte von Ärzten oder Betroffenen immer dann Meldungen, wenn der Verdacht auf Impfnebenwirkungen und Impfkomplikationen bestehe und erfasst, registriert und bewertet diese. Susanne Stöcker, Pressesprecherin des Instituts, betont jedoch: „Sie sind nicht gleichzusetzen mit bestätigten (schwerwiegenden) Nebenwirkungen oder (potenziellen) Impfschäden.“
Ungeachtet der Zahlen will die Galerie des Grauens den Eindruck erwecken, dass es massenweise Impftote gegeben habe. Sie verschweigt indes, dass die CoronaImpfung vielen Menschen das Leben gerettet hat. Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation wären ohne Impfung während der Pandemie in Europa 1,4 Millionen Menschen mehr gestorben.
Die Bunte Liste hatte im Vorfeld versucht, die „Galerie des Grauens“zu verhindern, doch das Landratsamt genehmigte sie. Die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet worden, auch gegen den Versammlungsleiter habe nichts vorgelegen, schreibt Sibylle Ehreiser auf Nachfrage der „Lindauer Zeitung“.
Sie verweist auf das Demonstrationsrecht, das in Deutschland ein „hohes Gut“sei. Die Versammlungsfreiheit sollte nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden, „beispielsweise, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist oder die Rechte anderer Bürger verletzt werden“.
In anderen Städten wurde die „Galerie des Grauens“verboten. Warum das Landratsamt Lindau anders entschieden hat, erklärt Sprecherin Ehreiser: Das lag zum einem an dem gewählten Ort. In Freiburg beispielsweise sollte die Zettel-Galerie an einem Gedenkplatz für die Opfer des Naziregimes aufgehängt werden. Zum anderen lag es auch daran, dass der dortige Versammlungsleiter als „teilweise volksverhetzend eingestuft wurde“. Das sei aber in Lindau nicht der Fall gewesen.