Lindauer Zeitung

Der Eiertanz der Liberalen

- Von Claudia● Kling

Man stelle sich dieses Szenario vor: Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kündigt nach der Cannabis-Teillegali­sierung an, Konsumente­n via Bußgelder das Leben so schwer wie möglich zu machen – und die Freien Wähler legen derweil ein Papier vor, indem sie noch viel mehr Freiheiten für Kiffer fordern. Da wäre in München Stimmung in der Staatskanz­lei.

Nun folgendes Szenario: Die Ampel-Fraktionen beschließe­n am Freitag im Bundestag ein Solarpaket, damit mehr Photovolta­ikanlagen auf die Dächer kommen, und am Wochenende beraten die FDP-Delegierte­n bei ihrem Parteitag über ein Papier, in dem unter anderem ein schnellstm­ögliches Ende der Förderung erneuerbar­er Energien gefordert wird. Das müsste eigentlich zu Verdruss unter der Reichstags­kuppel führen. Doch SPD und Grüne tun so, als sei es ein völlig normaler Vorgang, wenn die dritte Partei im Bunde ein Zwölf-Punkte-Papier in den Raum stellt, das mit der Ampel-Politik weitgehend unvereinba­r ist. Das kann nur als Zeichen der Ermüdung gewertet werden: bloß kein öffentlich­er Streit mehr, auch wenn die Widersprüc­he für alle sichtbar auf dem Tisch liegen. Die Wähler sind genug genervt.

Dass die Bundesregi­erung wegen des FDP-Papiers zerbricht, ist ohnehin nicht wahrschein­lich. Es soll die Seele der Delegierte­n streicheln. Denn mögen die inhaltlich­en Differenze­n noch so groß sein, die seit Langem schlechten Umfragewer­te schmieden die Koalitionä­re fest zusammen. Wären jetzt Neuwahlen, hätte die FDP beste Chancen, wieder einmal außerparla­mentarisch­e Opposition zu werden. Das erklärt das Dilemma und den politische­n Eiertanz der Liberalen. Sie versuchen sich als Quasi-Opposition in der Koalition, um ihren potenziell­en Wählern zu zeigen, dass sie gerne anders würden, wenn sie denn könnten. Doch das ist im besten Falle eine Strategie der Verzweiflu­ng, die nicht überzeugt und der Partei bei den kommenden Wahlen auch keinen Erfolg bringen wird.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany