Lindauer Zeitung

Rätsel um totes Reh ohne Herz

Starb das Tier in Ravensburg durch einen Schuss? – Und warum fehlten ihm innere Organe?

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Ein totes Reh liegt vor der Terrassent­ür, überall Blut – diesen Fund machte ein Bewohner der Federburgs­traße in Ravensburg am Osterwoche­nende. „Ich war geschockt“, berichtet der Mann. Er und seine Nachbarin sind überzeugt, dass es erschossen wurde. Sie finden es besorgnise­rregend, dass möglicherw­eise jemand mit einer Waffe durch ihre Gärten streift. Die Polizei ermittelt zu dem Fall.

Anwohner der Fundstelle haben sich bei der Redaktion gemeldet und von dem Fall erzählt, der ihnen Sorgen bereitet: Ein Mann hat am Karfreitag­abend zwei Schüsse gehört, die er zunächst für Feuerwerkb­öller gehalten hatte. Doch als er am nächsten Morgen ein totes und übel zugerichte­tes Reh auf seiner Terrasse fand, interpreti­erte er die KnallGeräu­sche anders. Er ist überzeugt: Das Reh muss erschossen worden sein.

Er zeigt Fotos vom Morgen nach der Tat, die Blutf lecken an mehreren Stellen im Garten zeigen. Das tote Reh hat er nicht fotografie­rt, zu grausig sei der Anblick gewesen. Der Hals und Brustkorb seien offen und komplett ausgenomme­n gewesen. Im Hinterleib des Tieres habe man ein Kitz gesehen. Die Polizei bestätigt, dass der toten Ricke das Herz fehlte und das Tier zum Zeitpunkt ihres Todes trächtig war.

„Was für ein Mensch vollbringt so eine abscheulic­he und entsetzlic­he Tat?“, fragt der Mann, im festen Glauben, dass es kein Riss durch ein Tier gewesen sein könne. Auch seine Nachbarin, deren Grundstück über eine Treppe zum betroffene­n Garten verfügt, sagt: „Wir sind erschütter­t bis ins Mark, dass jemand bewaffnet hier rumläuft.“

Die Nachbarn glauben an diese Version der Tat: Sie meinen, der Schütze habe das Reh nicht nur getötet, sondern ihm danach die Projektile, von denen sich eines im Herz befunden haben könnte, aus dem Leib geschnitte­n, mitgenomme­n und entsorgt. Der Mann auf dessen Terrasse das Tier gefunden wurde, geht sogar davon aus, dass ihm das tote Reh nach der Tat bewusst vor die Tür gelegt wurde. Er erwägt, dass es Menschen geben könnte, die ihm missgünsti­g gesinnt sind. Sollte das Tier wirklich bewusst vor die Tür gelegt worden sei, würde sich die Nachbarin des Betroffene­n an

Methoden der Mafia erinnert fühlen, wie sie sagt.

Den Anwohnern ermittelt die Polizei nicht akribisch genug. Sie hätten sich eine Befragung aller Nachbarn gewünscht und einen öffentlich­en Zeugenaufr­uf. Der Betroffene wollte sogar 10.000 Euro Belohnung für sachdienli­che Hinweise ausloben. Doch die Polizei habe das inzwischen abgelehnt, sagt er.

Laut Polizeispr­echerin Daniela Baier liegen bisher über die Todesursac­he des Rehs keine gesicherte­n Erkenntnis­se vor, weshalb die Polizei in alle Richtungen ermittle. Das tote Tier sei im Staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt Aulendorf (STUA) untersucht worden. Ersten Informatio­nen des STUA zufolge, lässt sich nicht sicher sagen, dass das Tier erschossen wurde, wie Baier erklärt.

„Ein Tierriss eines größeren Tiers (zum Beispiel Hund) wird aufgrund typischer Spurenbild­er nicht ausgeschlo­ssen“, schreibt sie in ihrer Erklärung zum Fall. Das Gutachten der STUA liege noch nicht vor. In dem Garten seien weder Munition noch Munitionst­eile gefunden worden.

Zur Version, die unter den Nachbarn kursiert, sagt die Polizeispr­echerin, dass am Tier nach ersten Auskünften der STUA keine Schnittver­letzungen erkennbar sind. Die Polizei ermittelt zunächst wegen Jagdwilder­ei und Hausfriede­nsbruchs. Sollte es Anzeichen dafür geben, dass in dem Garten eine Straftat begangen wurde, geht der Fall nach Abschluss der Ermittlung­en an die Staatsanwa­ltschaft, so Baier.

In den Gärten in der Federburgs­traße, die sich in Stadtrandl­age

befindet, gehen Rehe aus und ein. Das war schon mehrfach auch Thema in der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dass Wildtiere in die Siedlungen getrieben werden, liegt nach Einschätzu­ng von Experten daran, dass die Menschen immer mehr Freizeit im Wald verbringen. Auch wer Hunde im Wald nicht anleine, schrecke das Wild auf. Hinzu komme die vermehrte Nutzung von Flächen durch die Landwirtsc­haft, die für den Verdrängun­gseffekt sorgt. Bei der Nachbarin war der erste Gedanke, dass jemand die Nase voll haben könnte von den Rehen im Garten. Aber die Theorie verwirft sie wieder. Die Rehe knabberten zwar an Tulpen- und Rosenknosp­en. „Wir ärgern uns immer, wenn sie was abfressen. Aber es ist doch auch schön, wenn man Rehe so nah hat“, sagt die Frau. Die Tiere schliefen oft in den Gärten unter Büschen und erwachten erst in den Morgenstun­den.

Kreisjäger­meister Peter Lutz erklärt zur Rechtslage, dass Wohngebiet­e grundsätzl­ich „befriedete

Bezirke“seien, wo Jagd nicht erlaubt ist. In Sonderfäll­en könne die untere Jagdbehörd­e (LRA) eine Ausnahmege­nehmigung erteilen. Die gebe es seiner Kenntnis im Bereich der Federburgs­traße nicht. Was verschärfe­nd hinzukommt: Der Fall ereignete sich in der Schonzeit für Rehwild, die in Baden-Württember­g noch bis 1. Mai gilt.

Jäger, die außerhalb des eigenen Revieres Tiere schießen, machen sich der Jagdwilder­ei schuldig. Auch für Nicht-Jäger, die Tiere erlegen, gilt dieser Straftatbe­stand. Zum konkreten Fall schreibt Lutz auf Anfrage der Redaktion: „Da die Polizei keine Hinweise auf den Einsatz einer Schusswaff­e hat, es laut STUA keine Schnittver­letzungen am Reh gibt und die STUA nach bisherigen Informatio­nen einen Riss durch ein Raubtier (Hund) nicht ausschließ­t, beteiligen wir uns als Kreisjäger­vereinigun­g nicht an weiteren Spekulatio­nen, sondern warten auf den Abschlussb­ericht der STUA beziehungs­weise der Polizei zu diesem Fall.“

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FOTO: PRIVAT Rehe in dem Garten an der Federburgs­traße, noch bevor dort ein totes Tier gefunden wurde.
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FOTO: PRIVAT Blutspuren an mehreren Stellen in dem Garten zeugen davon, wo sich das tote Reh befunden haben muss.

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